Freitag, 23. Mai 2014

Energie für den Herzschrittmacher kommt kabellos

Für die Behandlung bestimmter Krankheiten könnten bald nicht mehr Medikamente, sondern elektronische Behelfe im Körper genutzt werden. Denn Forschern ist es gelungen, einen wenige Millimeter großen, batterielosen Chip zu entwerfen, der kabellos aufgeladen werden kann.

DER HSM-CHIP
Nicht größer als ein Reiskorn ist die Erfindung der US-amerikanischen Wissenschaftlerin Ada Poon von der Uni Stanford. Die Wirkung des kleinen Chips (siehe Bild rechts im Vergleich zu Medikamentenkapsel) könnte aber große Veränderungen in der Behandlung unterschiedlicher Krankheiten bringen, sagt die Ingenieurin.


Das Implantat wird "wireless" aufgeladen
Aber von vorne. Das Team rund um die Forscherin Ada Poon hat einen Weg gefunden, Strom kabellos in den Körper zu leiten um damit elektronische, medizinische Behelfe - wie etwa einen Herzschrittmacher - zu betreiben. Dafür wird eben dieser spezielle Chip, der nicht größer als ein Reiskorn ist, in den Körper implantiert. Um das Gerät aufzuladen, sind aber nicht länger Kabel und aufwendige Ladestationen notwendig - eine Stromquelle, so groß wie eine Kreditkarte wird einfach außerhalb des Körpers über den Chip gehalten. Diese lädt den Chip dann kabellos wieder auf. … >>>

 


Und wie funktioniert das System?
Die zentrale Herausforderung war es, neue Wege zu finden, elektromagnetischen Wellen im Körper zu kontrollieren. Bisher wurden zwei unterschiedliche Formen elektromagnetischer Wellen unterschieden: Nahfeld- und Fernfeldwellen. Fernfeldwellen, die etwa für die Radio-Übertragung genutzt werden, können weite Distanzen zurücklegen. Treffen diese Wellen auf einen menschlichen Körper, werden sie von der Haut als Hitze absorbiert. Bisher wurde diese Art von Welle als Quelle kabelloser Stromübertragung ignoriert. Nahfeldwellen hingegen werden bereits für medizinische Zwecke genutzt - etwa bei Hörgeräten kommen diese zum Einsatz. Ihr Nachteil wird aber bereits aus dem Namen ersichtlich: Sie können Energie nur über kurze Distanzen transportieren.

Ada Poon hat im Rahmen ihrer Untersuchungen diese beiden Wellenarten miteinander kombiniert. Dabei hat sie sich einen einfachen Umstand zum Vorteil gemacht: Die Wellen breiten sich unterschiedlich aus, wenn sie mit unterschiedlichen Materialien wie etwa Wasser, Luft oder anderen biologischen Stoffen in Verbindung kommen. Ein Beispiel: Legt man sein Ohr auf die Schienen, kann man die Vibration des herannahenden Zug schon lange hören, bevor man ihn tatsächlich hören kann - eben weil sich die Wellen durch das Metall schlichtweg schneller ausbreiten als durch die Luft.


Energiequelle "Mid-field wireless transfer"
Nach diesem Vorbild hat Poon eine Energiequelle geschaffen, die eine spezielle Form der Nahfeldwelle generiert. Wenn diese Welle von der Luft auf die Haut trifft, verändert sie ihre Charakteristik, sodass es ihr möglich ist, sich weiter auszubreiten. Poon nennt ihre Entdeckung nun "mid-field wireless transfer". "Mit dieser Methode können wir Energie sicher zu kleinen Implantaten in Organen wie dem Herz oder dem Hirn leiten. Dabei geht die Reichweite aber weit über jene, die aktuell in Nahfeldwellen-Systemen erreicht werden kann, hinaus", so ein Co-Autor der Studie. Dabei wird die gleiche Energie, die auch bei Handys zum Einsatz kommt, genutzt.

Derzeit würden elektronische, medizinische Hilfsmittel aufgrund ihrer umständlichen Funktionsweise, insbesondere beim Aufladen, zu selten zum Einsatz kommen, so die Forscher. Der neuartige Chip und das Ladesystem wurden bisher zwar nur an Tieren getestet - etwa bei einem Hasen wurde der Chip genutzt, um einen Herzschrittmacher zu betreiben. Mit Erfolg. Nun arbeitet das Forscherteam daran, das System auch in einem menschlichen Körper zu testen.

 

Viel wirksamer als Medikamente
"Wir müssen diese Geräte so klein wie möglich gestalten, sodass sie leicht in den Körper implantiert werden können. Das schafft neue Wege, Krankheiten zu behandeln und Schmerz zu lindern", so Ada Poon in einer Aussendung. In vielen Fällen könnte eine medikamentöse Behandlung durch eine elektronisch unterstütze Therapie ersetzt werden. So ist Poon davon überzeugt, dass ihre Entdeckung eine neue Generation von programmierbaren Mikroimplantaten hervorbringen wird. Etwa Sensoren, die die Vitalfunktionen im Körper überwachen, elektronische Stimulatoren, die nervliche Signale im Gehirn verändern können oder elektronische Systeme, die eine Abgabe von Medikamenten direkt in der betroffenen Region des Körpers regulieren.

Darin sieht auch William Newsome, Direktor des Neurowissenschaftlichen Instituts in Stanford, einen zentralen Vorteil dieser Entdeckung. Für manche Krankheiten könnte diese Behandlungsmethode weit besser funktionieren, als der Einsatz herkömmlicher Medikamente. Denn diese wirken nicht nur in der spezifischen, betroffenen Region, sondern im ganzen Körper. Elektronische Behelfe könnten hingegen gezielt in der betroffenen Region des Gehirns eingesetzt werden, um deren Aktivität direkt zu beeinflussen, so Newsome. So erfolgversprechend die neue Technologie klingt - es ist dennoch davon auszugehen, dass es noch Jahre dauern wird, bis sie tatsächlich in medizinischen Behelfen für Menschen zum Einsatz kommt. Denn die Wirkung, aber vor allem die Sicherheit, müssen noch genauer erforscht werden.

Quelle:  Wireless power transfer to deep-tissue microimplants von Ada Poon und Kollegen erschien am 19. Mai in den Proceedings of the National Academy of Sciences.