Freitag, 28. Februar 2014

Inselbegabung (Savant) - auf der Spur eines wundersamen Symptoms.

Es ist eines der rätselhaftesten Phänomene des Bewusstseins und / oder des Gehirns.
Es trifft ganz normale Menschen, die nach einen traumatischen Erlebnissen einfach hyperbegabt sind.

Angeborene Inselbegabungen treten oft bei Behinderten auf, deren Talent sich laut Dr. Darold Treffert in der Kindheit - zumeist im Alter zwischen drei und vier Jahren - ausbildet. Noch spannender sind aber Menschen mit einer erworbenen Inselbegabung: Von einem Tag auf den anderen erlernen sie völlig neue Fähigkeiten.

Mathematik-Genie durch Epilepsie
So wie Orlando Serrell aus Newport News, Virginia, der im Januar 1979 von einem Baseball an der linken Kopfhälfte getroffen wird. Der Zehnjährige ist kurz ohnmächtig, wird aber nicht behandelt. Er leidet für eine Zeit unter Kopfweh, aber seinen Eltern erzählt er von dem Vorfall nichts. Bald bemerkt er, dass er praktisch nichts mehr vergisst. Sein Kalender-Gehirn erlaubt es, alles Erlebte eines Tages wieder abzurufen. Seit dem Unfall hat er ein autobiografisches Gedächtnis.

Daniel Tammet
Oder Daniel Tammet, der als Dreijähriger 1982 einen epileptischen Anfall erlitt: Seither ist Mathematik sein Steckenpferd. Der Brite, der schon vor dem Anfall ein heller Kopf war, löst komplizierteste Aufgaben aus dem Stegreif. 2004 benannte er bei einem Wettbewerb die Zahl Pi bis auf 22 514 Stellen nach dem Komma. «Wenn ich Zahlen multipliziere, sehe ich zwei Formen», erklärt er im «Guardian». «Das Bild beginnt sich dann zu verändern und zu entwickeln und eine dritte Form entsteht. Das ist dann die Lösung. Es sind mentale Bilder. Das ist wie Rechnen ohne zu denken.» Und das gilt auch für Sprachen: Für die Dokumentation «BrainMan» von 2007 lernte er innerhalb einer Woche Isländisch (siehe Video weiter unten).

Vom Blitz getroffen, Sinfonien geschrieben
Die Amerikaner Joe Sarkin und Tony Cicoria haben sich dagegen im musischen Bereich zum Positiven verändert. Sarkin wurden 1989 nach einem Schlaganfall Teile des Gehirns entfernt. Obwohl er sich vorher nicht für Kunst interessiert hat, überkam ihm nach der Operation das starke Verlangen zu zeichnen. Heute ist er ein gefeierter Maler, dessen Bilder für 10 000 Dollar den Besitzer wechseln. Cicoria wurde 1994 vom Blitz getroffen und hat seitdem Melodien im Kopf. Der eigentlich unmusikalische Orthopäde schreibt Sinfonien, nachdem er Klavier spielen gelernt hat.

1995 beschrieb der Neuologe Oliver Sacks in seinem Buch «An Anthropologist on Mars» den Fall von Franco Magnini. Der Italiener verliess 1952 im Alter von 18 Jahren seine Heimatstadt Pontito in der Toskana, um in die USA auszuwandern. Nach einem schweren Fieber 1965 begann der Mann, intensiv von seiner alten Heimat zu träumen. Obwohl er zuvor nie gemalt hatte, spürte er den Drang dazu: Obwohl er Pontito 13 Jahre nicht gesehen hat, waren seine Strassenszenen 100-prozentig akkurat. Bei späteren Vergleichen mit aktuellen Digital-Fotos konnten keine Unterschiede festgestellt werden.

Demenz «befreit» kreatives Potenzial
Woher kommt die Veränderungen der «Savants» (Gelehrten), wie sie im Englischen genannt werden? Hinweise geben ausgerechnet Forschungen an Senioren, die unter frontotemporaler Demenz (FTD) leiden. Bei der so genannten «Pick-Krankheit» degeneriert der Stirn- oder Schläfenlappen des Gehirns, was die Persönlichkeit der Patienten verändert. 1996 beschreibt Dr. Bruce Miller den Fall eines 68-Jährigen, bei dem sich mit fortschreitender Demenz spektakuläre künstlerische Fähigkeiten entwickelten.

Bis zum Jahr 2000 schildert Miller elf weitere Fälle. Das Muster ist immer dasselbe: FTD-Patienten entwickeln eine visuelle Kreativität. Ihre «schlafenden» künstlerischen Interessen und Fähigkeiten werden erst durch die Krankheit «befreit». Die Forscher vergleichen die Ergebnisse der Senioren im Bereich funktionale Bildgebung mit der Arbeit eines neunjährigen autistischen Künstlers und finden dabei «bemerkenswerte Parallelen». 2002 untersuchte Miller mit Kollegen sogar, was einem Maler mit FTD passiert.

Asymmetrische Degeneration der linken Hirnhälfte
Betroffen war ein 49-jähriger Kunstlehrer und Hobbyzeichner: Während er sich im Organisatorischem verschlechterte, wurden seine Bilder «wilder und freier». Anstatt Wasserfarben und traditioneller chinesischer Pinseltechnik malte er stark gemusterte Bilder mit Symbolen aus dem chinesischen Horoskop und wählte andere Farben. Die Wissenschaftler bescheinigen ihm einen «eindrucksvolles künstlerisches Wachstum» und schlussfolgern: «Eine asymmetrische Degeneration der linken Hirnhälfte kann zuvor unerschlossene kognitive Fähigkeiten freisetzen. Die Vernetzung unseres Gehirns scheint ein Hauptfaktor in der Festlegung der Art unserer Kreativität zu sein.»

