Sonntag, 8. September 2013

Wissenswertes über unser Gehirn, was uns die Forschung schon heute enträtselt hat

Fakten: 145 Mal um die Erde, das ist eine Strecke von rund 5,8 Millionen Kilometern. So lang sind alle Nervenbahnen im menschlichen Gehirn zusammengenommen. Rund 100 Milliarden Nervenzellen kommunizieren in unserem Denkapparat miteinander. Unser Gehirn besteht aus einer Gruppe von Gehirnmodulen, eigentlich besitzen wir nicht ein Gehirn - sondern mehrere Gehirne die (wenn alles gut läuft) aufeinander abgestimmt zusammen arbeiten und sich darüberhinaus ergänzen.

Dafür ist ein beachtliches Maß an Energie notwendig; mehr als für jeden anderen Vorgang im Körper. Unter Normalbedingungen gehen 20 bis 50 Prozent der täglich zugeführten Energie allein für das Gehirn drauf. Im Stress und bei Angst erhöht sich der Energieverbrauch des Gehirns um bis zu 40%. Damit das Gehirn seine vielfältigen Funktionen erfüllen kann, wirken verschiedene Areale zusammen. Es beginnt mit dem Hirnstamm.

Dieser bildet den Übergang zwischen Rückenmark und dem übrigem Gehirn und ist evolutionär betrachtet am ältesten. Der Hirnstamm steuert die grundsätzlichen Lebensfunktionen wie Herzschlag, Blutdruck und Atmung. Auch Reflexe wie Lidschluss, husten und schlucken gehen vom Hirnstamm aus. Die Informationen werden vom Hirnstamm überkreuzt weitergeleitet. Deswegen wird die linke Körperhälfte von der rechten Gehirnseite gesteuert und die rechte Körperhälfte von der linken Gehirnseite. Dieser Bereich wird oft auch als Stammhirn bzw. Reptiliengehirn bezeichnet.

Das Großhirn
Das Großhirn, das aussieht wie eine Walnuss, ist in zwei Hälften, die linke und rechte Hemisphäre geteilt. Durch ein dickes Nervenbündel, den Balken, sind die beiden Teile miteinander verbunden. Jede Hälfte ist auf bestimmte Aufgaben spezialisiert. Links sitzen - grob gefasst - Sprache und Logik rechts Kreativität und Orientierungssinn. Die äußere Schicht des Großhirns ist die Hirnrinde. Sie ist zwei bis fünf Millimeter dick und beinahe einen Viertelquadratmeter groß - würde man sie entfalten. Die Hirnrinde lässt sich in einzelne Lappen unterteilen. Durch tiefere Spalten sind diese voneinander getrennt. An der Stirn, in der vorderen Schädelgrube, sitzt der Frontallappen. Er erfüllt motorische Funktionen, indem er Bewegungen steuert und kontrolliert. Daneben gilt der Frontallappen als Sitz von persönlichen Eigenschaften wie Moral und Selbstbeherrschung. Hier wird angemessenes Verhalten organisiert. - In der linken Hemisphäre des Frontallappens liegt das Broca-Areal. Hier findet die Produktion von Sprache statt, die Wortfindung, das Bilden von Sätzen. Ist das Broca-Areal verletzt, zum Beispiel durch einen Schlaganfall, ist den Patienten nur noch ein stakkatoartiger Telegrammstil möglich. - Das Sprachzentrum nimmt viel Fläche auf der Hirnrinde ein. Im Temporallappen, hier grün, ist das Wernicke-Zentrum angesiedelt. Das ist vor allem für das Verstehen von Sprache wichtig. Verletzungen in dieser Region bewirken, dass Sprache kaum noch entschlüsselt werden kann. Betroffene Patienten reden schwallartig, verworren und unverständlich. Auf der oberen Windung des Temporallappens, dem Gyrus temporalis superior, liegt das Hörzentrum. Hier werden alle Geräusche, die über das Ohr hereinströmen, verarbeitet und gegebenenfalls ins Bewusstsein gerückt (wenn jemand unter einem Tinnituston leidet, dieser wird ebenso direkt in diesen Hirnbereichen generiert, nicht wie oft fälschlich behauptet wird im Gehörgang). Nebenan, im Scheitellappen, ist der Langzeitspeicher für Erinnerungen angelegt. Hier entsteht auch die Zeit- und Raumwahrnehmung. Das ist auch der Platz für automatisiertes Wissen, einer typischen Leistung des Langzeitgedächtnisses. Für räumliches Denken und Rechnen sind ebenfalls Bereiche des Scheitellappens zuständig. Eingesenkt in die Großhirnrinde befindet sich der Insellappen. Seine Aufgaben sind noch nicht ganz klar. Man nimmt an, dass er unter anderem an der emotionalen Bewertung von Schmerzen beteiligt ist sowie an den wichtigen empathischen Fähigkeiten (die uns menschlich fühlen lassen sollen). Am Hinterkopf sitzt der kleinste der vier großen Hirnlappen, der Okzipitallappen. Er ist Teil des visuellen Systems und  verarbeitet optische Signale. Nervenreize, die von den Augen gesendet werden, werden im visuellen Cortex zu einem Bild zusammengesetzt. Ist dieser Bereich durch einen Tumor oder Schlaganfall verletzt, können Betroffene erblinden, obwohl die Augen intakt sind.

