Bild: Das 2011 entdeckte und 2012 erstmals präsentierte Papyrusfragment mit der Bezeichnung "Evangelium der Ehefrau Jesu". / Copyright: Karen L. King
Wie die Professorin der Harvard Divinity School bereits 2012 auf dem 10. Internationalen Kongress für Koptische Studien im Vatikan berichtete, können die in koptischer Schrift verfassten Wörter wie folgt übersetzt werden: "Jesus sagte zu ihnen, meine Gemahlin..."
Zwar stelle das Papyrus selbst keinen eindeutigen Beweis für die Behauptung, dass Jesus verheiratet war dar, doch "zeige es, dass diese Frage überhaupt nur als Teil von lautstarken Debatten über Sexualität und Heirat aufkam", so die Kirchenhistorikerin. "Von Anfang an waren die Christen uneins darüber, ob es besser sei, verheiratet zu sein oder nicht. Erst ein Jahrhundert nach Jesus' Tod begannen sie sich die Frage nach dem Familienstand Jesu zu stellen, um damit ihre jeweiligen Positionen zu stärken."
Das Schriftstück selbst werten die Wissenschaftler um King als Teil eines Evangeliums, dem sie zunächst zu Referenzzwecken die Bezeichnung "Evangelium der Ehefrau Jesu" gegeben haben. "Möglicherweise war das Original in griechischer Sprache verfasst und wurde erst später in Koptische übertragen, um hier (in Ägypten) von koptischen Gemeinden genutzt zu werden", vermuteten die Forscher 2012.
Untersuchung des Papyrus - er ist echt
In den vergangenen Jahren wurde der Papyrus umfangreichen Untersuchungen und einer C-14-Altersbestimmung unterzogen, da der Text mit kohlenstoffhaltiger Tinte geschrieben wurde. Die Ergebnisse dieser Analysen datieren das Schriftstück nun tatsächlich in die Jahre 659 - 859.
Keine Ergebnisse der Untersuchungen, die sowohl an den Universitäten Cambridge, Columbia und am Massachusetts Institute of Technology (MIT) durchgeführt wurden, würden zudem für eine moderne Fälschung sprechen. Es gibt demnach keine Hinweise, dass der umstrittene Text erst sehr viel später auf die Rückseite eines tatsächlich antiken Textpapyrus geschrieben oder gar eine vermeintlich ursprüngliche Beschreibung "die Frau" in "Ehefrau" umgeschrieben wurde.
King und Kollegen kommen abschließend zu dem Schluss, dass es sich bei dem Schriftstück tatsächlich um einen antiken bzw. historischen, frühchristlichen Text und nicht um eine modernen Fälschung handelt.
Die Forscher vermuten, dass der Text wohl auf eine Fassung aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts zurückgeht, da es deutliche Verbindungen zu anderen, erst kürzlich gefundenen Evangelien aus dieser Zeit aufweise - speziell zum Thomas-Evangelium, dem Evangelium der Maria und dem Philip-Evangelium.
Ähnlich wie diese Evangelien, so könne wohl auch das "Evangelium der Ehefrau Jesu" auf einen der nächsten Jünger Jesu zurückgehen. "Bislang sagt uns das verbliebene Stück aber zu wenig, um auf den ursprünglichen Autor oder jene, die daraus gelesen und es verbreitet haben, Rückschlüsse ziehen zu können", so schon King 2012.
Wie die Forscherin weiterhin erläutert, waren die Inhalte der Dialoge zwischen Jesus und seinen Jüngern für die frühen Christen von großer Bedeutung - wurde von ihnen doch erwartet, dass sie ihre gebürtigen Familien noch hinter die Zugehörigkeit zu Jesus zu stellen. Die frühen Christen bezeichneten sich denn auch als eine Familie, Gott als den Vater, Jesus als dessen Sohn und sich selbst als Brüder und Schwestern.
