Eine Studie zeigt, wie sich die Hirnaktivität bei Vollnarkose verändert
Narkosemittel bilden schon lange das Fundament der modernen Chirurgie, doch erstaunlicherweise war bisher wenig bekannt, wie sie eigentlich wirken. Diesem Geheimnis sind US-Forscher auf die Spur gekommen. Narkosemittel lassen offenbar das Bewusstsein schwinden, indem sie die neuronale Kommunikation im Gehirn zusammenbrechen lassen. Die Ergebnisse könnten bei der Entwicklung von verbesserten Anästhesie-Monitoring-Systemen helfen – und damit verhindern, dass Menschen mitten in einer Operation das Bewusstsein wiedererlangen, sagen die Autoren der Studie.Die Forscher um Laura Lewis vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge gewannen die Einblicke in die Wirkung der Anästhesie durch Untersuchungen während Operationen an drei Epileptikern. Die Patienten besaßen zur Überwachung ihrer Erkrankung implantierte Elektroden im Gehirn, die es ermöglichten, die Hirnaktivität zu erfassen. Im Rahmen eines geplanten Eingriffes zur Behandlung der Epilepsie, verabreichten die Forscher den Patienten schrittweise das Narkosemittel Propofol. Die Probanden sollten dann jedesmal einen Knopf drücken, wenn sie einen Ton hörten, der in Abständen von einigen Sekunden ertönte. Blieben die Knopfdrücke aus, galten die Patienten als bewusstlos.
Ein "Kommunikationskollaps" knipst das Bewusstsein aus
Beim Übergang von Bewusstsein zu Bewusstlosigkeit stellten die Forscher einen charakteristischen Wechsel des Erregungsmusters (EEG) im Gehirn fest. Während es bei Bewusstsein von Signalen durchflutet wird, schwenkt es nach dem Wirken der Narkose in einen ungewöhnlichen Zustand: Bestimmte Hirnteile wechseln regelmäßig zwischen Phasen der Aktivität und Inaktivität. "Es ist so, als befände sich die eine Hirnregion in Boston und die andere in Singapur. Sie können nicht miteinander kommunizieren, weil die eine immer dann wach ist, wenn die andere schläft – und umgekehrt“, beschriebt Laura Lewis den Zustand.Die Forscher wollen ihre Ergebnisse praktisch nutzbar machen: "Bisher verfügten Anästhesisten über keine sichere Methode zur Überwachung der Vollnarkose. Jetzt, da wir spezifische physiologische Marker der Bewusstlosigkeit identifiziert haben, können wir Systeme entwickeln, die den Bewusstseinszustand von Patienten genau bestimmen", erklärt Co-Autor Patrick Purdon von der Harvard Medical School. "Auf diese Weise können Überdosierungen vermieden werden und, noch wichtiger, dass Patienten während einer Operation das Bewusstsein zurückerlangen", so der Mediziner.
Quelle: Laura Lewis (Massachusetts Institute of Technology in Cambridge) et al.:
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PNAS-LINK: http://www.pnas.org/content/early/2012/11/02/1210907109.abstract?sid=a1b84292-9156-44d0-a8f8-4dff165be123
Volltext PDF dazu: http://www.pnas.org/content/early/2012/11/02/1210907109.full.pdf+html