Montag, 28. Januar 2013

Wie das menschliche Gehirn entscheidet, wann eine Pause gemacht wird

Forscher entschlüsseln die Grundlage für das Timing unserer Arbeitspausen (auch eine Frage der Belohnung) "Jetzt, brauche ich aber einmal eine Pause" – bei fast jeder Tätigkeit kommt irgendwann der Augenblick, in dem wir spüren bzw. erkennen: Jetzt schwindet die Kraft, wir sind erschöpft und sollten unserem Körper oder unserem Gehirn (der Konzentration) eine Pause gönnen. 


Das gilt für das Lernen und Büroarbeiten genauso, wie für Autofahren oder Hobbys. Aber woher kommt dieses instinktive automatisch aufkommende Gefühl? Und warum gibt es Situationen, in denen wir das Pausenbedürfnis überwinden und trotzdem weitermachen können – nur weil es eben sein muss? Diese interessanten Fragen haben jetzt französische Forscher in einem neurologischen Experiment untersucht – und haben tatsächlich ein Gehirnsignal identifizieren können, das uns als inneren Taktgeber für das Pausenbedürfnis dient. 

Hintergrund: "Die Frage, wann wir unsere Arbeit unterbrechen sollten und wann wir nach einer Pause wieder fit sind, muss unser Gehirn jeden Tag aufs Neue beantworten", erklären Florent Meyniel von der Universite - Pierre et Marie Curie in Paris und seine Kollegen. Diese Entscheidung müsse angepasst erfolgen, denn der Körper weiß ja nicht im Vorhinein, wie anstrengend die jeweilige Tätigkeit ist. "Wenn Menschen einen Kühlschrank die Treppe hochtragen müssen, entscheiden sie ja nicht vorher, wie oft und wie lange sie unterwegs Pause machen", so die Forscher. Es muss daher etwas geben, das unsere jeweilige Anstrengung (Energieverbrauch etc.) mitprotokolliert und dann irgendwann Alarm schlägt, wenn es zu viel werden könnte.

Eine Vermutung: Schon Anfang des 20. Jahrhunderts vermutete der Psychologe William James, dass es einen Mechanismus gibt, der wie eine Art Sanduhr "Erschöpfungseinheiten" erfasst. Erreichen diese ein bestimmtes Maß, löst das System den Wunsch nach einer Pause aus. Diese Schwelle aber, so postulierte der Forscher damals bereits, müsse flexibel sein. "Denn wenn es nötig ist, dass wir weitermachen, geschieht etwas Überraschendes: Die Erschöpfung nimmt nur bis zu einem gewissen kritischen Punkt zu, dann verschwindet sie wieder und wir bekommen eine Art zweiten Atem", beschreibt James das Phänomen.

Der Versuch: Ob James mit seiner Vermutung richtig lag und wie diese innere Sanduhr neurophysiologisch aussieht, haben Meyniel und seine Kollegen nun untersucht. Für ihre Studie baten sie 39 Versuchspersonen, einen Handgriff jeweils so stark und lange zu drücken wie sie konnten, während sie in einem Hirnscanner (Magnetresonanztomographie)  lagen. Ab einer bestimmten Druckstärke lief ein Zähler mit. Pro Zeiteinheit, die die Teilnehmer in dieser Intensität durchhielten, bekamen sie je nach Versuchsdurchgang entweder 10,20 oder 50 Cent Belohnung. Damit sollte getestet werden, welchen Einfluss die Motivation auf das Pausenbedürfnis hat. Zudem lag die Druckschwelle, ab der der Zähler lief, ohne Wissen der Probanden bei den verschiedenen Durchgängen unterschiedlich hoch. "Wie erwartet, wechselten die Probanden im Laufe eines Versuchs zwischen Anstrengung und Pausen ab", berichten Meyniel und seine Kollegen. Und wie vermutet, benötigten die Teilnehmer dann schneller eine Pause, wenn sie den Handgriff stärker drücken mussten, bevor der Zähler lief. Umgekehrt animierte eine höhere Belohnung sie dazu, trotz Erschöpfung länger weiterzumachen. Soweit, so wenig überraschend.

Anschwellendes Signal aus der Schmerzmatrix
Spannender wurde es, als die Forscher die Aufnahmen des Hirnscanners auswerteten. Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) ergab, dass während der Anstrengung zwei Gehirnregionen besonders aktiv waren, eine im Thalamus (auch als "Tor des Bewusstseins" bezeichnet) und eine in der hinteren Hirnrinde. "Beide Areale gehören zur sogenannten Schmerzmatrix und zu dem Netzwerk im Gehirn, das der Eigenwahrnehmung unseres Körpers dient", erklären die Wissenschaftler. Zusätzliche Messungen mittels Magneto-Enzephalografie (MEG) enthüllten zudem, dass dieses Netzwerk ein EEG-Signal aussendet, das im Laufe der Anstrengung stärker wird, in den Pausen aber allmählich wieder absinkt.

Und noch etwas weiteres zeigte sich: Mussten sich die Probanden stärker anstrengen, stieg dieses Signal schneller an, waren sie dagegen durch eine höhere Belohnung besonders motiviert, stieg es trotz gleicher Anstrengung langsamer (Anm.: Als Belohnung gilt auch wenn ein geliebter Mensch in Gefahr ist, auch dann können wir oft ohne Pause, auch über längere Zeit große Kraftanstrengungen erbringen).

Zusammenfassend: "Damit haben wir ein Gehirnsignal entdeckt, das linear die Ansträngungen während der Arbeit aufspeichert und sie in der Pause wieder abbaut", sagen Meyniel und seine Kollegen. Das entspreche dem Sanduhr-Modell von James. Es zeige auch, warum es uns unter bestimmten Umständen möglich ist, über unsere Grenzen hinaus zu gehen: Die Kostenkurve steige dann langsamer, trotz gleicher Mühen. Noch wissen die Forscher nicht, welche Informationen aus dem Körper diese Hirnareale für ihr Signal auswerten – es könnte aus den Muskeln stammen oder eine Stoffwechselgröße sein (oder/und Signale aus den Drüsen). Unklar ist bisher auch noch, wie dieses Signal genau mit unserer subjektiv empfundenen Erschöpfung zusammenhänge.
Folgestudien sollen das nun weiter ergründen.
Quelle: Florent Meyniel (Universite - Pierre et Marie Curie, Paris) et al.: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073//pnas.1211925110/
LINK: http://www.pnas.org/content/early/2013/01/16/1211925110