Sonntag, 4. Dezember 2011

Beim Geld setzt der Verstand aus

Für unser Hirn gilt: Geld ist wie Sex, es zeigt Reaktionen wie beim Einnehmen von Drogen
Anlass der Betrachtung ist einmal mehr die internationale Finanzkrise. Sie zeigt, so wird vielfach vermutet, die fatalen Auswirkungen der menschlichen Geldgier.


Neurofinanzwissenschaft
Immer mehr Hirnforscher und Psychologen haben sich bereits an die Arbeit gemacht, Erklärungen zu finden.

Geld ist eine Art universell einsetzbarer Joker, ein Platzhalter für persönliche Bedürfnisse, Sehnsüchte und Instinkte. Im Unterschied beispielsweise zu Nahrung und Sex befriedigt uns Kapitalvermögen zwar nicht unmittelbar, doch es lässt sich in vieles verwandeln, was Menschen begehren – seien es nun Kleidung, Schuhe, Autos, Macht oder Anerkennung ja mitunter (nicht zu selten) in Sex. Psychologen bezeichnen Geld daher auch als einen »Sekundärverstärker«.

Finanzgewinne schaffen Lust
Dr. Brian Knutson, Professor für Neurologie und Psychologie an der kalifornischen Stanford University entdeckte schon 2004, dass unser Gehirn effiktiv nach Geld giert, genauso wie nach Sex: Bei einem Orgasmus, einem Stimmungshoch durch Kokain oder dem Adrenalinstoß, eine Aktie günstig zu kaufen (der Schnäpchen Effekt), sind jeweils die gleichen neuronalen Netzströme aktiv.

Neurobiologen erforschen unter anderem, "wie das Gehirn den Geist macht". 
Es gibt eine Fülle von Beispielen, die zeigen, dass vor allem auch die jeweilige Neurochemie des Zellgeschehens im Gehirn die Grundlage für die Arbeit des Geistes ist. In Millisekunden tauschen sich Ionen aus, laden und entladen sich elektrische Spannungen, Potenziale bauen sich auf und ab, dies alles ist heute exakt messbar. Wer die elektrisch oder chemisch ausgelösten Reaktionen kennt, kann sie auch wieder herstellen. Untersuchungen zeigten, dass unsere Wünsche und viele unserer Ideen in den unbewussten Regionen des Gehirns entstehen, bevor das "Ich", das Tagbewusstsein sie sozusagen ins Bewusstsein übernimmt.

Was Prof. Knutsons Gehirnstrommessungen zeigten
Nachdem er in freiwilligen Versuchen Studenten mittels Kernspintomographen untersuchte, konnte man erkennen dass in dem Teil des Gehirns, in dem erfreuliche Gefühle angesiedelt sind, die Durchblutung erhöht war, als die Studenten Aktien- und Anleihegeschäfte durchführten. Auf Knutsons Computerschirm leuchtete die Region des Gehirns, in dem der Kern der menschlichen Begierde sitzt, auf.

Hirnforscher haben noch andere bizarre Wechselwirkungen zwischen Geld und Mensch entdeckt.
So bringen zum Beispiel Rabatte (Schnäppchen Effekt) die Hirnareale in Wallung, die auch von Drogen wie Kokain angesprochen werden. Gratis-Angebote können gar rauschartige Zustände auslösen.
In Experimenten schrecken Menschen vor einem Münzwurf-Spiel zurück, auch wenn sie mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit 1,50 Dollar gewinnen und nur einen Dollar verlieren können. Rein logisch gesehen ist das ein Fehler, den Menschen vermeiden, deren Angstzentrum (Amygdala) im Gehirn beschädigt ist.

Angstzentrum (Amygdala)

Die Impulse von erfreulich verlaufenden Geschäften können so stark sein, daß der Teil des Gehirns, wo der rationale Verstand angesiedelt ist, das Nachsehen hat. Forscher des Nationalen Instituts für Alkohol-Abusus und Alkoholismus (NIAAA) in den USA wissen, dass positive Erwartungen ein bestimmtes Zentrum im Gehirn aktivieren. Dabei ist völlig gleichgültig, ob die "Belohnung" danach mit Drogen, Sex oder mit Geld erfolgt.

