Sonntag, 1. Juli 2012

Widerlegt: "Eine Kalorie ist nur eine Kalorie"

Eine neue sensationelle Studie belegt

Es stimmt also doch nicht: Seit Ewigkeiten wird Abnehmwilligen eingebläut, eine Kalorie sei eine Kalorie - unabhängig davon ob es sich nun um Kohlenhydrate, Proteine oder Fett handle. Diese Maxime wurde nun in einer sensationellen Studie widerlegt.

US-Mediziner haben diverse Diäten an übergewichtigen Probanden getestet - mit unterschiedlichem Erfolg: Wer auf den glykämischen Index achtet, hat den Forschern zufolge die besten Chancen, das Idealgewicht zu halten.

Physikalisch betrachtet muss eine Kalorie eine Kalorie sein (nämlich jene Wärmemenge, die man benötigt, um 1 Gramm Wasser um 1 Kelvin zu erwärmen). Aber in der medizinischen Praxis greift dieser Satz offenbar zu kurz, wie David Ludwig vom Obesity Prevention Center in Boston betont: "Unsere Studie widerlegt dieses Ernährungsdogma. Kalorien sind eben nicht alle gleich."

Der Grund: Wie der Grundumsatz des Körpers nach dem Abnehmen beschaffen ist, hat nicht nur damit zu tun, wie viel man isst - sondern eben auch damit, was man isst. Ist der Umsatz hoch, bleibt das Körpergewicht auch langfristig stabil. Ludwig hat im Rahmen einer Studie 21 übergewichtige Probanden beim Abnehmen begleitet.

Drei Diäten im Vergleich
Sie mussten zunächst zehn bis 15 Prozent ihres Körpergewichts abnehmen und dann nach einer Stabilisierungsphase vier Wochen lang jeweils eine von drei Diäten absolvieren:

  1. Eine streng fettarme Diät mit Konzentration auf Vollkornprodukte, Früchte und Gemüse; Kalorienschlüssel: 60 Prozent Kohlenhydrate, 20 Prozent Fett, 20 Prozent Protein.
  2. Eine Diät mit niedrigem glykämischen Index (GI); geringfügig verarbeitete Getreide sind im Rahmen dieser Diät erlaubt, ansonsten liegt der Schwerpunkt bei Gemüse, gesunden Fetten und Früchten; Kalorienschlüssel: 40 Prozent Kohlenhydrate, 40 Prozent Fett, 20 Prozent Protein.
  3. Eine der Atkins-Diät nachempfundene Ernährungsweise mit sehr wenigen Kohlenhydraten, Kalorienschlüssel: 10 Prozent Kohlenhydrate, 60 Prozent Fett, 30 Prozent Protein.

Wie Ludwig und seine Kollegen im  Fachzeitschrift JAMA schreiben, büßten vor allem die Probanden aus der Wenig-Fett-Gruppe an Ruhe-Energieumsatz ein, nämlich 205 Kilokalorien pro Tag. Sie haben der Studie zufolge das größte Risiko, später wieder an Gewicht zuzulegen. Die Teilnehmer aus der GI-Gruppe verbrauchten pro Tag 166 Kilokalorien weniger als vor der Diät, jene aus der Atkins-Gruppe verloren 138 Kilokalorien Ruheumsatz.

Glyk-Index-Diät doch am besten geeignet
Letztere waren in Sachen Grundumsatz zwar die "Sieger", wiesen allerdings bereits nach einem Monat schädliche Begleiterscheinungen auf: nämlich einen erhöhten Cortisol-Level im Blut, was zu Insulinresistenz und Gefäßkrankheiten führen kann. Die extreme Reduktion der Kohlenhydrate erhöhte außerdem den Anteil sogenannter C-reaktiver Proteine - auch sie werden mit Gefäßkrankheiten in Zusammenhang gebracht. Ludwig votiert daher für Diäten mit glykämischem Index. Bei der Glyx-Diät sollen überwiegend Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index verzehrt werden. Die Fett-, Eiweiß-, Kohlenhydrat- und Kalorienmenge der Nahrung ist hingegen nachrangig. Erstens, weil sie aus medizinischer Sicht die besten Resultate zu bringen scheinen. Und zweitens, weil sie auch am ehesten in dem ganz normalen Alltag passen. "Im Gegensatz zu Diäten mit extrem niedrigen Fett- und Kohlenhydrat-Anteilen eliminiert die GI-Diät keine kompletten Lebensmittelgruppen aus der Ernährung. Das macht die Sache einfacher - und letztlich auch nachhaltiger."
Quelle: Fachzeitschrift JAMA, David Ludwig, MD, PhD.

Die Studie: "Effects of Dietary Composition on Energy Expenditure During Weight-Loss Maintenance", JAMA, 27.6. (doi: 10.1001/jama.2012.6607); 
LINK: http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=1199154