Sonntag, 10. Februar 2013

Das innere Selbstbild verändert das äußere Selbstbild

Untersuchungen zeigten: Wer seine inneren Signale (z. B. Herzschlag) gut wahrnimmt, hat ein gesünderes Selbstbild.
Wer seinen eigenen Herzschlag gut wahrnehmen kann, neigt weniger dazu, seinen Körper aus der Perspektive anderer zu betrachten. Das haben britische Psychologen jetzt gezeigt. Sie empfehlen, das In-Sich-Hineinhören zu trainieren – und schlagen dabei interessanterweise ausgerechnet eine Maßnahme vor, bei der der Körper ausschließlich von außen betrachtet wird: eine Sitzung vor dem Spiegel.

Wir Menschen haben eine ungewöhnliche Fähigkeit: Wir können uns selbst nicht nur aus der Ich-Perspektive wahrnehmen, sondern uns auch in andere hineinversetzen und uns selbst so von außen betrachten. Das ist grundsätzlich sehr hilfreich, beispielsweise im Umgang mit anderen, da man die eigene Erscheinung überwachen und gegebenenfalls anpassen kann. Allerdings hat sich vor allem in westlichen Gesellschaften mittlerweile ein Frauenbild etabliert, das Frauen mehr oder weniger dazu zwingt, ständig die Position des äußeren Beobachters einzunehmen (das äußere Selbstbild wird dabei überbetont). Dazu kommt: Der weibliche Körper wird im Gegensatz zum männlichen vordergründig nach seiner Erscheinung bewertet, nicht nach seiner Funktionsfähigkeit.

Bei dem überbetonten Selbstbild aus der Außensicht wird der eigene Körper oft nur zum bloßen Objekt. Doch das tut wiederum der Psyche nicht gut. Das haben bereits mehrere Studien gezeigt: Dieses hauptsächlich nach außen gerichtete Selbstbild erhöht die Neigung zu Depressionen, Angststörungen, sexuellen Problemen und vor allem entstehen dadurch oft Essstörungen. Noch schlimmer wird dieser Zustand mit zunehmendem Alter. Zum Beispiel bei Magersucht etwa haben die Betroffenen ein völlig verzerrtes Körper-Selbstbild und nehmen sich als viel dicker wahr, als sie in Wirklichkeit sind. Als Folge hungern sie sich immer dünner. Die Signale, die ihnen ihr Körper dabei sendet, etwa Hunger oder ein Unwohlsein ob der geringen Nahrungszufuhr, nehmen sie irgendwann gar nicht mehr wahr.

Wissenschaftler nehmen eine derartig veränderte Wahrnehmung der Vorgänge im eigenen Körper auch als Schlüsselfaktor bei anderen Problemen mit dem Körperbild an.
Daher stellten sich die beiden Psychologen Vivien Ainley und Manos Tsakiris von der Royal Holloway University London,  jetzt die Frage, ob es hier einen generellen Zusammenhang gibt. Neigt also jemand, der sein Inneres nicht oder nur wenig spürt, eher dazu, seinen Körper nur als Objekt wahrzunehmen?

Ins Innere hören, den eigenen Herzschlag im Ohr wahrnehmen
Hintergrund: Um diese Frage zu beantworten, ließen sie 43 Studentinnen im Alter von 19 bis 26 Jahren verschiedene Fragebögen ausfüllen, in denen sie Auskunft über ihr Selbstbild geben sollten. In einem Bogen wurde beispielsweise abgefragt, wie wichtig verschiedene Eigenschaften für das Selbstkonzept sind. Dazu gehörten einerseits Merkmale, die sich auf die äußere Erscheinung bezogen – wie etwa Attraktivität und die Körpermaße –, und andererseits bestimmte Fähigkeiten und Gefühle, wie Energie oder Gesundheit. Anschließend bekamen die Probandinnen Kopfhörer aufgesetzt, die die Geräusche im Raum dämpften, und wurden gebeten, ihre eigenen Herzschläge zu zählen. Parallel zeichnete ein Pulsmesser den tatsächlichen Puls auf.

Tatsächlich fand sich eine eindeutige Korrelation, berichten die Psychologen: Die Teilnehmerinnen, die ihren Herzschlag am besten spüren konnten, neigten am wenigsten dazu, sich selbst von außen zu beobachten. Umgekehrt waren die Frauen am stärksten auf ihre äußere Erscheinung fixiert, die am wenigsten sensibel für ihren Herzschlag gewesen waren.

Was entstand zuerst? 
Es sei denkbar, dass der ständige Wechsel der Perspektive für den Blick von außen einen Teil der kognitiven Ressourcen belegt, erklären die beiden Forscher. Dadurch steht weniger für Wahrnehmung und Bewertung der inneren Signale zur Verfügung. Umgekehrt könnte es jedoch ebenso gut sein, dass eine fehlende Sensibilität für die eigenen Körpervorgänge, ob nun angeboren oder erworben, den Fokus überhaupt erst nach außen lenkt.

Die Wissenschaftler tendieren zur zweiten Variante und leiten daraus auch gleich eine Empfehlung ab: Wer es schaffe, die Fähigkeit des In-Sich-Hineinhorchens zu trainieren, könne damit vermutlich die Balance zwischen innerem und äußerem Selbstbild und damit auch seine psychische Befindlichkeit verbessern. Ein Tipp, wie man das erreichen kann, haben sie auch: Man sollte sich eine Zeit lang vor einen Spiegel setzen und dann versuchen, die eigenen Herzschläge wahrzunehmen. Frühere Studien hätten nämlich gezeigt, dass man so auf eine sehr einfache Weise den Fokus auf sich selbst lenken kann. (Anm.: Den Fokus verschieben bzw. die "innere Wahrnehmung zu verändern, kann trainiert werden und das entsprechende Training der inneren Wahrnehmung wird auch das Eigenbild wieder richtig gestellt. Der Grund für Depressionen, Angststörungen, sexuelle Probleme und Essstörungen fällt einfach weg. Im fortgeschrittenen Theta-X Programm wird u.a. auch das Richtigstellen des Selbstbildes trainiert.)
Quelle: Vivien Ainley und Manos Tsakiris (Royal Holloway University, London): PLoS One, 10.1371/journal.pone.0055568
LINK: http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0055568