Donnerstag, 15. Dezember 2011

Warum uns das Leben zurückblickend immer schöner erscheint

Ältere Menschen nehmen die Erinnerungen besser auf, die mit positiven Gefühlen verknüpft sind

Alte Menschen neigen dazu, negative Eindrücke aus ihrem Gedächtnis zu streichen. Durch diese unbewusste Auswahl von Erinnerungen können sie ihre Gefühlswelt beeinflussen und sind dadurch besser gelaunt und weniger besorgt als junge Menschen. Das haben Susan Charles und ihre Kollegen von der Universität in Irvine herausgefunden, als sie bei 18- bis 80-jährigen Probanden die altersbedingten Unterschiede der Gedächtnisleistung untersuchten. Ihre Ergebnisse stellen sie im Fachmagazin Journal of Experimental Psychology vor.


Die Forscher wählten 32 Bilder aus, die positive, negative oder neutrale Gefühle beim Beobachter auslösten. Die insgesamt 144 Probanden betrachteten die Bilder in Intervallen von zwei Sekunden und mussten danach notieren, an welche Bilder sie sich noch erinnern konnten. Die 18- bis 29-Jährigen merkten sich Bilder, mit denen sie positive oder negative Gefühle verbanden, gleich gut. Den 65-bis 80-Jährigen fiel es jedoch deutlich schwerer, sich an negative Bilder zu erinnern als sich positive Bilder ins Gedächtnis zu rufen. Je älter ein Proband war, desto schlechter konnte er sich Bilder mit negativen Motiven merken, beobachteten die Forscher. 

An die neutralen Bilder, die keine Gefühlsregungen auslösten, konnten sich die Probanden aller Alterstufen gleichermaßen schlecht erinnern.

Die Motivation und die Wertigkeit eines Ereignisses oder eines Eindrucks sind eng mit dem Gedächtnis verknüpft. Was bedeutsamer erscheint, bleibt eher im Gedächtnis, während unwichtige Informationen schneller verworfen werden. Da im Alter emotionales Wohlbefinden einen großen Stellenwert einnimmt, konzentrieren sich alte Menschen besonders auf positive Erlebnisse. Den negativen Gefühlen schenken sie jedoch weniger Beachtung als junge Menschen.

Die so genannte sozioemotionale Selektionstheorie besagt, dass Menschen eine bewusste und unbewusste Einschätzung davon haben, wie viel Zeit ihnen noch zu leben bleibt. Je kürzer die verbleibende Lebensdauer ist, desto mehr konzentrieren sich die Menschen auf Erlebnisse und Bilder, mit denen sie positive Gefühle verbinden. Junge Menschen hingegen, die das Gefühl haben, sie würden ewig leben, nehmen Neues, Positives wie Negatives, gleich stark auf. Sie konzentrieren sich mehr auf das Erreichen von Zielen als auf das Erlangen einer harmonischen Stimmungslage.

Für diese Theorie spricht, dass auch todkranke junge Menschen sich schlechter an negative Bilder erinnern können, erklärt Charles. Die alten Menschen könnten jedoch auch im Laufe ihres Lebens gelernt haben, ihre Stimmungslage zu kontrollieren, indem sie sich mehr auf Positive Eindrücke konzentrieren als auf Negative, vermutet die Wissenschaftlerin.
Quelle: Fachmagazin Journal of Experimental Psychology vor (A u s g.132, Nr.2,S.310) http://www.apa.org/pubs/journals/xge/index.aspx