Dienstag, 24. Februar 2015

Wissenschaft - wie die Blutgruppe das Krankheitsrisiko mit bestimmt

Mehrere universitäre Studien zeigen, dass der Bluttyp eine Rolle bei der Anfälligkeit für Krankheiten spielt. Das Risiko steckt mitunter in der eigenen Blutgruppe!

Die neuesten Forschungen zeigen: Die Blutgruppe eines Menschen kann tatsächlich über die Gesundheit eines Menschen mitbestimmend wirken.

Die Antigene bestimmen über großen Bluttypen
Bildquelle: Wikipedia (Die Blutgruppe AB- gibt es am wenigsten!)
Die Blutgruppe kann ein Risikofaktor für Krankheiten sein, sagt Markus Lerch, er ist Professor für Innere Medizin an der Universität Greifswald. Man sollte sie mit einbeziehen, wenn man nach den Ursachen für bestimmte chronische Leiden sucht.

Es gibt vier Haupt-Typen von Blut, A und B, AB und Null, kein Mensch kann bestimmen, welches in ihm fließt. In jedem Blut stecken rote und weiße Blutkörper, Nährstoffe und Gase. Auf der Oberfläche der roten Blutkörper befinden sich aber je nach Bluttyp verschiedene Antigene.

Antigene sind normalerweise Proteine, die eine Reaktion des Immunsystems auslösen können. Bei diesen vier speziellen Antigenen handelt es sich um Kohlenhydrat-Reste, die an Proteine und Lipide gebunden sind. Der Typus der Antigene in den roten Blutkörpern bestimmt die Blutgruppe eines Menschen.

Der Arzt Karl Landsteiner, ein Österreicher, entdeckte dieses System im Jahr 1900. Landsteiner machte vier Antigene im Blut aus. Das H-Antigen ist dabei der Grundbaustein, aus ihm können sich die Antigene A und B entwickeln. Wenn ein Körper aus dem Grundstoff beide Typen zugleich herstellt, entsteht die Blutgruppe AB. Tragen die roten Blutkörper nur das H-Antigen auf ihrer Membran, ohne A oder B auszubilden, so nennt man diese Blutgruppe Null.

Die Blutgruppe Null schützt z. B. besser vor Malaria
Viele Bakterien und Viren haben ähnliche Oberflächenstrukturen wie die Antigene, die die jeweiligen Blutgruppen bestimmen. Das heißt, dass die Blutgruppe einen Menschen anfälliger für einen bestimmten Erreger machen kann – die Antwort seines Immunsystems fällt dann schwächer aus.

Auf andere Erreger reagiert sein Immunsystem aber besonders schlagkräftig. In verschiedenen Teilen der Welt haben sich deshalb verschiedene Blutgruppen herausgebildet, nehmen Forscher wie der Greifswalder Mediziner Markus Lerch an.

Blutgruppe "0" hat bessere Chancen bei Malaria-Infekten
Die Bakterien und Viren übten einen "Selektionsdruck" aus, vermutet Lerch. Die Blutgruppe Null ist etwa in Afrika besonders häufig. Menschen mit diesem Bluttyp haben bessere Überlebenschancen bei einer Malaria-Infektion. Dafür sind sie anfälliger für Infektionen von Magen und Darm. ...


Träger der Blutgruppen A, B oder AB sind besser gegen die Pest gerüstet.
Infektionskrankheiten, die jahrhundertelang viele Menschen in der Kindheit oder im jungen Erwachsenenalter töteten, bestimmten den Verlauf der Evolution. Wenn eine Blutgruppe einen besseren Schutz gegen eine solche Krankheit bot, konnten ihre Träger sie weiter vererben.

Evolutionäre Vorteile, die mitunter zu Nachteilen führen
Eine Blutgruppe schützte möglicherweise vor dem frühen Pesttod, aber ihre Antigene wirkten sich im Lauf des Lebens ungünstig auf andere Prozesses im Körper aus. Was damals einen evolutionären Vorteil brachte, kann deshalb heute Nachteile mit sich bringen. "Das hat damit zu tun, dass wir heute deutlich älter werden", sagt Lerch. Die Menschen bekamen ihre Kinder früher zwischen dem 15. und dem 25. Lebensjahr, chronische Krankheiten und andere Leiden treten meist später im Leben auf.

