Freitag, 20. Juli 2018

Dem Pensionssystem droht der Kollaps (Österreich)

Das absehbares Ende der Finanzierbarkeit
Wer kann das bezahlen, woher kommt nur das Geld?
Dem Generationenvertrag und damit dem Pensionssystem droht der Kollaps: Eine europaweite Vergleichsstudie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) belegt, dass die Transferleistungen zwischen Jung und Alt nicht mehr im nötigen Gleichgewicht stehen - und dass die Kluft noch größer zu werden droht.

„Wir wollen eine Politik mit langfristiger Perspektive machen, die neue Schulden so weit wie möglich einschränkt, sich nicht auf dem Rücken der nachfolgenden Generation finanziert und Fairness sowie soziale Gerechtigkeit für alle Generationen ermöglicht.“ Diese Worte finden sich unter dem Punkt „Unsere Prinzipien“ in der Präambel des Regierungsprogramms von ÖVP und FPÖ. ... 
In Deutschland hatten sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag auf die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ geeinigt - Anfang Juni 2018 kam diese in Berlin zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Die zehnköpfige Runde soll bis 2020 einen Bericht vorlegen, mit Vorschlägen für die Zeit ab 2025. Am Freitag stellte der deutsche Sozialminister Hubertus Heil (SPD) den „Rentenpakt für Deutschland“ vor. Geplant ist, dass das Rentenniveau bis 2025 beim derzeitigen Niveau von 48 Prozent bleibt und die Beiträge nicht über 20 Prozent steigen.
Nüchternes Resümee

Ob man noch in Zukunft, in Ruhe seine Pension genießen wird?
Ein hehres Ziel - die Einhaltung dürfte sich einer aktuellen Untersuchung zufolge als denkbar schwierig erweisen. Demografen der Akademie der Wissenschaften kamen in einer Vergleichsstudie mit 16 europäischen Staaten, darunter Österreich, zu dem Schluss: Der Generationenvertrag mit seinen Transferleistungen zwischen Jung und Alt ist künftig schlicht nicht mehr finanzierbar.

In allen untersuchten Staaten waren die Investitionen in Kinder zu gering, um die derzeitigen Transfers zur älteren Bevölkerung künftig aufrechtzuerhalten. Diese Transferleistungen entscheiden über Anzahl, Entwicklung und Möglichkeit der Kinder, ihren Beitrag zum System zu leisten.

Als Transfers definiert die Studie die Übertragung von Geld, Gütern oder Dienstleistungen ohne direkte Gegenleistung. Kinder erhalten sie von ihren Eltern aus gekauften oder im Haushalt produzierten Gütern und Dienstleistungen, also im Regelfall unbezahlte Arbeit. Die ältere Bevölkerung wiederum finanziert einen großen Teil ihres Konsums durch staatliche Transfers, vor allem Pensionen, Gesundheits- und Pflegeleistungen.
Austariertes System

Damit eine Generation im Alter diese Leistungen beziehen kann, muss sie aber zunächst in Kinder und damit künftige Beitragszahler investieren. Eltern stellen den Kindern Ressourcen zur Verfügung, bis diese selbst Nettobeiträge leisten - das ist der Grundpfeiler des Generationenvertrags. Die Kindergeneration wiederum bezahlt einen Teil ihres Einkommens an das staatliche Transfersystem, um der Elterngeneration den Ruhestand zu bezahlen.

Für ihre im Fachjournal „Intergenerational Justice Review“ publizierte Studie untersuchten die Demografen Bernhard Hammer, Tanja Istenic und Lili Vargha nun anhand von Daten aus den nationalen Transferkonten, ob in den einzelnen Ländern die Transfers zu den Kindern und Jugendlichen ausreichen, um jene zur älteren Generation auch in Zukunft zu finanzieren.
Klarer Kindermangel
Dazu wurden die Nettotransfers in jeder Lebensphase über alle dazugehörigen Altersgruppen addiert. Im Durchschnitt der 16 untersuchten europäischen Länder entsprachen dabei die in der Kindheit erhaltenen Transfers rund 16 Jahresarbeitseinkommen (Vollzeit), die im Alter rund sechs Jahreseinkommen. Jene Transfers, die über das Erwerbsleben bezahlt werden, summierten sich auf 15 Jahreseinkommen. Österreich ist in diesem Ländersample dabei das Land mit den höchsten staatlichen Transferleistungen im Alter - sie belaufen sich auf netto acht Jahreseinkommen.

Außerdem errechneten die Forscher einen aus zwei Teilen bestehenden Indikator für die Ausgeglichenheit der Transfers - also ob ein Gleichgewicht zwischen Transfers zu Kindern, deren Potenzial zur Transferzahlung an die ältere Bevölkerung und den erwarteten Transferleistungen im Alter besteht. Der Indikator diente den Studienautoren als Maß für die Ausgeglichenheit des intergenerationellen Transfersystems - so viele zusätzliche Kinder beziehungsweise Beitragszahler pro Person wären demnach notwendig, um die Transferleistungen an die ältere Generation auf dem Niveau von 2010 zu finanzieren.

Die Schweden machen es uns vor
Am günstigsten schaut es dabei für Schweden mit einem Wert von 0,4 aus. Bedingt ist das durch die „ausgeglichene Bevölkerungsstruktur, hohe Beiträge zum staatlichen Transfersystem und relativ niedrige Transferleistungen im Alter aufgrund eines wesentlich höheren Pensionsalters“. Österreich liegt mit einem Wert von 0,7 leicht besser als der Länderschnitt (0,9), ganz am Schluss findet sich Spanien (1,9).

Vor einem Kollabieren des Pensionssystems warnt in Österreich seit Jahren die „Aktion Generationengerechtigkeit“ unter Federführung ehemaliger Präsidenten des Cartellverbands. Claus Raidl, Sprecher der Aktion, wünscht sich bei den nötigen Reformen den "Mut wieder, wie das der Bundeskanzler Schüssel gemacht hat“. Neben einem höheren Pensionsalter für Männer und Frauen tritt die Aktion für eine rasche Vereinheitlichung der Pensionssysteme der Beamten, die Abflachung der Lebensverdienstkurven und die Stärkung der privaten Pensionsvorsorge ein.
„Klar, dass sich so etwas nicht ausgehen kann“

Bernhard Felderer, Präsident des österreichischen Fiskalrates, warnt mit nüchternen Worten: „Wir entwickeln uns weiter, werden gesünder, leben länger und kosten dem System immer mehr Geld – dass sich so etwas nicht ausgehen kann, liegt auf der Hand. Der Generationenvertrag ist damit in Gefahr.“
Anm.: Warten wir ab, mehr Möglichkeiten hat der erwerbstätige Bürger ja so und so nicht.
Und viele sprechen von bedingungslosem Grundeinkommen ... träumt schön weiter!
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