Bildung und Verhalten haben einen größeren Einfluss auf die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit (Myopie) als genetische Faktoren. Zu diesem Ergebnis sind deutsche Forscher im Rahmen einer Studie gekommen. Demnach wird ein Mensch mit jedem absolvierten Schuljahr kurzsichtiger. Je höher der Schulabschluss, desto stärker ist die Fehlsichtigkeit, so die Wissenschaftler.
Kurzsichtig ist man, wenn der Augapfel im Verhältnis zur Brechkraft von Hornhaut und Linse zu lang ist. Als Folge werden weit entfernte Objekte unscharf auf der Netzhaut abgebildet. Weil der Augapfel bis ins Erwachsenenalter wächst, kann eine Myopie auch noch im dritten Lebensjahrzehnt zunehmen.
Für ihre Studie haben Forscher unter der Leitung von Norbert Pfeiffer und Alireza Mirshahi von der Universiät Mainz 4.658 Personen im Alter zwischen 35 und 74 Jahren untersucht, die weder einen Grauen Star hatten, noch an den Augen operiert oder gelasert waren. Dabei fand das Team eindeutige Beweise dafür, dass ein höherer Bildungsgrad und ein Mehr an Schuljahren zwei Faktoren sind, die mit einem häufigeren Auftreten und einem erhöhtem Schweregrad von Kurzsichtigkeit einhergehen.
Erforscht: Menschen mit mehr Schuljahren eher kurzsichtig
Die Daten zeigten etwa, dass 53 Prozent der Probanden, die einen Universitätsabschluss besaßen, kurzsichtig waren, während es bei Maturanten noch etwas mehr als ein Drittel waren. Bei jenen, die nur zehn Jahre die Schule besucht haben, hätten gar nur 24 Prozent an Myopie gelitten, berichteten die Forscher kürzlich in der Fachzeitschrift "Ophthalmology". Sie fanden zudem heraus, dass die Wahrscheinlichkeit kurzsichtig zu werden, mit jedem zusätzlichen Schuljahr steigt.
Darüber hinaus untersuchten die Forscher um Mirshahi die Auswirkungen von 45 genetischen Faktoren. Es stellte sich heraus, dass diese im Vergleich zum Bildungsgrad einen weitaus geringeren Einfluss auf den Schweregrad einer Kurzsichtigkeit haben.
Weltweit nimmt Kurzsichtigkeit stark zu
Myopie ist seit Langem weit verbreitet, doch in den letzten Jahren hat ihre Häufigkeit weltweit stark zugenommen – mit allen belastenden Folgen für Gesundheit und Wirtschaft. Vor allem industrialisierte asiatische Länder berichten von einer starken Zunahme von Kurzsichtigen um bis zu 80 Prozent. Der schnelle Anstieg lässt vermuten, dass Faktoren der Freizeit- und Lebensgestaltung eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehören sogenannte Naharbeiten wie beispielsweise Lesen, Fernsehen, Computerarbeit und die Beschäftigung mit Smartphones.
Eine echte Prävention gegen die Entwicklung von Kurzsichtigkeit gibt es nicht - die Forscher empfehlen aber, immer wieder Pausen vom Bildschirm oder beim Lesen zu machen. Die Augen sollten weniger als 30 Stunden pro Woche mit Naharbeit beschäftigt werden, so Experten.
Gegenmaßnahme: Mehr Zeit im Freien schützt vor Myopie
Untersuchungen haben gezeigt, dass Bewegung an der frischen Luft Kinder vor Myopie schützt. Mädchen und Buben, die sich mindestens zehn Stunden pro Woche im Freien aufhalten, werden seltener kurzsichtig als Altersgenossen, die nur wenig Zeit draußen verbringen. Das belegen Studien aus den USA, Dänemark, Australien und Singapur. Schüler und Studierende dazu anzuhalten, "mehr Zeit im Freien zu verbringen", ist daher auch in den Augen von Mirshahi eine einfache und sinnvolle vorbeugende Maßnahme.
Quelle: Universität Mainz, Leitung der Forschung Norbert Pfeiffer und Alireza Mirshahi