Gespräche unter „guten Freunden“ - es geht um Geld, viel Geld nicht um das Wohl der Bevölkerung!
Noch ist der Widerstand gegen das geplante europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen (TTIP) nicht verklungen, schon sind Verhandlungen über ein weiteres umstrittenes Abkommen bekannt geworden. Seit 2012 wird über einen internationalen Vertrag zum Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, TISA) hinter verschlossenen Türen verhandelt.
Unter Federführung der USA und der EU begannen insgesamt 50 Länder den neuerlichen Verhandlungsprozess. Unter diesen „wirklich guten Freunden von Dienstleistungen“, wie sie sich selbst nennen, sind 23 WTO-Mitglieder darunter Australien, Chile, Kanada, die Schweiz, Japan und die EU. Diese repräsentieren mehr als zwei Drittel des globalen Handels mit Dienstleistungen.
Offenbar ist den USA dieses Abkommen auch von der Reihenfolge her wichtiger als das TTIP, wie aus einem Schreiben der EU-Kommission hervorgeht. Die aktuelle Verhandlungsrunde startete vergangenen Montag in Genf. Kritiker schlagen Alarm, befürchten sie doch, dass TISA über das umstrittene bisherige GATS-Abkommen noch weit hinausgeht.
Wasser, Gesundheit und Bildung im Fokus
Im Fokus stehen bei TISA die weitere Deregulierung und Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen wie etwa die Gesundheits-, Wasser- und Energieversorgung, Bildung und - trotz der nicht lange zurückliegenden Finanzkrise - der Finanzsektor. Es wird aber ausdrücklich im Vertragsentwurf festgehalten, dass die Bereiche jederzeit ausgeweitet werden können.
Mit dem von Globalisierungskritikern bekämpften GATS-Abkommen versuchen die WTO-Staaten seit Jahren den Dienstleistungsverkehr auszuweiten. Die Verhandlungen sind aber festgefahren. Beim GATS gibt es zumindest Ausnahmeregelungen und Schutzklauseln für Bereiche, die von besonders hohem öffentlichen Interesse sind. Diese Regelungen sollen bei TISA entfallen.
Nationale Spielräume reduziert
Die konkreten Inhalte von TISA sind weitgehend unbekannt, doch zeigen die Beispiele von zwei Klauseln, dass dieses Abkommen noch drastischere Einschränkungen mit sich brächte als der GATS-Vertrag. Die Stillhaltevereinbarung etwa schreibt den erreichten Status der Liberalisierung in allen Sektoren fest. Ein Zurückfallen hinter dieses Niveau ist nicht mehr möglich. Der Ratchet-Mechanismus wiederum „würde jeden weiteren Liberalisierungsschritt zu einer vollendeten Tatsache machen, die auch in Zukunft nicht mehr rückgängig gemacht werden kann“, warnt ein Bericht der internationalen Gewerkschaftsdachorganisation Public Services International (PSI).
Dadurch würde es nahezu unmöglich, bereits getätigte Privatisierungen - wenn sie etwa zu teuer sind oder nicht funktionieren - wieder rückgängig zu machen. Der zuletzt eingesetzte Trend zur Rekommunalisierung etwa die Rücknahme der Privatisierung der Wasserversorgung einer Gemeinde wäre damit genauso gestoppt wie die Renationalisierung der in den 80er Jahren privatisierten Eisenbahn in Großbritannien.
Die Spielräume nationaler Regierungen würden drastisch reduziert. Auch innerstaatliche Regelungen etwa zum Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz könnten dadurch ausgehebelt werden, warnt PSI. Zudem würden nach dem derzeitigen Vertragsentwurf die Regulierungsmöglichkeiten des Staates wie etwa die Lizenzierung von Gesundheitseinrichtungen oder die Zulassung von Schulen und Unis eingeschränkt. Denn verbindliche Regelungen im TISA-Abkommen würden den Konzernen die Möglichkeiten geben, gegen neue oder kostspielige Vorschriften vorzugehen.
„Partner noch ambitionierter“
Die Befürworter argumentieren mit einer Ausweitung der Handelsbeziehungen und neuem Wirtschaftswachstum. Die Wirtschaftskammer (WKO) hofft, mit TISA „den Stillstand in den Doha-Verhandlungen überwinden zu können“. Dabei geben sich die „Partner noch ambitionierter“ als beim GATS, so die WKO auf ihrer Website. Die Doha-Runde zählt zur jüngsten Welthandelsrunde, die den globalen Handel liberalisieren will. Diese Ziele konnten bisher aber nicht verwirklicht werden.
An der Erarbeitung der Forderungen und Positionen waren weder nationale Parlamente noch das Europäische Parlament beteiligt. Die EU-Kommission ist hingegen ein starker Verfechter des Abkommens. „Die Perspektive eines Dienstleistungsabkommens auf breiter Basis ist eine exzellente Nachricht - für Jobs und für Wirtschaftswachstum“, verkündete Handelskommissar Karel de Gucht.
Außerhalb von WTO-Rahmen
Offiziell hofft die EU, das Abkommen in das WTO-System zu integrieren. Die TISA-Verhandlungen laufen allerdings außerhalb des offiziellen WTO-Rahmens und geheim ab. Auch die Verhandlungstexte werden nicht öffentlich gemacht. Eine Bedingung der USA war sogar, dass von ihr gestellte Forderungen „für fünf Jahre nach Inkrafttreten eines TISA-Abkommens oder nach ergebnislosem Ende der Verhandlungen geheim gehalten werden müssen“, so ein Bericht der PSI. Die Gewerkschaftsorganisation warnt vor dem Risiko einer weiteren Kommerzialisierung des öffentlichen Sektors und kündigte Protestaktionen gegen das Abkommen an.
China nicht dabei
Die EU möchte auch wichtige Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien dazuholen. Offenbar gab es bereits eine Anfrage von China, sich an den Gesprächen beteiligen zu können. Doch bisher verweigerte Peking die von den USA gestellten Bedingungen. Demnach müsste sich China zu „sehr ambitionierten Zielsetzungen“ verpflichten.
Sollte China tatsächlich Verhandlungspartner werden, ist davon auszugehen, dass es zu Interessengegensätzen zu den USA und der EU käme - insbesondere in Bereichen, wo China besonders wettbewerbsfähig ist. Und auch die EU stellte deutlich fest, es sei nicht wünschenswert, dass Länder die Vorteile eines potenziellen zukünftigen Abkommens in Anspruch nehmen können, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen.
EU-LINK: http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=870
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