Im erhaltenen Text des kleinen Papyrusfragments spricht Jesus gleich zwei Mal von seiner Mutter und einmal von seiner "Ehefrau", die er ebenfalls als "Maria" identifiziert. Als die Jünger dann darüber diskutieren, ob diese Maria dies Wert sei, erwidert Jesus: "Sie kann meine Jüngerin sein". Auch wenn dies nicht ganz eindeutig aus dem Fragment hervorgeht, so unterstreichen die Forscher doch ihre Überzeugung, dass dieser Text derart verstanden werden könne, dass Jesus verheiratet war.
Aus diesem Grund könnte denn auch gerade dieses "Evangelium der Ehefrau Jesu" "eine positive theologische Botschaft über die Ehe und die Sexualität in sich tragen", so King und vergleicht es mit dem Philip-Evangelium, in dem die wahre Hochzeit als Sinnbild für das Göttliche und die Kreativität beschrieben werde.
Schon von Beginn an diskutierten Christen immer wieder über den Sinn der Ehe oder ob ein Leben im Zölibat nicht erstrebenswerte wäre. Laut King wurde die Frage nach Jesus' eigenem Familienstand jedoch wahrscheinlich nicht vor dem Jahre 200 diskutiert - stammt aus dieser Zeit doch die bislang früheste bekannte Behauptung, dass Jesus nicht verheiratet war. "Damals antwortete der griechische Theologe und Kirchenschriftsteller Clemens von Alexandria Christen, Menschen, die behauptet hatten, dass die Ehe die vom Teufel selbst in die Welt gesetzte Unzucht sei, dass die Menschen dem Beispiel Jesu folgen und nicht heiraten sollten. (...) Weitere Jahrzehnte später erklärte auch der christliche Schriftsteller Tertullian, dass Jesus ganz sicher nicht verheiratet gewesen sei und das alle Christen ihm nacheifern sollten. Zugleich verurteilte Tertullian jedoch sexuelle Beziehungen nicht grundsätzlich und erlaubte die Einmal- und Witwen-Ehe, prangerte aber die Scheidung an. Noch fast ein Jahrhundert zuvor, warnte Timotheos in einem Brief jene Menschen, die die Ehe verbieten wollten davor, "Doktrinen des Teufels" zu folgen - ohne jedoch damit direkt zu behaupten, dass Jesus selbst auch verheiratet gewesen sei."
Am Ende beherrschte dann die Behauptung und damit einhergehende Vorstellung vom Zölibat als höchster Form christlicher Keuschheit die Debatte, während die Ehe nur noch zum Zwecke der Fortpflanzung dargestellt wurde. Noch heute, so die Forscherinnen, zeigten die Debatten um das Priesterzölibat, die Rolle der Frauen in der Kirche und die Ehe im Allgemeinen, dass derartige Fragen noch weit von einer Lösung entfernt sind.
Der Vatikan möchte das Papyrus-Fragment verbannen!
Sicher ist allerdings, dass Kings Papyrus-Fragment theologischen Sprengstoff bietet, vor allem, wenn es vor den großen Kodifizierungen der christlichen Lehre entstand. Dann würde es den Beweis liefern, dass im frühen Christentum die Frage, ob Frauen Nachfolgerinnen Jesu sein können, diskutiert und anders beantwortet wurde, als dies die katholische Kirche bis heute tut. Nicht umsonst waren aus dem Vatikan Stimmen laut geworden, die das "Evangelium von Jesu Frau" in die Welt der Fälschungen verbannen wollten. Früher wäre so etwas auch möglich gewesen, und viele Schriftstücke sind auch für immer so verloren gegangen. Damit der Glaube schön "rein" bleibt...
Anm.: Könnte ein harter Schlag für den Vatikan und die Kirche sein, doch die werden sich das schon richten, wie immer. Einfach wieder dumm gelaufen mit dem Schriftstück. Doch hier geht es für die Kirche nicht um Wahrheit, sondern um die von ihr verbreiteten Richtlinien und Glaubensgrundsätze. Frauen in der RK-Kirche nein nur nicht!