Zum Beispiel: über glühende Kohlen zum Gleichklang der Herzen
Bei Ritualen kann der Puls von Teilnehmern und Zuschauern gekoppelt sein
Spannung liegt in der Luft des kleinen spanischen Ortes San Pedro Manrique: Um Mitternacht werden die ersten der 28 mutigen Läufer barfuß einen sieben Meter langen Teppich aus glühenden Kohlen überschreiten, ein jährliches Ritual, das neben Freunden, Verwandten und Bekannten der Läufer immer auch Zuschauer aus anderen Dörfern und Gegenden anlockt. Doch diese Fremden, das hat jetzt ein internationales Forscherteam gezeigt, können zwar die Aufregung und die Spannung vor dem Feuerlauf spüren, sie sind jedoch nicht wirklich Teil des Rituals – ganz im Gegensatz zu den Freunden und Verwandten der Läufer: Deren Herzschlag synchronisiert sich nämlich mit dem des Läufers und verändert sich während des Events im gleichen Muster; der Puls fremder Zuschauer zeigt hingegen keine derartige Kopplung.
Messbares Magnetfeld des Herzens (lila - Gitter)
Gemeinsame Rituale gelten als eine Art Kitt einer Gruppe: Sie fördern das Gemeinschaftsgefühl, erleichtern die Aufnahme eines neuen Mitglieds, stärken die Bindung des einzelnen an die Gruppe und sind damit gut für den sozialen Zusammenhalt. Das gilt dabei meist nicht nur für die eigentlichen Ritualteilnehmer, sondern auch für die Zuschauer, hatten bereits frühere Studien gezeigt. Allerdings ging es da meistens um Rituale, die in irgendeiner Weise synchronisierte Bewegungen wie Tanzen, Klatschen oder ähnliches umfassten. Es sei daher bisher unklar, ob die Gruppenharmonie auf das gemeinsame Verhalten oder auf eine emotionale Bindung zwischen den Mitgliedern zurückgeht – und ob diese Bindung auch entsteht, wenn das gemeinsame Klatschen fehlt, erläutert das Team um Ivana Konvalinka von der Universität im dänischen Aarhus.
Um das zu testen, wählten die Forscher ein Beispiel ohne derartige synchrone Aktionen, das sozusagen in freier Wildbahn untersucht werden konnte: den jährlichen Feuerlauf zur Sommersonnenwende in dem kleinen spanischen Dorf San Pedro Manrique, der in einem speziell dafür errichteten Amphitheater stattfindet und meist von über 3.000 Zuschauern bestaunt wird. Am Abend des 23. Juni werden dabei etwa vier Tonnen Eichenholz verbrannt, so dass kurz vor Mitternacht ein Teppich aus rotglühenden Kohlen entsteht. Die Feuerläufer selbst ziehen schon vor dem Lauf in einer großen Prozession, begleitet von Musik, durch den Ort und in das Theater, wo sie dann mehrere Minuten im Kreis um die Kohlen tanzen, bevor das eigentliche Ritual beginnt. Die Läufer warten hintereinander vor dem glühenden Teppich, bis ihnen eine einzelne Trompete das Startsignal gibt. Vier bis fünf Sekunden brauchen die meisten, bis sie die knapp 680 Grad heiße Kohleschicht überquert haben, manche tragen dabei sogar noch einen Freund oder ihre Ehefrau auf dem Arm. Am Ziel angekommen, werden die mutigen Läufer dann von ihren Verwandten und ihren Freunden jubelnd in Empfang genommen.
Wenn es eine emotionale Bindung zwischen Zuschauer und Läufer gibt, müsste diese sich in einem messbaren körperlichen Effekt zeigen, mutmaßten Konvalinka und ihre Kollegen. Sie statteten daher vor Beginn des Spektakels 12 Läufer sowie 9 mit ihnen befreundete oder verwandte Zuschauer mit Gurten aus, die den Herzschlag aufzeichneten. Zur Kontrolle bekamen zusätzlich noch 17 fremde Zuschauer solche Gurte, die keinen der Läufer persönlich kannten. Die Wissenschaftler werteten anschließend die Messdaten einer halben Stunde aus, die den eigentlichen Lauf umfasste, und analysierten sie mit einem aufwendigen mathematischen Verfahren.
Ein Teil des Ergebnisses sei bereits mit bloßem Auge sichtbar gewesen, berichten sie: Sowohl bei den Läufern als auch bei ihren Angehörigen stieg der Puls kurz vor und während des Laufs stark an, ein Effekt, der bei den Fremden ausblieb. Die mathematische Analyse zeigte zudem, dass die Synchronisierung zwischen Zuschauer und Läufer noch tiefer ging: Selbst geringe Schwankungen in der Herzfrequenz waren gekoppelt – jedenfalls dann, wenn der Zuschauer ein enger Vertrauter des Läufers war.
Es handelte sich also nicht um das typische Herzklopfen, das zum Beispiel bei vielen Fußballfans während eines spannenden Spielzugs gleichzeitig auftritt, interpretieren die Forscher ihre Ergebnisse. Die Übereinstimmung scheint eher eine Folge von empathischer, emotionaler Kopplung zwischen den Gruppenmitgliedern zu sein – seien es nun Teilnehmer oder Zuschauer. Diese synchronisierte Erregung, wie die Wissenschaftler es nennen, wirkt dabei allein durch die Nähe während des Rituals ansteckend, allerdings nicht auf alle Anwesenden gleich stark: Nur die, die mit der Bedeutung des Rituals und den anderen Mitgliedern vertraut sind, die also stark in die Gruppe integriert sind, werden von der Erregung erfasst. Die Forscher glauben, mit der synchronisierten Dynamik des Pulsschlags zumindest einen der Schlüsselmechanismen gefunden zu haben, die für die starke Harmonisierung einer Gruppe während eines gemeinsamen Rituals verantwortlich sind.
Quelle: Ivana Konvalinka (Aahus Universitet) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1073/pnas.1016955108 LINK: http://www.pnas.org/content/108/20/8514