Das Limbische System
In der Mitte des Gehirns befindet sich das limbische System. Es wirkt unter anderem bei der Entstehung von Triebverhalten mit. Hier entsteht auch unsere Grundstimmung aber auch alle unsere Süchte haben hier ihren Ursprung. Auch für die Ausschüttung von Endorphinen ist das limbische System verantwortlich (darum nennt man diesen Hirnbereich auch das chemische Gehirn). Dieser Gehirnteil lässt sich in mehrere Strukturen gliedern. Eine davon ist die Amygdala, auch Mandelkern genannt, sie sind unsere beiden Alarmzentralen des Gehirns. Sie sind wichtig für das Gedächtnis und fürs Lernen, aber auch  für die Verarbeitung von Emotionen, insbesondere von Angst. Die Amygdala ist aktiv, wenn es darum geht, die Reize aus der Umwelt auf ihr Gefährdungspotenzial hin zu beurteilen. - Auch der Hippocampus ist Teil des limbischen Systems. Er ist die Schaltzentrale  zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis. Über die Jahre verlagern sich Erinnerungen aus dem Hippocampus in den bereits erwähnten Scheitellappen. An der Größe und Vernetzung des Hippocampus können Neurologen ablesen, wie groß zum Beispiel die Fortschritte sein werden, die Schüler im Mathe-Training machen. Die Verbindungen des limbischen Systems zum Mittelhirn, einem Teil des Hirnstamms, werden mesolimbisches System genannt. An dem Gefühl von Freude ist dieser Hirnteil maßgeblich beteiligt. Das mesolimbische System ist das Belohnungssystem des Gehirns. Allerdings wirken auch Drogen über das mesolimbische System, indem sie die Dopaminausschüttung erhöhen. -

Das Zwischenhirn
Ebenfalls in der Mitte des Gehirns ist das Zwischenhirn. Es schließt sich an den Hirnstamm an. Teil des Zwischenhirns ist zum Beispiel der Thalamus, das "Tor unseres Bewusstseins". Er entscheidet, welche Sinneseindrücke ins Bewusstsein vordringen und leitet sie an die einzelnen Verarbeitungszentren weiter. Auch der Hypothalamus ist im Zwischenhirn angesiedelt. Er ist Vermittler zwischen Hormon- und Nervensystem und steuert als solcher zum Beispiel den Schlaf-Wach-Rhythmus, Ess- und Trinkbedürfnisse, die Libido (sexuelle Lust) sowie Schmerzempfinden und Temperaturempfinden.

Das Kleinhirn
Abschließend noch ein Blick aufs Kleinhirn. Das Gewicht des Kleinhirns macht nur ungefähr 10 Prozent des Großhirngewichts aus, aber es hat so feine blattförmige Windungen, dass seine Fläche der von 50 bis 75 Prozent des Großhirns entspricht. Das Kleinhirn ist unter anderem - ganz knapp gefasst  für das Gleichgewicht zuständig, für Bewegungen und Koordination. Bei Störungen im Kleinhirn ist es z.B. nicht möglich, auf einem Bein zu stehen.