Tatsächlich ist dabei fast immer die linke Gehirnhälfte betroffen. Das gilt auch für Tommy McHugh, Jason Padgett und Ken Walters: Der Erste, ein Ex-Rowdie und -Junkie, wurde 2001 durch eine Hirnblutung zum Künstler. Den Zweiten, einen Mathe-Hasser, machte ein Hirnschlag 2002 zum Geometrie-Genie. Den Dritte, einen älteren Arbeitslosen, veränderte ein Schlaganfall zum Grafikdesigner.

«Man weiss nie, wie das Gehirn reagiert, wenn man sich vom Koma erholt»
Das zeigt auch das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom, bei dem Menschen nach medizinischen Problemen plötzlich in fremder Mundart reden – oder aber Fremdsprachen sprechen, ohne sie je erlernt zu haben. Von einem von rund 60 Beispielen berichtete der «Telegraph» 2010 (http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/croatia/7583971/Croatian-teenager-wakes-from-coma-speaking-fluent-German.html) : Damals war eine Kroatin aus einem 24-stündigen Koma erwacht und parlierte flüssig Deutsch.

Die 13-Jährige hatte in der Schule gerade erst begonnen, die Sprache zu lernen. «Du weisst nie, wie dein Gehirn reagiert, wenn du dich von so einem Koma erholst», sagte ihr Arzt Dujomir Marasovic vom Spital Split. «Früher wäre das als Wunder bezeichnet worden», ergänzte Psychiater Dr. Mijo Milas. «Wir denken lieber an eine logische Erklärung. Wir haben sie einfach nur noch nicht gefunden.»

Vielleicht schlummert also in uns allen ein Mozart, Picasso oder Einstein, doch die Beweisführung dafür ist schwer. Werden neuronale Verbindungen der linken Gehirnhälfte verletzt, muss sich unser Kopf neu vernetzen. Warum aber die einen nach so einem Vorfall ihr Leben lang behindert sind, während andere ein neues, besseres Leben beginnen, muss die Hirnforschung erst noch klären.

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Solche Ereignisse zeigen, dass das Super-Wissen eigentlich für alle Menschen zugänglich wäre. Man muss nur die Verbindung zum "Urwissen" herstellen können. 

Video - BrainMan:





VIDEO: BrainMan - in der Dokumentation wird Daniel Tammet vorgestellt, ein junger Mann mit schier unglaublichen Fähigkeiten. Der Engländer ist wahrscheinlich der größte Hirnathlet der Welt. Daniel ist nicht nur ein absolutes Mathe-Ass . Er hat auch ein schier unerschöpfliches Gedächtnis und sprach als die Doku gemacht wurde neun Sprachen fließend...

Daniel Tammet wurde 1979 in London geboren. Er ist einer der wenigen Savants, die nicht von Geburt an ihre Fähigkeiten besaßen, ein sogenannter "acquired Savant". Tammet erlitt im Alter von drei Jahren einen schweren epileptischen Anfall. Dieser Anfall veränderte ihn dauerhaft. Er begann Mathematikbücher zu lesen und Pflanzenmuster zu studieren. Er schafft es, schwierige Rechenaufgaben kopfrechnend zu lösen und hat innerhalb einer Woche die isländische Sprache so weit erlernt, dass er in ihr ein Fernsehinterview geben konnte. Beim internationalen Pi-Treffen 2004 stellte er einen neuen Europarekord auf, als er innerhalb von fünf Stunden bei einem Gedächtniswettbewerb 22.514 Nachkommastellen der Kreiszahl Pi referierte. So wie die meisten Savants nur in einem Bereich Außergewöhnliches leisten und dafür manches Alltägliche überhaupt nicht können, hat Tammet beispielsweise Schwierigkeiten, links und rechts zu unterscheiden.

Ungefähr die Hälfte der Savants sind Autisten, und auch Tammet hat nach eigenen Angaben das Asperger-Syndrom. Für Wissenschaftler besonders interessant ist, dass Tammet, anders als die meisten anderen Autisten, genau berichten kann, was in seinem Kopf vorgeht, während er beispielsweise rechnet. So berichtet er, dass zum Beispiel bei der Multiplikation zweier Zahlen diese sich in seinem Kopf als zwei Symbole darstellen, die sich zu einem neuen Symbol vereinigen -- dem Ergebnis. In seinem Geist hat jede Zahl bis zur 10.000 nach seinen Angaben ihr eigenes Erscheinungsbild. Er hat sein visuelles Bild der Zahl 289 als besonders hässlich beschrieben, 333 als besonders attraktiv und die Kreiszahl Pi als wunderschön.

Tammet beherrscht die Sprachen Englisch (Muttersprache), Französisch, Finnisch, Estnisch, Spanisch, Deutsch, Litauisch, Esperanto, Rumänisch, Walisisch und Isländisch. Zudem hat er auch eine Sprache namens Mänti entworfen, deren Grammatik dem Finnischen und Estnischen ähnelt. Der Name "Mänti" stammt vom finnischen mänty, was "Kiefer" bedeutet. Da Kiefern immer zusammen vorkommen, erinnern Tammet diese Bäume an eine Gemeinschaft.

Weitere Informationen und Videos unter:
http://www.science-meets-society.com/wissenschaft-gesellschaft/inselbegabung/