Mittwoch, 7. März 2018

Grippe kann auch Langzeitschäden im Gehirn verursachen

Forscher entdeckten in einem Tier-Experiment, dass das Gehirn noch Monate nach einer Grippe-Infektion mit Langzeitfolgen zu kämpfen hat.
Wer schon einmal eine Grippe hatte, weiß, wie sehr das Denken während des akuten Erkrankungsstadiums schwer fällt. Doch das Gehirn könnte auch lange nach einer Infektion noch beeinträchtigt sein. Darauf deutet eine Studie mit Mäusen der Technischen Universität (TU) Braunschweig hin, die nun im Fachmagazin Journal of Neuroscience veröffentlicht wurde.

"Es ist bekannt, dass das Gehirn auf Infekte reagiert, aber bisher hat noch niemand untersucht, was danach passiert", sagt Martin Korte von der TU Braunschweig. Dabei wisse man schon seit vielen Jahren, dass sich gerade ältere Menschen oft nur schwer von einer Grippe erholten und noch längere Zeit danach desorientiert sein können. Virusinfektionen stehen zudem im Verdacht, verschiedene neurologische Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit und Depressionen auslösen oder fördern zu können. ... 

Tierversuch: Deshalb haben die TU-Forscherinnen Kristin Michaelsen-Preusse und Shirin Hosseini das Lern- und Erinnerungsvermögen sowie die Gehirnstrukturen von Mäusen untersucht, die zuvor mit verschiedenen Influenza-A-Virentypen infiziert worden waren: Konkret handelte es sich um den H1N1-Erreger, ähnlich dem Verursacher der Spanischen Grippe vor 100 Jahren, den H3N2-Virus, Auslöser der Hongkonggrippe 1968 und der Subtyp H7N7, der zurzeit vor allem Vögel gefährdet, aber als möglicher Ausgangserreger für eine Pandemie gilt.

Langjähriger Erholungsprozess
Die 180 Testmäuse zeigten noch 30 Tage nach Infektionen mit H7N7- und H3N2-Viren Einschränkungen bei Lern- und Gedächtnisaufgaben, sowie strukturelle Veränderungen an Nervenzellen im Gehirn, zum Beispiel eine kleinere Synapsenzahl. Erst nach 120 Tagen waren keine Veränderungen mehr messbar. "Auf die Lebenserwartung eines Menschen hochgerechnet, würde der Erholungsprozess einige Jahre dauern", sagt Michaelsen-Preusse (Anm.: wenn so eine Hochrechnung Maus-Mensch wirklich Sinn macht).

Besonders erstaunt waren die Forscher darüber, dass auch der Stamm H3N2 Nachwirkungen hatte, obwohl er gar nicht im Gehirn aktiv ist. Der H1N1 Virus dagegen, ebenfalls nicht gehirngängig, hatte keine Langzeitfolgen. Zudem untersuchten die Forscherinnen die Gehirne getöteter Tiere, 30, 60 und 120 Tage nach der Infektion. Dabei hatten sie vor allem den Hippocampus im Visier, also die Hirnregion, die für Lernprozesse und Erinnerungen zuständig ist. Sie stellten fest, wie und wo die Nervenzellen auf elektrische Impulse reagierten und ermittelten auf Mikroskopbildern die Zahl der Synapsen sowie die Dichte der Mikrogliazellen, die Immunzellen des Gehirns. "Mikrogliazellen sind so etwas wie der Hausmeister im Gehirn. Sie scannen ständig ihre Umgebung und sorgen für Ordnung, entfernen zum Beispiel die Reste abgestorbener Zellen", erklärt Michaelsen-Preusse. Im Fall von Infektionen können sie zu Soldaten werden, die den Feind bekämpfen, dabei aber in einer Art Überreaktion auch Nervenzellen schädigen.

Sind Botenstoffe am Überschießen der Mikrogliazellen schuld?
Die Forscher vermuten deshalb, dass bestimmte Immunreaktionen, auch wenn sie gar nicht im Gehirn stattfinden, über Botenstoffe bis ins Gehirn schwappen und dort eine überschießende Aktivität der Mikrogliazellen auslösen können. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass es sinnvoll sein könnte, die Aktivität der Mikrogliazellen pharmakologisch zu unterdrücken", sagt Michaelsen-Preusse. Das müssten allerdings weitere Experimente erst zeigen. Auch ob eine Grippeimpfung die Folgen der Immunattacke im Gehirn verhindern kann, will das Team noch prüfen. Zudem sollen die Untersuchungen mit älteren Mäusen wiederholt werden.
Quellen: Fachmagazin Journal of Neuroscience, u.a.
Bildquelle: pixabay
Link: https://www.sciencenews.org/article/flu-virus-brain-memory-mice