Dienstag, 22. Mai 2012

Reduzierte Schmerzwahrnehmung, durch Ablenkung (Nachgewiesen)

Gehirnforschung: Die Konzentration auf "etwas Anderes" hemmt die Übertragung von Schmerzreizen direkt im Rückenmark. Ablenkung lindert Schmerzen!
Es stimmt nachweislich: Deutsche Forscher haben aufgedeckt, warum Ablenkung Schmerzen lindern kann.
Was meditierende (z. B. Achtsamkeitsmeditation) schon immer wussten ist nun nachgewiesen!

Die Wirkung geht weit über einen psychologischen Effekt hinaus: Schmerzreize werden durch Ablenkung bereits im Rückenmark abgeschwächt, bevor sie das Gehirn erreichen, zeigen Experimente des Teams um Christian Sprenger vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Für die Studie waren 20 Freiwillige bereit, experimentelle Schmerzreize durch Hitze am Arm zu ertragen. Parallel dazu sollten sie zur Ablenkung Gedächtnisaufgaben in zwei Schwierigkeitsstufen bewältigen. Die Probanden mussten sich dabei unterschiedliche Buchstabenfolgen merken und deren Häufigkeit feststellen. Anschließend wurden sie von den Forschern nach der Intensität der Schmerzempfindung befragt.

Dabei zeigte sich der schmerzlindernde Effekt in Abhängigkeit von der Stärke der Ablenkung, berichten die Forscher: Die einfache Stufe der Gedächtnisübung führte zu keiner nennenswerten Schwächung des Schmerzempfindens, während die schwierigen Aufgaben sehr wohl bewirkten, dass die Teilnehmer deutlich weniger empfindlich reagierten.

Ablenkung beeinflusst die Leitung zwischen Körper und Gehirn
Welche nervlichen Ursachen hinter diesem Effekt steckten, deckten die Forscher mittels der sogenannte funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) auf. Mit diesem bildgebenden Verfahren überprüften sie die Reaktionen des Rückenmarks der Probanden bei den Tests. Das Rückenmark gehört wie das Gehirn zum zentralen Nervensystem. Es ist gleichsam die Telefonleitung zwischen dem Körper und seiner Schaltzentrale: Die Nervenbündel im Wirbelsäulenkanal übertragen Reize vom Körper über den Hirnstamm zum Gehirn und umgekehrt.

Während der schwierigeren Aufgabe offenbarten die Untersuchungen mittels fMRT eine deutlich geringere Aktivierung des Nervensystems durch die Schmerzreize im Vergleich zur leichteren Übung. Vermutlich aktiviert das Gehirn bei anspruchsvollen Aufgaben ein System im Hirnstamm, das die Schmerzsignale auf Ebene des Rückenmarkes hemmt, sagen die Forscher.

Es gibt bereits Hinweise, dass körpereigene Opioide für diese Effekte verantwortlich sein könnten. „Das geringere Schmerzempfinden während einer Ablenkung ist somit kein rein psychologisches Phänomen, sondern basiert auf einem aktiven Mechanismus, der bereits auf der frühsten Stufe der zentralen Schmerzverarbeitung einsetzt“, betont Christian Sprenger.

Die Ergebnisse legen den Wissenschaftlern zufolge nahe, dass therapeutische Ansätze wie beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie (Anm.: auch Biofeedback und Mentaltrainingsverfahren) auch das Potential haben könnten, bis auf die Rückenmarksebene zu wirken und dort schmerzrelevante Krankheitsprozesse zu beeinflussen.
Quelle: Christian Sprenger (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) et al.: Current Biology, DOI: 10.1016/j.cub.2012.04.006;
LINK: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982212003934