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Donnerstag, 7. Juni 2012
Wenn schon Gedanken krank machen - Hypochondrie
Kann hypochondrisches Verhalten krank machen? Kurz gesagt: JA!
Es gibt Menschen, die sind krank und wissen es nicht. Dann wiederum gibt es diejenigen, die „wissen", dass sie krank sind, ohne einen medizinischen Beweis dafür zu besitzen.
Das ist in einigen Fällen nicht weniger belastend. Jeder hat zur Beschreibung eines Bekannten schon einmal das Wort "Hypochonder" verwendet - oft fälschlicherweise. Doch was ist Hypochondrie wirklich? Warum wird man Hypochonder und stimmt es, dass man durch Hypochondrie richtig krank werden kann? Diese Fragen und warum die Angst vor Krankheiten eine psychische Störung sein kann klärt unser Bericht.
Hypochondrie: Was ist das genau?
Die Hypochondrie fällt unter die Kategorie der psychischen Störungen und Ängste. Hypochonder sind tief und fest überzeugt, dass sie an einer bestimmten Krankheit leiden (oder immer wieder an anderen). Dabei spielt es auch keine Rolle, ob sie bereits eine ärztliche Diagnose erhalten haben, die diese eingebildete Krankheit mit Sicherheit ausschließt. Auch wenn mehrere Ärzte oder Spezialisten keine medizinischen Anhaltspunkte für ein Leiden erkennen, weiß der Hypochonder weiterhin: „Ich bin krank." In den meisten Fällen kennen sich die „eingebildeten Kranken" so gut mit ihrer nicht vorhandenen Erkrankung aus, dass sie gezielt die Symptome und Ausprägungen nennen und diese auf sich projizieren. Zwischen der Hypochondrie und Angst- oder Zwangstörungen ist die Grenze oft fließend: So kann es auch vorkommen, dass sich ein Mensch auf ein spezifisches Krankheitsbild versteift und ernstzunehmende Ängste und sogar wahnhaftes Verhalten entwickelt:
Die Bezeichnung Hypochonder wird oft falsch verwendet
Gerade in der heutigen Zeit, in der medizinisches Wissen niemandem mehr vorenthalten bleibt, kann das Internet unzählige (auch Fehl-)Informationen liefern. Bei Hypochondern, die ihre „Krankheiten" besonders exzessiv im Internet nähren, spricht man deswegen auch von „Cyberhypochondrie" - ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Medizin und Psychologie immer wieder neuen äußeren Umständen, in diesem Falle dem Internet, anpassen müssen.
Die Menschen, die wir oft lapidar im Alltagsleben als „Hypochonder" bezeichnen, leiden allerdings im Großteil der Fälle nicht an der psychischen Störung, um die es hier geht. Erst eine sechs Monate anhaltende hypochondrische Krankheitsüberzeugung grenzt die eigentliche hypochondrische Störung von den anderen, weniger ausgeprägten hypochondrischen Beschwerden ab.
Ängstliches Deutschland, ängstliches Österreich
Glaubt man einer großen WHO-Studie (Gureje et al.), so zählt Deutschland international zu den Top-Ländern für hohe Krankheitsängste: In Deutschland soll nach Expertenmeinungen jeder siebzehnte Mensch als überzeugter Kranker ohne Krankheit zum Arzt gehen. Eine Studie der Universität Marburg zeigt jedoch, dass eine ausgeprägte Hypochondrie eigentlich viel seltener zu sein scheint: Unter 4.200 Deutschen im Alter von 18 bis 65 Jahren gab es nur drei Menschen, denen man eine schwere Hypochondrie zuschreiben würde und bei weniger als drei Prozent würden Psychologen von ausgeprägten, unbegründeten Befürchtungen um eine Krankheit sprechen. Ähnlich sieht die Situation in Österrreich aus.
Krankheitsauslösung durch Hypochondrie?
Wehleidige Menschen im Alltag, die durch ihre Krankheitsängste nicht selten Aufmerksamkeit generieren wollen, als Hypochonder zu bezeichnen, wird den tatsächlichen Hypochondern also nicht gerecht. "Echte" Hypochonder sind sich ihres unangemessenen und irrationalen Verhaltens zwar durchaus bewusst, können es jedoch nicht abschalten (es ist ein Zwangsverhalten). Dieser Zustand ist nicht nur für sie eine große Qual, sondern führt auch bei den Mitmenschen oft zu Unverständnis. Nicht selten führt dies in der Folge zur sozialen Isolation, Vereinsamung, Verlust der Lebensfreude und Schwierigkeiten im Job.
Außerdem ist es kein Geheimnis, dass Hypochonder durch die permanent bestehende Angst um ihre Gesundheit und das dauernde Gedankenkreisen wirklich körperlich krank werden können (negative Suggestion - und NOCEBO-Effekt). dazu kommt noch ein zweiter Grund: Die Angst steigert das körperliche Erregungsniveau, was wiederum zu einem Anstieg der scheinbaren Symptome führt. Dadurch wird dann wiederum beim Hypochonder der Verdacht auf ihre Krankheit verfestigt. Ein Teufelskreis, der am Ende wirklich krank macht.
Woher kommt die Hypochondrie, wer bekommt sie?
Die genauen Ursachen der Hypochondrie sind noch nicht genau geklärt und eine ausführliche Erklärung würde in die Tiefe der menschlichen Psyche überleiten. Sehr oft befällt die Hypochondrie extrem rechtshirnige Menschen. Fest steht jedoch, dass Hypochonder von Natur aus in ihrer Persönlichkeit als eher ängstlich und übervorsichtig beschrieben werden können. Besondere Lebensumstände in der Kindheit können die Ausprägung des Krankheitsbildes ebenfalls begünstigen: Nicht selten wachsen Hypochonder in einer Familie auf, in der Hypochondrie immer schon eine zentrale Rolle gespielt hat. Auch besondere Lebensereignisse wie der Tod eines geliebten Menschen können begünstigend sein. Daneben sind biologische Ursachen und sogar Hirnveränderungen im Gespräch.
Ein gezieltes Mentaltraining ist extrem wichtig
Die Hypochondrie ist meist eine chronische Erkrankung und bildet sich nur sehr selten von selbst zurück. Deswegen ist ein Desensibisisierungstraining / Mentaltraining unbedingt notwendig - sonst können irgendwann Arbeitsunfähigkeit und Isolation die Folge sein. Extreme Fälle von Hypochondrie gehen mit Depressionen oder Zwangsstörungen einher.
Zunächst sollte jedoch ein geeignetes Mentaltraining (mit Desensibilisierung) angestrebt werden: Hier geht es primär darum, eine Verbindung zwischen Stress, Angst und dem körperlichen Befinden herzustellen. Danach sind auch Entspannungsverfahren wie Biofeedbacktechniken* oder das autogene Training hilfreich.
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* Biofeedbacktraining erlaubt ein schnelles und gezieltes Vorgehen (vor allem beim Desensibilisieren), daher ist dieses wenn möglich zu bevorzugen.