Dieses Zentrum ist der sogenannte Nucleus accumbens ein Hirnmodul. Tierversuche belegen, dass er bei der Selbstbedienung mit Alkohol oder Drogen aktiv wird. Hirnforscher des NIAAA und der Harvard University konnten nun zeigen, dass der Nucleus accumbens ebenfalls aktiv wird, wenn Versuchspersonen um echtes Geld spielen. Je höher der erwartete Gewinn (null, zwei, ein oder fünf Dollar), desto aktiver (gereizter) war der Nucleus accumbens. Verloren die Spieler, blieb ihr Nucleus accumbens hingegen stumm, dafür reagierte eine benachbarte Hirnregion die für die Reaktion auf Verluste zuständig ist gereizt. Positive und negative Gefühle, laufen über verschiedene Schaltkreise im Kopf. Wenn im Nucleus accumbens elektrisch Reize gesetzt werden, gibt es ein ungeahntes Wohlbefinden, Glücksgefühl. Durch viele Untersuchungen weiß man, wie schon gesagt, dass Geld und Gewinne dieses System besonders gut aktivieren. Gleichzeitig hat das Belohnungssystem eine ganz hohe Wertigkeit in den Entscheidungsabläufen unseres Gehirns. Andere Entscheidungsabläufe, zum Beispiel die Abwägung, dass ein Lottogewinn absolut unwahrscheinlich ist, treten dabei in den Hintergrund.

Nucleus accumbens (rot)

Weitere Experimente aus der Neurofinanzwissenschaft zeigen: Es ist vor allem die Aussicht auf einen monetären Gewinn, die das Belohnungsnetzwerk anregt. Je höher die Summe, die auf dem Spiel steht, umso aktiver sind dort die Nervenzellen. Offenbar ist die Gier aufs Geld stärker ins Gehirn einprogrammiert als das Geld selbst. Und je mehr es zu holen gibt, desto größer wird die Gier. Stecken die Geld-Scheine erst einmal in der Geldbörse, übernehmen höher entwickelte Hirnregionen das Sagen – etwa der präfrontale Kortex im Frontalhirn, der als der Sitz der waren Vernunft gilt.

präfrontaler Kortex (blau)

Jetzt stellt sich die Frage: Macht Geld nun eigentlich glücklich oder nicht?

Der unmittelbare Geldgewinn macht sehr wohl glücklich. Beim dauerhaften Besitz von Geld funktioniert das dann leider nicht mehr. Denn wenn ein Reiz permanent kommt, wird das Gehirn nicht mehr dadurch ausreichend erregt. Deswegen holen sich manche Leute mit viel Geld einen anderen Kick, indem sie ihre riesigen Vermögen, die sie eigentlich nie ausgeben könnten, in hochriskante Aktien investieren. Das ist ja dann fast ein Gewinnspiel.

Wenn Menschen Geld verlieren, passiert im Gehirn genau das gleiche wie bei Angst und körperlichen Schmerzen. Das haben britische Forscher um Ben Seymour vom Wellcome Trust Centre for Neuroimaging in London festgestellt. Sie haben die Gehirnaktivitäten bei Probanden beim Glückspiel beobachtet. Der Teil des Gehirns, der bei der Aussicht auf einen eventuellen Gewinn aktiv wird, heißt Striatum. Er ist ein Teil der Basalganglien, die zum Großhirn gehören. Das Corpus striatum bildet die Eingangsstation der Basalganglien und ist Bestandteil bedeutsamer neuronaler Regelkreise, die einen elementaren funktionellen Stellenwert für den frontalen Teil des Gehirns haben.

Corpus striatum (rot)

In dieser wichtigen Hirn-Region werden Motivation, Emotion und Kognition koordiniert. 
Die Magnetresonanztomografien der Probanden haben dabei deutlich gezeigt, dass das Gehirn bei einem drohenden finanziellen Verlust anders reagiert als etwa bei einem möglichen Gewinn. Dabei wurden auch andere Aktivitäten festgestellt: Die vorderen Regionen werden bei eventuellen Gewinnen aktiv, die hinteren bei drohenden Verlusten.

Geld und Lebenszufriedenheit

Allerdings ist unsere intuitive Gier nach immer mehr Geld aus Sicht des Psychologen Aron Ahuvia von der University of Michigan-Dearborn eigentlich widersinnig. Schon 2008 veröffentlichte er eine Überblicksstudie, die dem Zusammenhang von Geld und Lebenszufriedenheit in zahlreichen vorherigen Untersuchungen nachging. Ergebnis: Die meisten Menschen streben nach mehr Wohlstand, obwohl ein größeres Vermögen ihr psychisches Befinden in Wirklichkeit nicht verbessert.

