Freitag, 14. Januar 2022

Der Gang durch eine Tür macht uns vergesslich!


Was wollte ich hier eigentlich?
Aus den Augen aus dem Sinn – unglaublich aber wahr: Der Gang durch eine Tür macht vergesslich. Unser Gehirn verfügt über etwa 100 Milliarden Nervenzellen, von denen jede mit einer anderen verbunden sein kann - über eine von 15000 Synapsen. Eine gute Sache. Doch trotz dieser umfangreichen Maschinerie vergessen wir häufig Dinge. 

Bestimmt kennen Sie dieses Szenario: 
Sie wollen etwas erledigen und betretet dafür einen Raum, doch plötzlich stehen Sie ratlos da und wissen nicht mehr was es war. US-Forscher haben für dieses kuriose Phänomen nun eine Erklärung gefunden: Es ist das Durchqueren der Tür, das unserem Gehirn den Impuls fürs Vergessen gibt. Diesen Zusammenhang konnte das Team um Dr. Gabriel Radvansky von der University of Notre Dame durch Experimente belegen. "Der Gang durch eine Tür ist wie eine Art Ereignis-Grenze, die Denkvorgänge und Erinnerungen von einander trennt. Wie bei einem Computer werden dabei temporäre Dateien gelöscht – so verschwinden Gedanken, die wir gerade noch im Sinn hatten", erklärt Gabriel Radvansky.

Für die Studie sollten 60 Probanden sechs bunte Objekte aus einer Auswahl nehmen, sie in eine Kiste packen und von einem Tisch zu einem anderen bringen. Mal stand dieser Tisch im selben Raum, mal mussten sie dafür durch eine Tür einen anderen Raum betreten. Nach einer kurzen Pause sollten die Probanden sich nun erinnern, welche Objekte sie transportiert hatten – sie sollten sie dazu auf einem Bildschirm wiedererkennen. Und siehe da: Jedes Mal, wenn sie bei dem Experiment eine Tür durchquert hatten, machten sie bei der anschließenden Gedächtnisaufgabe mehr Fehler und konnten sich an wesentlich weniger Gegenstände erinnern.

Die Forscher überprüften nun, ob diese Vergesslichkeit tatsächlich mit dem Durchqueren der Tür verbunden ist oder aber daran liegt, dass es sich um einen neuen Raum handelte, in dem die Objekte abgeliefert werden sollten. Sie ließen dazu einen Teil der Probanden Türen durchqueren, um am Ende aber die Objekte wieder im Ursprungsraum abzuliefern. Der anschließende Gedächtnistest zeigte, dass der Effekt der erhöhten Vergesslichkeit immer noch da war – es ist also das Überschreiten der Türschwelle und nicht der neue Raum selbst, der das Vergessen auslöst: Das Gedächtnis zieht beim Verlassen eines Raumes quasi einen Schlussstrich unter das, was wir in diesem Raum gedacht oder getan haben und die Türe ist dafür das Signal, erklären die Forscher

Das Phänomen „Durch die Tür, aus dem Sinn“, entsteht sogar bei virtuellen Türen, zeigten weitere Experimente von Gabriel Radvansky und seinen Kollegen. Bei diesen Versuchen steuerten die Probanden eine Computerfigur durch virtuelle Räume mit Türen. In dieser künstlichen Umgebung zeigte sich ebenfalls der gedächtnislöschende Effekt. Erledigte der Proband mit seiner Computerfigur Aufgaben innerhalb eines virtuellen Raumes, konnten er sich später besser an Details erinnern, als wenn die Figur virtuelle Türen durchquert hatte. 

Haben Sie vergessen, was Sie wollten?
"Unser Gehirn verschlechtert sich, wenn wir unseren Aufenthaltsort ändern", sagt Radvansky. Denn unser Gedächtnis hat mit dem alten Raum gewissermaßen abgeschlossen, sobald wir die Türschwelle übertreten. Nun fokussiert es sich auf die neue Umgebung - und unter dieser geistigen Anstrengung leidet unser Erinnerungsvermögen.

Wie kann man das vermeiden?
1. Gehen Sie an den Punkt in der Wohnung zurück, an dem Sie den Gedanken noch hatten und auf einmal ist er wieder da (G.H.Eggetsberger).

2. Einer amerikanischen Redakteurin empfahl Radvansky physische Hilfsmittel. Wer beispielsweise im Wohnzimmer sitze und plötzlich Lust auf einen kleinen Imbiss bekomme, solle einen Teller oder eine Schüssel mit in die Küche nehmen. 

Oder: Wer auf der Suche nach einer Schere sei und von Raum zu Raum gehe, solle aus Zeige- und Mittelfinger eine Schere formen. Solche gedanklichen Stützen machen es dem Gehirn leichter, sich zu konzentrieren. Sonst gilt schnell: Aus der Tür, aus dem Sinn.


Quelle: Gabriel A. Radvansky, Sabine A. Krawietz  und Andrea K. Tamplin von der University of Notre Dame, et al.: The Quarterly Journal of Experimental Psychology, DOI: 10.1080/17470218.2011.571267(2011): Walking through doorways causes forgetting: Further explorations. The Quarterly Journal of Experimental Psychology, 1632-1645. LINK: http://www.tandfonline.com/action/aboutThisJournal?show=readership&journalCode=pqje20 

Fotoquelle: pixabay