Sonntag, 6. November 2011

Warum der Placebo-Effekt auch weh tun kann


NOCEBO - Warum der Placebo-Effekt auch weh tun kann

Beim Nocebo-Effekt übersetzt ein Botenstoff Angst in Schmerzen Schmerzen

Italienische Wissenschaftler haben entdeckt, warum die Angst vor Schmerzen diese oft erst entstehen lässt. Verantwortlich dafür ist ein Botenstoff namens CCK, der bei Angst in der Darmschleimhaut gebildet wird: Er löst im Gehirn eine Schmerzreaktion aus und verursacht damit einen Effekt, der Nocebo-Wirkung genannt wird. Dieser unangenehme Begleiter der Angst ist beispielsweise auch dafür verantwortlich, dass bei Medikamenteneinnahme dann gehäuft Nebenwirkungen auftreten, wenn der Patient diese erwartet. Die Forscher um Fabrizio Benedetti von der Universität von Turin haben jedoch bereits ein Mittel identifiziert, mit dem die Auswirkungen des Effekts unterdrückt werden können.


Schon 1997 waren Benedetti und seine Kollegen darauf gestoßen, dass Patienten nach einer schmerzhaften Operation weniger anfällig für den Nocebo-Effekt waren, wenn sie mit einem krampflösenden Mittel gegen Magenprobleme behandelt wurden. Dessen Wirkstoff Proglumid blockiert die Wirkung des Botenstoffs Cholecystokinin (CCK), der nicht nur Bewegungen im Darm stimuliert, sondern auch bei Angst- und Panikreaktionen eine Rolle spielt.

Um diesen Zusammenhang nun genauer zu untersuchen, banden die Forscher 49 Freiwilligen einen Unterarm ab, so dass der Blutfluss gestört war. Anschließend sollten die Probanden mit der Hand so oft wie möglich einen Expander zusammendrücken – eine Aufgabe, die nach spätestens 15 Minuten starke Schmerzen im Unterarm hervorruft. Während des Tests gaben die Probanden jede Minute an, wie stark ihre Schmerzen aktuell waren. Zusätzlich nahmen die Forscher ihnen Blut ab, um die Menge der ausgeschütteten Stresshormone und damit das Ausmaß der Angst zu bestimmen.

Die Teilnehmer, denen die Wissenschaftler zuvor die Auswirkungen der Prozedur erklärt hatten, berichteten von stärkeren Schmerzen während des Tests als eine Kontrollgruppe, die nicht darüber informiert worden war. Wurde den informierten Probanden dagegen zusätzlich das Proglumid verabreicht, sank ihr Schmerzlevel auf den der nichts ahnenden Kontrollgruppe. Auf die Menge der Stresshormone im Blut hatte das Mittel dagegen keinen Einfluss.

Der Wirkstoff verhindere demnach, dass das CCK die chemischen Angstsignale in eine übertriebene Schmerzreaktion übersetzt, ohne die Angst insgesamt zu vermindern, erklärt Studienleiter Benedetti. Allerdings sei das Proglumid, das momentan der einzige verfügbare CCK-Blocker ist, nicht besonders effektiv. Die Wissenschaftler arbeiten daher daran, wirksamere Medikamente zu finden, die Patienten in Kombination mit anderen Schmerzmitteln verabreicht werden könnten.

Quelle: New Scientist, 25. November, S. 12 http://www.newscientist.com/
Originalarbeit der Forscher: Fabrizio Benedetti (Universität von Turin) et al.: Journal of Neuroscience, Bd. 26, S. 12014 http://www.jneurosci.org/content/26/46/12014.abstract?lookupType=volpage&vol=26&fp=12014&view=short

Direktlink - PDF: http://www.jneurosci.org/content/26/46/12014.full.pdf+html