Auch statistische Analysen zeigen, dass Reichtum für das persönliche Lebensglück zumindest in Westeuropa kaum eine wirkliche Rolle spielt. Zu 95 Prozent hängen Lebensfreude und -sinn nicht vom Geld ab.
Sind unsere grundlegenden Bedürfnisse wie Nahrung und ein Dach über dem Kopf also erst einmal befriedigt, verpufft die beglückende Wirkung des Geldes – nicht aber das Verlangen danach. In puncto  Lebenszufriedenheit ist es demnach gleichgültig, ob wir 4000 Euro im Monat verdienen oder 40 000 Euro.

Verluste von Geld verursachen Schmerzen
Bei den Forschungsarbeiten wurde deutlich, dass finanzielle Verluste im Gehirn sich genau dort abspielen, wo auch die Wahrnehmung von Schmerzen und Leiden generell liegt.


Neuroökonomie
Hier ist das wichtigste die Risikoabschätzung. Ein mögliches Risiko beeinflusst Investmententscheidungen in entgegengesetzter Weise zur erwarteten Belohnung. Obwohl Menschen dafür bezahlen, den möglichen Gewinn zu maximieren, zahlen sie auch dafür, die Risiken zu minimieren.

Schätzten Probanden in Untersuchungen die Risiken falsch ein, ging das mit einer frühzeitigen Aktivierung der anterioren Insula einher. Dort werden die Emotionen integriert und zum präfrontalen Kortex geschickt – jenem Teil des Gehirns, der Handlungsentscheidungen fällt. Emotionen beeinflussen die Risikoabschätzung – und aus Sicht der Evolution ist das auch sehr sinnvoll. Denn Angst ist kein schlechter Ratgeber, wenn man einen Dschungel durchstreift, in dem es z.B. Löwen gibt. Doch an den Aktienmärkten erweise sich diese Verbindung mitunter als fatal. Wegen des Angstreflexes würden Anleger auf Verluste überreagieren, anstatt das Risiko nüchtern abzuwägen. Das sieht man auch in den oft panikartigen Bewegungen des Geld- und Aktienmarktes.

anterior Insula (rot)

Den Hauptgrund dafür, dass unser Verstand beim Geld oft aussetzt, liegt daran, dass finanzielle Risiken zumeist extrem schwer vorherzusagen sind.

Die Aussicht auf Reichtum übertüncht die Angst vor Armut
Die Hirnforscher sind davon überzeugt, dass ein besonders hohes Risiko die Vorstellung eines möglichen Gewinns zusätzlich versüßt (der, wer nicht wagt - der nicht gewinnt Effekt): Die Aussicht auf Reichtum übertüncht die Angst vor Armut. Verantwortlich für dieses an sich irrationale Denken sei ein "Antizipationsschaltkreis" im Gehirn, wie Brian Knutson von der kalifornischen Stanford University kürzlich herausfand. 2008 wertete der Neurowissenschaftler in einer Übersichtsstudie 21 experimentelle Untersuchungen über die neuronalen Mechanismen des Geldeinnehmens und -verlierens aus.

Dabei zeigte sich, dass die Erwartung eines finanziellen Gewinns die Nervenzellen im Nucleus accumbens stärker aktiviert als ein tatsächlich erhaltener Geldbetrag. Diese Hirnregion ist Teil des Belohnungssystems und liegt tief hinter den Augen an der Rückseite des Frontallappens. Ein ähnlicher Effekt ließ sich auch in anderen Hirnregionen nachweisen, etwa in der Insula oder im zentral gelegenen Thalamus. Das Emotionszentrum Amygdala fällt hingegen aus der Reihe: Es reagiert auf finanzielle Einnahmen stärker als bei bloßen Gewinnerwartungen.

Insgesamt ruft laut Knutson die Aussicht auf Vermögen ein deutlich größeres neuronales Feuerwerk hervor als der reale Besitz (Vorfreude ist IMMER die größte Freude). Die erhöhte Neuronenaktivität geht dem Forscher zufolge mit einer gesteigerten physiologischen Erregung einher, die wiederum unsere Handlungsbereitschaft steigert. (TIPP: Um dauerhaft erfolgreich zu sein, muss das präfrontale Gehirn besser aktiviert werden, vor allem in Krisenzeiten!)

