Montag, 12. Februar 2024

Liebe zeigt sich im Gehirn


Verliebtheit entsteht in der rechten Hirnhälfte
Einen Blick auf die romantische Liebe haben US-Neurowissenschaftler geworfen: Kurz - sie "sitzt" in der rechten Gehirnhälfte und ist weniger ein bestimmtes Gefühl als ein zielorientierter Zustand. Wer verliebt ist, zeigt typische Gehirnprozesse - und (wichtig) diese sind nicht mit sexueller Erregung zu verwechseln. So lautet der Schluss eines multidisziplinären Teams um die Neurologin Lucy Brown vom Albert Einstein College of Medicine in New York. Ihre Studie haben sie online im "Journal of Neurophysiology" veröffentlicht.

Gehirnscans bei gleichzeitiger Vorlage von Bildern des/der Geliebten
Die Versuchsanordnung war sehr einfach, zehn Frauen und sieben Männern, die nach eigenen Angaben frisch verliebt waren - und das Objekt ihrer Leidenschaft innerhalb der vergangenen 17 Monate kennen gelernt hatten -, wurde eine Reihe von Fotos vorgelegt. Und zwar abwechselnd immer eines mit ihren Geliebten und eines mit einer anderen vertrauten Person, dazwischen wurde ihre Aufmerksamkeit durch kleine Aufgaben zerstreut. Währenddessen verfolgten die Forscher die Gehirnprozesse der Probanden mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT). Dieses bildgebende Verfahren der Neurologie liefert seit längerem die besten Aufschlüsse über Vorgänge im Gehirn. 

Haupterkenntnis der Gehirnscans
Die romantische Liebe wird im Gehirn nicht von einem funktionell spezialisierten System repräsentiert. Vielmehr setzt sie sich aus zahlreichen neuronalen Systemen zusammen, die in weiten Teilen der Gehirnregion der Basalganglien zusammentreffen. Zwar spiegelten sich im Gehirn aller Probanden starke emotionale Prozesse - es zeigte sich dabei aber kein einheitliches Muster. Sehr wohl aber gab es übereinstimmende Aktivierungen der Belohnungs- und Motivationszentren des Gehirns, konkret im ventralen Mittelhirn und im Caudatum, einem Teil der Basalganglien. Besonders erstaunt zeigten sich die Forscher über die strikte Lateralisierung (rechte Hirnhälfte) der Gehirnprozesse: Verliebtheit spielt sich offenbar vor allem in der rechten Hirnhälfte ab.

Wie entsteht die romantische Liebe? 
Wie Lucy Brown festhält, integriert das Caudatum vermutlich große Mengen an Information - von Kindheitserinnerungen bis zum persönlichen Verständnis von Schönheit. Als Motivationszentrum veranlasst es das Individuum dann, bestimmte Ziele zu verfolgen: In der Kombination von Erinnerungen und Motivation und angesichts bestimmter Liebesobjekte und Umstände entsteht dann so etwas wie "romantische Liebe". Ein Vorgang, der etwa bei Autisten gestört ist - ihre Schwierigkeiten mit emotionalen Bindungen zu anderen Personen könnten mit einer atypischen Entwicklung jener Gehirnregionen zu tun haben.

Ein stark zielorientierter Zustand
"Romantische Liebe kann am besten als motivations- und zielorientierter Zustand beschrieben werden, der zu verschiedenen Gefühlen führt, wie z.B. Euphorie oder Angst", fasst der Psychologe Arthur Aron diesen Teil der Studie zusammen. Damit sei auch viel von der Vehemenz zu erklären, mit der frisch Verliebte ihr Ziel verfolgen. Eine Vehemenz, die oft genug zur Obsession wird und auch zu Phänomenen wie dem Stalking führt, dem Nachstellen geliebter Personen ohne deren Einverständnis.



Die dauerhafte Liebe
Mit der Aufklärung des Verliebtseins gaben sich die Forscher nicht zufrieden. Sie untersuchten auch die Zeit, wenn die erste Schwärmerei vorbei ist - und konnten die Änderungen der Gefühle auch bei den Gehirnprozessen nachweisen. Wie die Anthropologin und Studien-Mitautorin Helen Fisher betont, zeigten die MRT-Aufnahmen bei längerwährender Liebe stärkere Aktivitäten im ventralen Pallidum, dem Kern der Basalganglien. Frühere Studien bei Tieren (Wühlmäusen) hätten ergeben, dass diese Region wichtig für die Aufrechterhaltung von Beziehungen ist - für Fisher ein Beweis, wie sich artenübergreifend aus der ersten romantischen Liebe dauerhaften Verbindungen ergeben.

Gibt es auch einen "höheren" Sinn für die Liebe?
Hinter all dem verbirgt sich die Annahme der Evolutionstheorie, dass sich Individuen nicht nur gegenseitig anziehen und vermehren, sondern danach auch optimale Bedingungen zur Aufzucht des Nachwuchses bieten.
Wie da die Verliebtheit oder die "Liebe auf den ersten Blick" hineinpasst? Sie sind in diesem Sinne ein Programm, das Säugetiere entwickelt haben, um den Paarungsprozess zu beschleunigen - die in den Gehirnprozessen entdeckten Vorgänge Strategien, um den bevorzugten Partner mit Nachdruck zu verfolgen

Sex ist nicht gleich Liebe
Mit ihrer Studie, so Aron, sei auch die alte Frage geklärt worden, ob Sex und Liebe das gleiche seien: Sie sind es nicht. Laut den Gehirnscans überlappen sich die Aktivierungen bei sexueller Erregung und romantischer Liebe nur zu einem geringen Teil.




Quelle: Studie "Reward, motivation and emotion systems associated with early-stage intense romantic love" wird auch in der Printausgabe des "Journal of Neurophysiology" publiziert.

Bildquelle: pixabay