Deutschland: Psychologen der Technischen Universität Dresden haben sich in einer aktuellen Studie der Frage nach den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland gestellt.
Eine der nun veröffentlichten ersten Ergebnisse ist die Erkenntnis, dass rund ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland an einer psychischen Störung leiden.
Wie das Team unter Leitung von Professor Hans-Ulrich Wittchen im Rahmen eines umfassenden Forschungsprojektes des Robert Koch-Institutes (RKI) erläutert, hatte man bereits im vergangenen Jahr in einer ähnlichen europaweiten Studie das Belastungsausmaß psychischer Störungen analysiert. Aus dieser Arbeit konnten nun für Deutschland aktuelle Daten für 2010/2011 vorlegt werden.
Die Dresdener Universität teilt in Ihrer Pressemitteilung die wichtigsten Hauptergebnisse mit:
1. Ein Drittel der deutschen Bevölkerung im Alter von 18 bis 80 Jahren ist pro Jahr (mindestens einmal) von psychischen Störungen betroffen. Die 12-Monats-Prävalenz ist bei den 18- bis 35-Jährigen mit 45 Prozent am höchsten.
2. Die häufigsten Erkrankungen bei Frauen sind Angststörungen (Panikstörung, generalisierte Angststörung, Phobien) sowie depressive und somatoforme Erkrankungen.
3. Die häufigsten Erkrankungen bei Männern sind neben Suchterkrankungen (vor allem Alkoholsucht) Angst- und depressive Störungen.
4. Nach wie vor leiden Frauen etwas häufiger an psychischen Störungen als Männer, allerdings wird der Unterschied immer geringer.
5. Psychische Störungen beginnen überwiegend bereits vor dem 18. Lebensjahr und schränken unbehandelt die Lebensqualität über Zeiträume bis zu Jahrzehnten deutlich ein. Bei mehr als einem Drittel der Betroffenen münden die psychischen Störungen, wenn sie nicht frühzeitig behandelt werden, in einen langjährigen chronischen Verlauf mit vielfältigen Komplikationen.
6. Psychische Störungen sind mit einem überaus hohen Risiko an Fehltagen und Krankschreibungen verbunden. Jeder dritte Betroffene hatte in der Befragung angegeben, in den vergangenen vier Wochen 3 bis 4 Tage auf Grund der psychischen Störung krankgeschrieben gewesen zu sein.
7. Bei gleichzeitigem Auftreten verschiedener psychischer Störungen erhöhen sich die Fehltage auf durchschnittlich 11,6 pro Monat.
8. Trotz des hohen Leidens- und Behinderungsausmaßes ist die „Behandlungsrate“ erschreckend gering. Nur 30,5 Prozent aller Betroffenen haben wegen ihrer Erkrankung jemals Kontakt mit dem Versorgungssystem gehabt. Da in diese Schätzung auch einmalige Arztbesuche und Kontakte zu nicht auf psychische Erkrankungen spezialisierte Hausärzte eingehen, werden offensichtlich nur wenige Betroffene adäquat behandelt.
9. Wenn eine Intervention erfolgt, erfolgt diese im Mittel erst viele Jahre nach dem Krankheitsbeginn und zumeist erst dann, wenn die Grunderkrankung durch vielfältige Zusatzerkrankungen kompliziert bzw. chronifiziert ist.
10. Die Zahlen deuten an, dass Früherkennung und adäquate Frühinterventionen die Ausnahme sind. Insbesondere die Gruppe der 18- bis 35-Jährigen ist durch eine schlechte Behandlungsquote charakterisiert.
Quelle: Robert Koch-Institut
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In der SCHWEITZ sieht es wie folgt aus
Jeder Sechste hat psychische Störungen
In der Schweiz leidet jeder oder jede Sechste unter einer psychischen Störung.
Gemäss dem dritten Monitoringbericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) ist es bei 17 Prozent der Bevölkerung wahrscheinlich, dass diese Menschen an einer psychischen Störung leiden. Dabei seien gut vier Prozent stark und weitere 13 Prozent mittel belastet.
Überdurchschnittlich viele Betroffene leben im Tessin und in der Region am Genfersee. In der Zentralschweiz dagegen leiden weniger Menschen an Depressionen oder an psychischen Belastungen als im Durchschnitt des Landes.
Wie Daniela Schuler vom Schweizerischen Gesundheitsobservatorium zu «SF Online» sagte, liegt es daran, dass es in diesen Regionen mehr städtische Gebiete gibt. «In städtischen Gebieten ist der soziale Druck viel höher als auf dem Land», so Schuler.
Wie das Monitoring zeigt, sind die Leute in Städten unzufriedener mit der allgemeinen Lebenssituation (siehe Grafik oben). In den Städten gibt es mehr Einzelhaushalte, Einzelelternhaushalte und unterprivilegierte Leute. «Die Leute sind einsamer», betont Schuler weiter. Ein weiterer Faktor ist die Arbeitssituation und die hohe Arbeitslosigkeit. Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust kann zu zusätzlichem Druck führen.
Frauen und Jüngere besonders anfällig
Unterschiede zeigen sich auch bei den Geschlechtern und bei der Altersstruktur: Frauen und Jüngere leiden öfter unter psychischen Störungen als Männer und Ältere. Bei Depressionen wiederum seien von schwachen Symptomen vor allem Frauen und ältere Menschen betroffen.
Bei mittleren und starken Depressionen konnten im Monitoring aber keine Unterschiede bei Alter und Geschlecht ausgemacht werden. Wie Schuler vom Schweizerischen Gesundheitsobservatorium, muss man bei diesen Zahlen bedenken, dass Frauen offener über Probleme sprechen als Männer.
Die wenigsten Betroffenen lassen sich behandeln
Wie die Überwachung auch zeigt, lässt sich längst nicht jeder oder jede behandeln. Zwar habe die Zahl der Behandlungen binnen zehn Jahren um ein Prozent zugenommen auf fünf Prozent 2007 von vier Prozent zehn Jahre zuvor.
2009 hätten die Schweizer Spitäler 78'000 stationäre Aufenthalte mit psychiatrischer Diagnosen erfasst. Das entspreche 12 Hospitalisierungen pro 1000 Einwohner. Männer werden in den Kliniken am häufigsten wegen Alkoholerkrankungen behandelt, Frauen wegen Depressionen.
Der Monitoring-Bericht basiert gemäss Obsan grösstenteils auf bereits existierenden Datenbeständen, die meisten Daten stammten von der Schweizerischen Gesundheitsbefragung des Bundesamts für Statistik.
Quelle: Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan)
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Anm.: In Österreich sieht es derzeit ähnlich wie in Deutschland aus.