Zum Beispiel die chronische Prankreatitis. Die Krankheit macht sich bei den meisten Patienten erst im Alter zwischen 30 und 60 bemerkbar. Markus Lerch erforscht in Greifswald diese schmerzhafte Krankheit, bei der die Patienten ständig unter Verdauungsbeschwerden leiden. Für seine Studie hat Lerch die Lipase-Werte von 5400 gesunden Menschen erhoben.

Lipase ist ein Verdauungsenzym. Patienten, deren Bauchspeicheldrüse chronisch entzündet ist, haben in der Regel größere Mengen des Enzyms im Blut. Daher bringen Wissenschaftler den Lipase-Wert mit der Krankheit in Verbindung. Studienteilnehmer mit Blutgruppe B hatten häufig erhöhte Lipase-Werte. Als Lerch diese Ergebnisse mit den Bluttests von Pankreatitis-Patienten verglich, zeigte sich, dass auch sie besonders häufig Blutgruppe B hatten. Lerch berechnete aus den Ergebnissen einen Wert: Träger der Blutgruppe B haben ein 2,5-fach höheres Risiko, eine chronische Pankreatitis zu bekommen.

Das höchste Risiko für Gedächtnisverlust im Alter
Das sei keine alarmierende Zahl, sagt der Forscher. Die Studie liefere aber wichtige Hinweise darauf, dass die Blutgruppe auch Rückschlüsse darauf zulasse, wie Eiweiße im Körper verarbeitet werden. Das sei bisher kaum erforscht. Ist dieser Ablauf gestört, so führt das zu Erkrankungen, sagt Lerch. ,,Wahrscheinlich hat das viel gravierendere Auswirkungen, als Forscher bisher annahmen."

Etwa auf die Bauchspeicheldrüse, das Organ produziert anderthalb Liter Verdauungssekrete am Tag und ist unter anderem für die Spaltung von Eiweißen zuständig. Eine Störung in der Eiweißverarbeitung kann fatale Folgen für dieses Organ haben.

Die Verarbeitung von Eiweißen in den verschiedenen Blutgruppen spielt auch eine wichtige Rolle, wenn es um Gedächtnisverlust im Alter geht. Eine Studie der University of Vermont, USA konnte einen deutlichen Zusammenhang zur Blutgruppe der Patienten feststellen. Ein Team um die Medizinerin Kristine Alexander wertete Gesundheitsdaten von mehr als 30.000 US-Amerikanern aus, die 45 Jahre oder älter waren und vier Jahre lang beobachtet wurden.

Besonders häufig traf der Gedächtnisverlust die Träger der Blutgruppe AB.
Der Studie zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie dement werden, um 80 Prozent höher als bei Trägern der Blutgruppe Null, die besonders selten erkrankten.

Bessere Blut-Gerinnungsfaktoren bei A, B und AB erhöhen Thrombose-Gefahr
Auch Renate Heinz, Professorin für Innere Medizin an der Universität Wien, befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen den Blutgruppen und chronischen Erkrankungen des Menschen. Aus der Kardiologie wisse man, dass für Träger der Blutgruppen A, B und AB eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, Gefäßkrankheiten zu bekommen, sagt sie. Sechs Prozent aller Herzerkrankungen sind nach Angaben des Verbands Deutscher Kardiologen auf eine ungünstige Blutgruppe zurückzuführen.

Der Grund dafür ist, dass sich in dem Blut der Gruppen A, B und AB mehr Gerinnungsfaktoren finden. Das sind Eiweiße, die blutstillend wirken, wenn Blutgefäße verletzt werden, indem sie sich mit den Blutplättchen und der Gefäßwand verbinden. Wunden schließen sich schneller, wenn man mehr Gerinnungsfaktoren im Blut hat. Das Blut verklumpt leichter, deswegen bilden sich auch leichter Thrombosen.

