Samstag, 17. Dezember 2011

Moral Transformation

Moral macht stark, geistig wie auch körperlich!
Gute und böse Taten erhöhen die physische Kraft sowie die Willensstärke

Der Held, der andere Menschen in letzter Minute aus einem im Wasser versinkenden Auto zieht oder der Bösewicht, der mit Goldbarren beladen über die Dächer flieht, hat oft übermenschliche Kräfte. So kennen wir es aus Film und Fernsehen und auch in der Realität wachsen Menschen, die anderen helfen (oder ihnen böswillig schaden), oft über sich hinaus. Der Forscher Prof. Kurt Gray von der Havard University, der zu dem Themenfeld Moral und physische Kraft Versuche mit Freiwilligen durchgeführt hat, hat dafür eine interessante Erklärung. Seiner Ansicht nach sind Menschen, die sich durch gute Taten oder auch durch böse Taten hervortun, nicht unbedingt von vornherein mit einer besseren Selbstkontrolle, Willenskraft oder physischen Ausdauer gesegnet. Vielmehr führe die Selbstbeobachtung bei einer guten Tat (oder einer bösen) dazu, sich selbst als stärker wahrzunehmen - ein Art selbsterfüllende Prophezeiung.

Also: Wer eine anstrengende Aufgabe vor sich hat, sollte schnell noch ein bisschen Geld für einen wohltätigen Zweck spenden. Diesen eigenwilligen Tipp leitet der Harvard-Psychologe Kurt Gray aus einer Studie ab, in der er einen ungewöhnlichen Zusammenhang entdeckt zu haben glaubt: Anderen etwas Gutes zu tun oder auch nur darüber nachzudenken, stärkt die eigene Körperkraft. Das wiederum beeinflusse Willensstärke und Durchhaltevermögen, so dass man auch Versuchungen wie einem Stückchen Kuchen besser widerstehen könne, schlussfolgert der Wissenschaftler. Der gleiche Effekt tritt übrigens auch ein, wenn man anderen schadet oder ihnen in Gedanken Böses zufügt, berichtet Gray.

Anderen zu helfen, erfordert Willenskraft, Hartnäckigkeit und persönliche Stärke. 
Bisher sei man im Großen und Ganzen davon ausgegangen, dass diese Eigenschaften angeboren seien, und Menschen, die außergewöhnlich viel Gutes tun, einfach von ihrer Veranlagung her dazu bestimmt sind, erläutert Gray. Er stellte sich nun jedoch die Frage: Was wäre, wenn es genau andersherum wäre und gute Taten erst die persönliche Willenskraft und Stärke fördern? Etwas Gutes zu tun, könne einem selbst schließlich das Gefühl vermitteln, stark und überlegen zu sein – und solche Assoziationen werden praktisch immer auch verkörpert, das heißt, sie äußern sich in physischen Reaktionen oder Veränderungen. Wer beispielsweise an die Konzepte "alt" und "langsam" denkt, geht anschließend selbst unbewusst langsamer.

Um zu testen, ob diese Verkörperung auch im Fall von guten Taten eintritt, entwarf der Psychologe einige Tests. In einem davon ließ er beispielsweise eine Gruppe von Freiwilligen eine kleine Geldsumme an UNICEF spenden und maß anschließend, wie lange sie ein Gewicht am ausgestreckten Arm halten konnten. Diese Werte verglich er anschließend mit denen einer Kontrollgruppe, die das Geld behalten durfte. Ergebnis: Die Spender konnten das Gewicht im Schnitt sieben Sekunden länger festhalten als die Nicht-Spender, ohne dass zuvor ein messbarer Kräfte-Unterschied zwischen den Gruppen bestanden hätte. Interessanterweise sei ein solcher Effekt auch dann aufgetreten, wenn die Probanden lediglich im Geiste einem anderen etwas Gutes tun sollten, berichtet Gray. Zudem ließ sich eine ähnliche Kräftezunahme auch beobachten, wenn die Testteilnehmer darüber nachdachten, anderen zu schaden.

Moralische Transformation
Für Gray zeigen die Ergebnisse, dass Körper- und Willenskraft nicht unbedingt der Grund für große Taten ist, sondern eine Folge. Diesen psychologischen Effekt, den Gray "Moralische Transformation" nennt, kann man in verschiedenen Bereichen einsetzen um die eigene Willenskraft zu stärken.

Wie ist es zu erklären, dass vom positiven Taten so viel Kraft ausgehen kann? 
Forscher der University of Oregon fanden eine Antwort im Gehirn des Menschen. Sie unterzogen 19 Probanden einer Kernspintomografie. Wenn die Untersuchten kurz vorher Geld gespendet hatten, zeigte sich, dass das Belohnungszentrum im Gehirn angenehme, "berauschende" Substanzen ausschüttete - sogenannte Glückshormone. Man fühlt sich also einfach besser. Das steigert dann auch das Selbstwertgefühl. Man kann nur selbst (wirklich) glücklich werden, wenn man auch andere glücklich macht. Das ist auch das schöne am schenken.

Belohnungszentrum des Gehirns
Schon das Konzept, seine Mitmenschen durch eigene Aktionen zu beeinflussen, sei es nun positiv oder negativ, erhöhe demnach die körperliche Kraft, schließt Gray. Das erkläre vielleicht, warum ganz normale Menschen in Notsituationen plötzlich über sich hinauswachsen und außergewöhnliche Leistungen vollbringen können, spekuliert der Wissenschaftler. Er glaubt, dass sich diese ganz eigene Macht solcher Taten auch kanalisieren beziehungsweise umwandeln lässt: Man könne sie in Selbstbeherrschung umwandeln und so leichter ein gestecktes Ziel erreichen.
Direktlink zum PDF: http://www.pce.at/PDF/K_Gray-Moral-Transformation.pdf (6Seiten)

Quelle: Kurt Gray (Harvard University, Cambridge) et al.: Social Psychological and Personality Science (LINK: http://www.sagepub.com/journalsProdDesc.nav?prodId=Journal201952), Bd.1, Nr.2 und  http://spp.sagepub.com/content/1/3/253.abstract und Kurt Gray LINK: http://www.wjh.harvard.edu/~kurtgray/Pubs.htm