Dienstag, 21. Januar 2014

Placebos aktivieren die präfrontale Hirn-Kontrolle

Die Scheinmedikamente wirken so nachhaltig, dass Forscher dies messen können. 


Die Placebos aktivieren im Gehirn den präfrontalen Kortex und das anteriore Cingulum, also dieselbe Regionen wie echte Arzneien. Diejenigen Probanden, die auf Placebos ansprechen, zeigen eine Schmerzhemmung, die ungefähr so stark ist wie unter einem Opioid. Der präfrontale Kortex spielt eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Erwartungen wie einer Schmerzlinderung. Schaltet man dieses Areal aus (z.B. durch Einwirkung starker Magnetfelder aufs Gehirn), zeigten Probanden keinen Placeboeffekt mehr, so der Neuropsychologe Peter Krummenacher vom "Collegium Helveticum Zürich". Auch einige Parkinsonpatienten sprechen auf die Behandlung an. Placebos regen im Gehirn die Ausschüttung von körpereigenen Schmerzmitteln an. "Das widerspricht der weit verbreiteten Annahme, dass der Placebo-Effekt rein psychologisch sei", so Jon-Kar Zubieta von der Universität Michigan in Ann Arbor. "Offensichtlich gibt es bei Placebos eine bestimmte Prädisposition", meint Enck: "Leute, die die Verantwortlichkeit für ihre Gesundheit sehr nach außen verlagern, die 'Externalisierer', reagieren stärker auf Placebos.

Sogar eine Scheinoperation kann Patienten helfen
Jeder reagiert anders. Das gilt auch für Patienten bei der Chirugie, meint der US-amerikanische Orthopäde Bruce Moseley: In einer Studie operierte er die Hälfte seiner Patienten mit Knieproblemen nach allen Regeln der Kunst. Zerstörter Knorpel wurde abgetragen, die Oberfläche sorgfältig mit einer Fräse geglättet, das Gelenk gespült. Die andere Hälfte der Patienten bekam nur zwei kleine Schnitte am Knie. Auf einem Monitor sahen sie die Bilder aus einer echten Operation. Sie waren der festen Überzeugung, dass sie wirklich operiert würden. Zwischen der echten und der Scheinoperation gab es keinen Unterschied beim Heilungserfolg, auch zwei Jahre später nicht.

Gefühle positiv beeinflussen mit Placebo-Medikamenten  
Placebos können auch Gefühle positiv beeinflussen, haben Forscher des Karolinska-Instituts in Stockholm ermittelt. Das Scheinmedikament greift bei der Angstverminderung in dieselben grundlegenden Schaltkreise des Gehirns ein, die es auch bei der Schmerzerleichterung beeinflusst. Das Team um den Neurologen Predrag Petrovic testete die Placebo-Wirkung, indem es den Versuchspersonen unangenehme Bilder unter anderem misshandelter Körper zeigte. Nach der Ankündigung und Einnahme von angstmindernden Stoffen am ersten Tag erhielten die Probanden am folgenden Tag nach einer identischen Ankündigung Placebos.

Messungen der Hirnaktivität mittels Kernspintomographie zeigten, dass auch nach Einnahme der Scheinmedikamente die Hirnaktivität zur Vermeidung unangenehmer Gefühle deutlich gestiegen war. Von besonders hoher Bedeutung sei dabei die jeweilige Erwartungshaltung der Testpersonen gewesen, hieß es weiter. Die Probanden, die von den gegebenen Mitteln eine große Angstverminderung erwarteten, zeigten bei der Kernspintomographie auch die größte Aktivitätsänderung im Gefühlszentrum.
Die Placebo/Nocebo-Forschung steht heute noch am Anfang, wir werden aber in nächster Zeit noch viel darüber hören.
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Placebo-Effekt im Gehirn lokalisiert
Wissenschaftler des Collegium Helveticum in Zürich sind einem der grössten Geheimnisse der Medizin auf die Spur gekommen.

Ein einfaches Zuckerkügelchen kann zum Beispiel den Gesundheitszustand eines Patienten deutlich verbessern, wenn er meint, ein wirkungsvolles Medikament erhalten zu haben. Dieser Vorgang wird in der Medizin als Placebo-Effekt bezeichnet (der Glaube versetzt doch Berge).

Der Forscher Peter Krummenacher vom Collegium Helveticum, das von der ETH und der Universität Zürich getragen wird, hat entdeckt, wo der Placebo-Effekt im Gehirn zu Hause ist. Er setzte dazu ein Magnetstimulationsgerät ein, mit dem sich von aussen die Aktivität einzelner Hirnareale beeinflussen lässt.

Krummenacher zielte damit auf den Präfrontalkortex, einen Teil des Frontallappens der Grosshirnrinde an der Stirnseite des Gehirns. Er überzeugte Probanden, dass die Stimulation einen schmerzlindernden Effekt habe, stimulierte sie aber nur zum Schein. Trotzdem stiegen Schmerzschwelle und -toleranz der Probanden merklich an - das Placebo wirkte.

Stimulierte Krummenacher hingegen diese Hirnregion tatsächlich sodass sie dadurch blockiert wurde, schaltete sich deren Hirn-Funktion vorübergehend ab - und der positive Placebo-Effekt verschwand sofort. Dies ist ein wichtiger Schritt für die Schmerz- und Placeboforschung!
Bildquelle: Fotolia
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Siehe auch Beitrag und Video: Die Macht der bösen Gedanken
Wie im Gehirn aus negativen Erwartungen echte Schmerzen werden

Direktlink: http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2013/0820/002_nocebo.jsp