Bei Stotterern steuert das motorische Zentrum der rechten Gehirnhälfte den Redefluss. Normalerweise ist das motorische Zentrum in der linken Hirnhälfte dafür zuständig.
Deutsche Wissenschaftler stellten fest, dass sich das für den Redefluss zuständige Zentrum bei Stotterern anstatt in der linken in der rechten Gehirnhälfte befindet.
Es gibt einen Zusammenhang zwischen Hören und flüssigem beziehungsweise abgehacktem Sprechen gibt. Bisherige Studien hatten bei Stotterern bereits einen erhöhten Blutfluss im rechten Teil des motorischen Zentrums im Gehirn nachgewiesen. Das Sprachzentrum, das den Redefluss steuert, befindet sich aber normalerweise in der linken Gehirnhälfte. ...
Ein Forscherteam um Nicole Neef von der Universität Göttingen konnte nun anhand eines Rhythmus-Experiments belegen, dass diese Funktion bei Menschen, die stottern, tatsächlich in der anderen Gehirnhälfte angesiedelt ist. Dazu ließen sie Probanden im Rhythmus eines Metronoms mit dem Finger den Takt auf einem Tisch mitklopfen. Mit der sogenannten transkraniellen Magnetstimulation (TMS), bei der von außen ein Magnetfeld an den Schädel angelegt wird, störten die Wissenschaftler dann Teile des Motorcortex, ein Schlüsselareal des Bewegungszentrums, das sich im mittleren Teil der Hirnrinde befindet. Es steuert unter anderem einzelne Bewegungen und setzt aus ihnen ganze Bewegungsabfolgen zusammen.
Das Ergebnis des Versuchs: Legten die Forscher bei den nicht stotternden Probanden den rechten Teil des Motorcortex lahm, hielten die Probanden den Rhythmus. Wurde dagegen der linke Teil entsprechend stimuliert, kamen sie aus dem Konzept. Stotterer dagegen zeigten die exakt gegenteilige Reaktion: Bei einer Störung der linken Gehirnhälfte konnten sie den Rhythmus des Metronoms halten, bei der Störung der rechten Hälfte verloren sie ihn.
Das Zentrum, das den Redefluss steuert, scheint bei Stotterern also sozusagen die „Seite gewechselt zu haben“, so das Forscherteam. Ob sich bei stotternden Menschen von Kindesbeinen an diese Funktion in der anderen Gehirnhälfte abspielt oder ob sie sich aufgrund des Stotterns dorthin verlagert, ist allerdings noch nicht bekannt.
Quelle: Nicole Neef (Universität Göttingen) et al.: Elsevier, Bd. 47, S.945, doi: 10.1016/j.cortex.2010.06.007; LINK: http://www.cortexjournal.net/article/S0010-9452(10)00179-6/abstract