Freitag, 19. April 2013

Licht am Ende eines dunklen Tunnels - Nahtoderfahrung

Belgische Wissenschaftler belegt in einer neuen Studie, dass die physiologischen Mechanismen, die während sogenannter Nahtoderfahrungen (Near Death Experience, NDE) ausgelöst werden, zu Erinnerungen an das Nahtoderlebnis führen, die nicht nur sehr viel lebendiger sind als Erinnerungen an fiktive biografische Erlebnisse, sondern sogar die Lebendigkeit von Erinnerungen an reale Erlebnisse bei Weitem übertreffen.

Zu den klassischen Eindrücken von Nahtoderfahrungen gehört das Zugleiten auf ein "Licht am Ende eines dunklen Tunnels", in dem der vermeintlich Sterbende bereits verstorbene Freunde und Verwandte trifft, nachdem er seinen Körper verlassen hat. Entsprechende Schilderungen reichen weit in der Vergangenheit zurück, darüber wurde schon seit undenklichen Zeiten berichtet. Diese Berichte werden von Forschern und Wissenschaftlern schon lange Kontrovers diskutiert. Während einige Forscher entsprechende Erfahrungen als Beweise für ein Leben nach dem Tod werten, gehen viele Wissenschaftler davon aus, dass es sich um psycho-physiologische Abwehrmechanismen des Gehirns oder gar um reine Halluzinationen handelt. Grundsätzlich gibt es allerdings den Konsens darüber, dass das Phänomen an sich noch nicht vollständig verstanden wird und noch unerklärt ist, dieses Phänomen hat aber den Wert erforscht zu werden (da sind sich die meisten Neuro-Forscher und Mediziner einig).

Wie die Forscher um Steven Laureys von der "Coma Science Group" und Serge Brédart and Hedwige Dehon von der Université de Liège aktuell im Fachjournal PLoS ONE berichten, erschweren die für gewöhnlich chaotischen Umstände entsprechender Wahrnehmungen eine kontrollierte wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens. Aus diesem Grund haben sich die Forscher den Erinnerungen an die Nahtoderfahrungen angenommen. Vor dem Hintergrund der Hypothese, dass Nahtoderfahrungen einzig das Produkt einer wie auch immer induzierten Einbildung wären, sollten auch die mit ihr einhergehenden phänomenologischen Merkmale (Sinneseindrücke, Selbsteinschätzung, Emotionen usw.) denen von Erinnerungen an fiktive Erlebnisse gleichen und sich so von Erinnerungen an reale Erlebnisse unterscheiden.

Die Untersuchung: In ihrer Untersuchung verglichen die Forscher die Antworten dreier Gruppen von Patienten bezüglich eines Fragebogens miteinander (siehe Video-Link unten), mit dessen Hilfe die phänomenologischen Eigenschaften von Erinnerungen analysiert werden konnten. Während alle drei Gruppenmitglieder der Befragten schon Nahtoderfahrungen erlebt hatten, diente eine vierte Gruppe gänzlich gesunder Freiwilliger als Kontrollgruppe. In den Fragebögen ging es um die Erinnerungen sowohl von realen Ereignissen, fiktiven Ereignissen und die an die Nahtoderfahrungen.

Das Ergebnis der Befragungen beschreiben die Forscher selbst als überraschend. "Die Erinnerungen an die Nahtoderfahrungen unterschieden sich nicht nur von denen an die fiktiven Ereignisse, ihre phänomenologischen Merkmale glichen vielmehr jenen an die realen Ereignisse und überstiegen diese sogar."

Die Forscher selbst interpretieren die Ergebnisse indes lediglich vor dem Kontext der Annahme, dass es sich bei Nahtoderfahrungen um rein physio-psychologische Prozesse handelt. "Situationen, in denen Menschen Nahtoderfahrungen machen, versetzten das Gehirn in ein absolutes Chaos", so die Forscher. "Physiologische und pharmakologische Mechanismen werden vollständig gestört, verschärft oder reduziert. Einige frühere Studien bestimmter Komponenten von Nahtoderfahrungen - etwa die außerkörperliche Wahrnehmung - kommen zu dem Schluss, dass diese durch Fehlfunktionen der Temporär- und Partiallappen erklärt werden können. Vor diesem Hintergrund betrachtet, könnten es diese Mechanismen sein, die auch die in unserer Studie untersuchten Erinnerungen 'erzeugen'. Es würde sich dann also um Eindrücke aus dem Inneren handeln, die der Patient jedoch für äußere und damit für ihn 'reale' Eindrücke hält. Auf eine gewisse Art und Weise also eine Art von Halluzination. Dennoch sind derartige Ereignisse besonders interessant, da die Erinnerungen an sie extrem detailliert, präzise und beständig sind."

Allerdings fügen die Forscher auch abschließend hinzu, dass ihre Studie nicht den Anspruch erhebe, eine einzigartige Erklärung für Nahtoderfahrungen zu liefern. Sie trage allerdings dazu bei, mit physiologischen Phänomenen einhergehende psychologische Phänomene in Betracht zu ziehen.
Quelle: ulg.ac.be, Fachjournal PLoS ONE
Bildquelle: Fotolia

Dr. Steven Laureys ist Neurologe und klinischer Professor in der Abteilung für Neurologie des Universitätsklinikums von Lüttich, leitender Wissenschaftler an den FNRS.
eMail: steven.laureys @ ulg.ac.be

LINK: http://www.ulg.ac.be/cms/c_716080/de/near-death-experiences (Coma Science Group Dr. Steven Laureys