Samstag, 4. Februar 2012

Wie Angstzustände hervorgerufen und weiterverarbeitet werden

Mit diesem Wissen könnte die Therapie von Patienten mit Angstzuständen verbessert werden.

Elektrische Aktivität  der Amygdala direkt gemessen
Die Forscher pflanzten in das Gehirn von Mäusen Elektroden ein, um die elektrische Aktivität verschiedener Gehirnbereiche im Mandelkern (Amygdala) auf Angstreize zu vermessen. Die Amygdala spielt eine wesentliche Rolle bei der Gefahrenanalyse und beim Hervorrufen von Angst. Die Forscher konditionierten die Mäuse auf ein Angstverhalten, indem sie nach einem akustischen Tonsignal die Pfoten mit einem leichten Elektroschock reizten. Wenn die Mäuse nach dem Ton für mindestens zwei Sekunden in eine Art Schockstarre fielen, werteten die Forscher dies als (sichtbare) Angstreaktion. Mit der Angstreaktion zeigte auch ein Gehirnareal mit rund 43 Neuronen ein deutliches Signal.

Angstgedächtnis gelöscht
In einem weiteren Versuchsteil verzichteten die Forscher auf den Elektroschock: Nach 24 Tonstimulationen konnten sie die Angstreaktion der Mäuse eliminieren.

Amygdala (grün, blau, lila) mit Hauptverbindungen
Dabei übernahm dann ein anderes Gehirnareal mit etwa 35 Neuronen das Kommando und tilgten das Angstgedächtnis. Sieben Tage später konnten die Forscher durch erneute Ton-Elektroschockreize das Gedächtnis wieder reaktivieren. Sie schließen daraus, dass es zwei Haupt/Schaltkreise im Mandelkern des Gehirns gibt: Einer lernt (43 Neuronenbereich), äußere sensorische Ereignisse mit Angstreaktionen zu verknüpfen. Der andere kann die Angst wieder auslöschen (35 Neuronenbereich). ANM.: Das kann der Frontalhirnbereich (präfrontaler Kortex) auch, siehe Theta-X!

Von der Balance zwischen Angstneuronen und Löschneuronen hängt es ab, wie Mäuse und vermutlich auch Menschen auf Angst hervorrufende Reize reagieren. Wenn diese Balance von außen Richtung "Löschen" verschoben werden könnte, hätten Mediziner vielleicht ein probates Mittel, um Patienten mit Angststörungen zu helfen, hoffen die Forscher.
Quelle: Andreas Lüthi (Friedrich-Miescher-Institut für Biomedizinische Forschung in Basel) et al.: Nature http://www.nature.com/index.html, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/nature07166

TIPP: Bei Säugetieren (Menschen) können die spontanen Angstreaktionen von neokortikalen Hirngebieten, insbesondere dem präfrontalen Kortex (PFC), moduliert werden (Olsson & Phelps (2007). Social learning of fear. Nature Neuroscience, Vol. 10, Iss. 9, S. 1095-1102).
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Hintergrund: Mandelkern (Amygdala)
1. Beziehung zwischen Reiz und Affekt:
Der Mandelkern ist in den Prozeß involviert, durch den sensorische Reize motivationale und emotionale "Tönung" (Bedeutung) gewinnen. Der Wahrnehmungsprozeß ist (über Verbindungen zum Thalamus) mit Kategorisierungen verbunden, die durch Instinkt, Erfahrung oder Assoziation zu aversiven (Furcht- und Fluchttendenz fördernden) oder positiven Verhaltensweisen führen. 


2. Beziehung zum Affektverhalten:
Es scheint, daß die grundlegenden Emotionen Wut, Furcht und Schrecken, die mit dem Überleben des Organismus zu tun haben, an dieses System gebunden sind. Der Mandelkern ist offenbar an der Gestaltung des affektiven Gesamtverhaltens in Bezug auf die Selbst- und Arterhaltung beteiligt und wird daher als das morphologische Substrat für das Affektverhalten betrachtet. 


3. somatische Antworten:
Über die Verbindungen zum Thalamus (intralaminare Kerne, Ncl. dorsomedialis, Ncl. anterior) beeinflußt der Mandelkern die thalamo-kortikale Projektion. 


4. Beziehung zum zu vegetativen Organfunktionen:
Auf der engen Beziehung zum Hypothalamus beruhen Einflüsse auf viszerale Prozesse, z.B. Essen, Nahrungsaufnahme (Eß- und Trinkverhalten, gastro-intestinale Funktion),  Sexualverhalten (Zerstörungen im Bereich des Mandelkerns führen zu zwanghaften oralen und sexuellen Verhaltensäußerungen) und kardio-vaskuläre Funktion.