Mittwoch, 27. März 2013

Alzheimer Krankheit und Gehirnforschung

Untersuchungen an Ordensschwestern zeigen neue Hintergründe zur Alzheimer Krankheit.
Alzheimer betrifft Millionen – als Erkrankte und als Angehörige. 
Allein in Deutschland haben mehr als 1,3 Millionen Menschen eine Demenzerkrankung, 2050 werden es wahrscheinlich doppelt so viele sein. Zwei Drittel dieser Demenzkranken leiden an Alzheimer.
Generell erhöht sich das Risiko für Menschen ab 65 Jahren deutlich. Bis zum 85. Lebensjahr hat etwa ein Drittel der Menschen eine Form der Demenz.
Links: Alzheimer Gehirn.            Rechts: gesundes Gehirn

Dem Arzt Alois Alzheimer fiel im Jahre 1901 eine Patientin besonders auf. Die 51-Jährige Frau litt an massivem Gedächtnisverlust und schien völlig orientierungslos. Ihr Zustand verschlechterte sich weiter und als sie fünf Jahre später starb, sezierte der Arzt ihr Gehirn. Er entdeckte als erster Mediziner Eiweißablagerungen in der Hirnrinde, Plaques genannt. Und bis heute diagnostiziert man die Alzheimer-Krankheit mit letzter Gewissheit nur anhand von Ablagerungen - also erst nach dem Tod ist die sichere Diagnose von Alzheimer möglich. Das macht Diagnostikern und Forschern das Leben schwer. Denn wenn sie ein Gehirn untersuchen und feststellen, dass alles voller Plaques ist, können sie nur durch Befragung von Angehörigen versuchen, Näheres über den vorhergehenden Krankheitsverlauf herauszufinden: Zeigten die Betroffenen ein auffälliges Verhalten? Wie war ihre Orientierung in Raum und Zeit? Wie gut war das Gedächtnis? Doch diese Befragungen sind eine sehr unzuverlässige Methode. Genau dieses Dilemma war der Ansatz für eine interessante und ungewöhnliche medizinische Studie.

Trotz Alzheimer geistig fit?
Der Neurologe David Snowdon von der Universität Kentucky hatte schon in den 1990er- Jahren eine Idee: Alte Menschen, die alle sehr ähnlich leben, wären ideal, um Alzheimer zu erforschen. Snowdon überzeugte schließlich Nonnen (im Alter von 76 bis 107 Jahren) eines US-amerikanischen christlichen Ordens* davon, bei seiner Studie mitzumachen. Der Forscher begleitete die Nonnen über viele Jahre und testete dreimal pro Jahr ihre geistigen Fähigkeiten. Doch das war nicht alles. Sein Forscherteam durfte auch nach dem Tod die Nonnengehirne sezieren und auf Anzeichen von Alzheimer nachsehen.

Bei manchen Nonnen war alles wie erwartet: Sie hatten zu Lebzeiten Alzheimer-Symptome (Vergesslichkeit u.a.) und in ihren Gehirnen fanden die Forscher die entsprechenden Eiweiss-Ablagerungen (Plaques). Doch bei anderen Nonnen grenzte das Untersuchungsergebnis an ein medizinisches Wunder: Einige hatten ein Gehirn, das nach der offiziellen medizinischen Klassifikation den Demenzgrad sechs aufwies - und damit das absolute Alzheimer-Endstadium.
Doch diese Nonnen waren zu Lebzeiten immer topfit gewesen. Die regelmäßigen Tests zeigten keinerlei Einbußen ihrer geistigen Leistungen vor ihren Tod.

Zweifel an der Plaquetheorie
Ein Ergebnis von Snowdons Nonnenstudie ist: Die Anzahl der Eiweißablagerungen im Gehirn, der sogenannten Plaques, sagt nur wenig aus über das Ausmaß des geistigen Verfalls. Rund ein Drittel der Nonnen, die Alzheimergehirne im fortgeschritten oder sogar Endstadium besaßen, zeigten zu Lebzeiten keine Symptome. Umgekehrt waren manche Nonnen dement, hatten aber ein Gehirn fast ohne krankhafte Ablagerungen. Damit gerät die gesamte Alzheimer - Plaque -Theorie ins Wanken. Denn die besagt, dass jene rundlichen Ablagerungen die eigentliche Ursache für die Zerstörung von Nervenzellen sein sollen.

Klar ist aber jetzt: Es müssen noch andere Faktoren bei der Entstehung von Alzheimer eine wesentliche Rolle spielen. Snowdon vertritt mittlerweile die These, dass viele Fälle von nachlassender geistiger Fähigkeit zumindest teilweise auf das Konto von Schlaganfällen gehen. So konnte er bei vielen dementen Nonnen nachweisen, dass ihre Gehirne durch mehrere kleine Schlaganfälle gezeichnet waren – zusätzlich zu Plaque-Ablagerungen. Und möglicherweise sind diese Schlaganfälle mindestens so entscheidend für die Entstehung einer Demenz wie die Plaques.

Die Ergebnisse der Nonnenstudie sind verblüffend: Wortgewandte und ideenreiche Menschen haben viel seltener unter der Alzheimerschen Krankheit zu leiden als geistig weniger aktive Personen. Menschen die Meditationstechniken regelmäßig anwenden sind ebenso weniger betroffen. Es scheint, dass ein reges Gehirn vor der krankhaften Vergesslichkeit besser geschützt ist. Auch der Lebensstil, die Ernährung, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und dergleichen spielten ebenfalls eine große Rolle beim Morbus Alzheimer.
LINK: http://de.wikipedia.org/wiki/Nonnenstudie

* Orden der "School Sisters of Notre Dame", der in München gegründet wurde und 1850 in den USA Fuß fasste.