,Eine erhöhte Thrombose-Neigung kann natürlich auch zu einer schlechteren Durchblutung des Gehirns führen", sagt Renate Heinz. Und somit zu Gedächtnisverlust. Heinz gehört zu den Forschern, die vermuten, dass auch die höhere Anzahl dieser Proteine im Blut in der Evolutionsgeschichte einen wichtigen Vorteil darstellte.

Durch die höhere Gerinnungsbereitschaft des Bluts heilen Verletzungen besser. Vor allem für gebärende Frauen sei das ein Überlebensvorteil gewesen, ihre Blutungen ließen schneller nach. Andere Forscher widersprechen und weisen darauf hin, dass bei allen Schwangeren die Anzahl der Gerinnungsfaktoren im Blut steige, unabhängig von ihrer Blutgruppe.

Doch keine Blutgruppe ist derzeit eindeutig als Risiko eingestuft
Sollte man also seine Blutgruppe kennen, um sein Risiko für verstopfte Arterien, eine schmerzende Bauchspeicheldrüse oder Gedächtnisverlust im Alter abzuschätzen? Keine Blutgruppe sei bisher "absolut eindeutig" als ein Risiko für eine bestimmte Krankheit identifiziert, sagt Markus Lerch aus Greifswald.

Die Blutgruppe könne aber Hinweise auf Prozesse im Körper liefern. Ihre Merkmale wirken sich auf alle Körperzellen aus. Wie genau und in welchem Umfang? Daran forschen die Mediziner weiter. "Blutgruppen-Medikamente" gibt es bisher nicht.

Entstehung der Blutgruppen A,B, O und AB
Zur Entstehung der verschiedenen Blutgruppen (des AB0, AB-Systems) gibt es nur wenig gesicherte Hinweise. Molekularbiologischen Forschungen zufolge ist Blutgruppe 0 vor ca. 5 Millionen Jahren infolge einer genetischen Mutation aus Blutgruppe A entstanden. A ist somit schon vor der Blutgruppe 0 dagewesen.

Es hat sich auch - wie schon oben beschrieben- herausgestellt, dass die Träger von Blutgruppe 0 im Fall einer Malaria-Infektion (Plasmodium falciparum) eine erhöhte Überlebenschance haben. Dieser Selektionsvorteil hat demnach dazu beigetragen, dass vor allem in den feucht-tropischen Zonen Afrikas und auf dem amerikanischen Kontinent die Blutgruppe 0 häufiger vorkommt als in anderen Weltregionen.

Blutgruppe AB = die jüngste Blutgruppe
Welche weiteren Faktoren die Entstehung und Verbreitung der verschiedenen Blutgruppen beeinflussten, ist noch weitgehend unklar. Menschen mit Blutgruppe AB sind aber extrem selten. Nur etwa 4% der Bevölkerung hat diese Blutgruppe. Bei AB- sind es sogar nur 1% der Weltbevölkerung.

Die ersten Menschen mit Blutgruppe AB findet man erst etwa ab 900 nach Christus, 
sie entstand also in der Zeit nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches nach der Völkerwanderung. Diese Zeitdatierung kann an Knochenfunden genau festgestellt werden. Der Hintergrund der Entstehung der Blutgruppe AB gilt als "äußerst rätselhaft", weil "man die Faktoren, die zur Entstehung dieser relativ jungen Blutgruppe führten, bis heute (2015) noch nicht kennt.

TIPP: Wer sich um seine Gesundheit sorgt, der könnte seine Blutgruppe und die mit ihr verbundenen Risikofaktoren in seine persönliche Vorsorge schon jetzt mit einbeziehen.
Quellen: W E L T - DE/ Prof. Dr. Markus Lerch, Studien der Universität Greifenwald, University of Vermont, Universät Wien u.a.
Bildquelle: Fotolia, Wikipedia u.a. 
LINKS 
Universität Greifenwald: http://www.uni-greifswald.de/
University of Vermont: http://www.uvm.edu/
Universät Wien: http://www.univie.ac.at/