Neue Forschungen zeigen: Umwelteinflüsse prägen unser Erbgut nachhaltiger als bisher angenommen. Erlebnisse, Gedankengänge, Emotionen, Nahrung oder Verhalten hinterlassen Spuren im Genom.
20 000 bis 25 000 Gene, drei Milliarden Bausteine, komplett ausgestreckt zirka zwei Meter lang – die menschliche Erbsubstanz DNA birgt essentielle Informationen wie den Bauplan unseres Körpers und seine Bedienungsanleitung.
Vereinfacht gesagt: Die Gene sind die grundlgende "Hardware" unserer Zellen. Das Epigenom ist die "Software" die einzelne Gene oder Genbereiche ein- und ausschalten kann. Die Gene enthalten die Baupläne, die Buchstaben, Texte wie in einem Buch abgespeichert. Doch wer bzw. was bestimmt, welche Seite dieses Buches aufgeschlagen und welche Kapitel gelesen werden? Forscher erkunden das Wechselspiel der komplexen Regulationsmechanismen in den molekularen Tiefen der Zelle immer genauer.
Epigenetik: Das molekulare Gedächtnis vergisst nichts
Heute erkennen Genforscher und Epigenetiker, dass Umwelteinflüsse viel prägender sein können als bislang angenommen. Gifte, schädliche Substanzen, Nahrungszusätze, Ernährungsumstellung oder Verhaltensänderungen schalten Gene dauerhaft an oder aus. Selbst traumatische Erlebnisse, Dauerängste, Dauerstress, Sorgen brennen sich in die epigenetische Blaupause von Gehirnzellen. Das molekulare Gedächtnis für Umwelteinflüsse und mentale Einflüsse kann so dauerhaft sein, dass es sich sogar über Generationen vererbt.
Die neue Wissenschaft der Epigenetik erklärt manches merkwürdige Phänomen, zum Beispiel weshalb sich eineiige Zwillinge im Laufe ihres Lebens immer weniger ähneln, weshalb geklonte Katzen – obwohl genetisch identisch – verschieden Aussehen oder wieso erbkranke Mäuse plötzlich gesunden Nachwuchs bekommen können. Das zunehmende Verständnis der epigenetischen Genregulation eröffnet der Medizin neue Möglichkeiten der Diagnose und Therapie. So gehen jedem Krebs-Tumor epigenetische Veränderungen voraus. Gelingt es, diese Veränderungen mit Untersuchungsmethoden Nachzuweisen, kann Krebs früher und präziser festgestellt werden. Per Epigenetik lässt sich außerdem feststellen, ob ein Geschwür auf ein bestimmtes Medikament ansprechen wird oder nicht.
Heute geht es vor allem darum, wie die epigenetische Schalter gezielt ein- bzw. auch ausgeschaltet werden können. Dieses Ein- bzw. Ausschalten entsteht auch, wenn der sog. Placeboeffekt wirksam in ein Krankheitsgeschehen eingreift. Die Erforschung des epigenetischen Potentials steht daher an vorderster Spitze einer neuen Medizinforschung die erst in den letzten Jahren so richtig aufgenommen wird.
Am 15. Februar 2001, wurde die Reihenfolge der genetischen Buchstaben im Erbgut des Menschen veröffentlicht: Das Genom, bestehend aus über drei Milliarden genetischer Buchstaben. Das Zeitalter der Genomik wurde begeistert begrüßt.
Je genauer die Forscher das Erbgut des Menschen untersuchten, umso mehr verblasste der Mythos vom Genom als herrschende Instanz über das Leben. Denn statt der erwarteten etwa 100.000 Gene, fand man nicht mehr als etwa 22.000, kaum mehr als bei einem Fadenwurm. Es musste also eine bestimmende Ebene jenseits der Gene geben. Das menschliche Erbgut ist nach heutigem Wissenstand nicht mehr das "Buch des Lebens", sondern nur noch eine Art Katalog des Lebens aus dem mittels epigenetischen Schaltvorgängen ausgewählt wird.
Heute tritt die Epigenetik ins Rampenlicht. Es ist nicht das Genom, das uns krank machen kann es sind die epigenetischen Schalter die mitunter nachteilig aktiviert oder deaktiviert sind. Erst dadurch werden "negative Gene" also Gene die mit verschiedenen Krankheiten in Beziehung stehen aktiviert. Und nicht alle Krankheitsbilder haben direkt mit vererbten Gene zu tun. Oft ist es vielmehr eine negative Kombination von aktivierten und deaktivierten Genen die dann eine Krankheit auslösen kann. Doch das gute daran ist: Diese Schaltungen können auch rückgängig gemacht werden. So lösen sich Krankheiten mitunter einfach auf.
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Ist Epigenetik Wissenschaft?
Natürlich, es gibt sogar einen Nobelpreis für Epigenetik
Siehe Link: http://epigenome.eu/de/1,38,0
Nobelpreis Pressemitteilung: http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/2006/press.html