Finanzkrise, Finanzcrash  
Ein möglicher Finanzcrash ist kein Wunder: Wir Menschen sind einfach nicht dafür gemacht, mit viel Geld umzugehen. Der Homo oeconomicus ist eine nicht reelle Vorstellung der modernen Ökonomie. Es gibt in nicht wirklich!

Diese Wunschpersönlichkeiten wären ausgestattet mit übermenschlichen mathematischen Fähigkeiten sie würden allen  Entscheidungen stets mit bestechender Logik treffen. Niemals lässt sich der "Homo oeconomicus" launisch, emmotional zu einer Eskapade hinreißen. Und er beherrscht in der Vorstellung mancher Ökonomen die Weltwirtschaft. Als stets rational handelnder Marktteilnehmer bildet der Homo oeconomicus das Fundament der modernen Ökonomie. Das einzige Problem ist: Mit den realen Gegebenheiten hat diese Idee nichts zu tun. Was nun (Ende 2011) gut sichtbar wird.

Er ist nur eine krampfhafte Wunschvorstellung von Ökonomen, damit die komplizierte Welt von Geld, Gütern und Dienstleistungen und der damit verbundenen Macht nicht auch noch mit den Niederungen menschlicher Unzulänglichkeit belastet wird. Spätestens nach der Lehman-Bombe (15. September 2008) wissen wir, dass das Finanzsystem nicht vom Homo oeconomicus dominiert wird.


Eigentlich wissen auch Wirtschaftsforscher (nicht nur Hirnforscher), dass der Mensch fast nie rational ist.
Wer nach Erklärungen für das globale Finanzchaos sucht, sollte daher nicht nur in der Welt von Mortgage-Bonds (durch Hypotheken gesicherte Wertpapiere) und Knockout-Zertifikaten (Hebel-Zertifikate auch Turbo- Zertifikate genannt) stöbern.
Auch Politiker machen hier leider keine Ausnahme, sie werden ja wieder NUR von den bestehenden "Finanzmanagern" und "Wirtschaftsforscher" beraten. Derzeit steht auch hier eher Panik, Ratlosigkeit und teure Experimente im Vordergrund.

Unsere Unfähigkeit mit Geld umzugehen
"Viele Probleme des realen Lebens kommen von unserer Unfähigkeit mit Geld umzugehen", sagt der Verhaltensökonom Prof. Dan Ariely von der Duke University, "Geld ist ein abstraktes Konzept, das wir Menschen nicht verstehen (das zeigen auch moderne Hirnforschungen, siehe oben)."

Psychologie und Neuroökonomie können die Gründe der Finanzkrise aufhellen, die mit Gier zusammenhängen.
Nur wenn man die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung mit einbezieht, können künftige Finanz-Krisen vielleicht besser verhindert werden. Die angeborene Gier bestimmter Hirnzentren des Menschen müssten durch entsprechendes Training und Neurostimulation vorab entschärft werden.

Die Hirnfunktionen von Investmentbankern, Hedge-Fonds-Managern und Bankvorständen (auch manche Politiker) weichen nicht grundlegend von denen anderer Menschen ab. Der einzige Unterschied ist, dass diese Gruppen durch ihre Instrumente und Machtbefugnis auch die Gelegenheit hatten und haben, ihre Gier auszutoben, während die große Mehrheit der Menschen diese Möglichkeit nicht hat, dafür aber unter den auftretenden Folgen leiden müssen.
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TIPP:
Eines Tages wird die Analyse von Hirnströmen den Finanz-Managern und Anlegern helfen 
Veränderungen bei der Anlegerstimmung aufzuspüren. Im Grunde ist das schon heute möglich, durch entsprechende Messungen  der aktuellen Hirnpotenziale (z.B. mittels PcE-Scanner iQ) . Es ist schon jetzt durchaus möglich, dass Neurowissenschaftler psychoaktive Trainingsmethode (z.B. psychoakustische Frequenzmischungen) bereitstellen, mit denen Händler, Anleger, Manager besser und profitabler werden. Entsprechende Trainingsverfahren und Neurostimulationstechniken (mit dem Whisper 213) stehen für ausgewählte Personengruppen (Kleinseminare) schon jetzt zu Verfügung. Erfolg ist lernbar.
Um dauerhaft erfolgreich zu sein, muss das präfrontale Gehirn besser aktiviert und die Amygdala gleichzeitig gedämpft werden, vor allem in Krisenzeiten!