Mittwoch, 9. Juli 2014

Älteste medizinische Beschreibung einer Nahtoderfahrung (NDE) - Frankreich, 18. Jahrhundert

Neues zur Nahtod-Forschung

Eine Nahtod-Erfahrung (NDE) ist eine Geschehen mit spirituellen, transzendenten und mystischen Elementen. Nahtoderfahrungen werden oft von sterbenden Menschen oder Patienten beschrieben, die nach einem schweren Unfall wiederbelebt wurden oder sogar schon als klinisch tot galten.

Diese Menschen beschreiben dabei nicht nur das Empfinden, sich aus ihrem physischen Körper heraus gelöst zu haben (außerkörperliche Wahrnehmung -AKE-*), - das wird zumeist auch begleitet von starken Emotionen. Sie beschreiben auch wie sie sich auf ein helles Licht (Tunnelerlebnis) zu bewegen und hier bereits verstorbene Freunde und Familienmitglieder getroffen zu haben, bevor sie wieder ins Leben zurückgeschickt wurden. Während entsprechende Schilderungen schon aus dem Alten Ägypten überliefert sind, gab es bislang keine historisch-medizinischen Aufzeichnungen über Nahtoderfahungen. Kritiker vermuteten deshalb, dass deren Inhalte erst Verbreitung fanden, nachdem sie durch die modernen Medien kolportiert wurden. Ein französischer Anthropologe hat nun eine Beschreibung einer klassischen Nahtoderfahung aus dem 18. Jahrhundert ausfindig gemacht und diese in einem Fachjournal publiziert. ... → → →


Der Bericht, so erläutert Philippe Charlier vom Laboratory of Medical and Forensic Anthropology an der Université de Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines aktuell im Fachjournal "Resuscitation", stammt wohl aus den Jahren um 1740 und wurde von dem Militärmediziner Pierre-Jean du Monchaux (1733–1766) im Lehrbuch "Anecdotes de médecine" beschrieben.

Du Monchaux schilderte den Fall eines Pariser Apothekers, der an bösartigem Fieber litt und aus diesem Grund von Ärzten und Chirurgen mehrfachen Aderlässen unterzogen wurde. Nach der letzten dieser sogenannten Phlebotomien verlor der Patient besorgniserregend lange das Bewusstsein.

Wieder bei Bewusstsein habe der Apotheker berichtet, dass er, "nachdem er alle äußerlichen Empfindungen verloren habe, ein derart reines und extremes Licht gesehen habe, dass er davon ausging, es müsse sich um den Himmel handeln". Du Monchaux führt weiter aus: "Er erinnerte sich an diese Wahrnehmung sehr genau und versichert, dass er in seinem ganzen Leben noch keinen wundervolleren Moment erfahren habe. Andere Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts haben von sehr ähnlichen Erfahrungen unter den gleichen Bedingungen berichtet. Diese Beobachtungen scheinen mit jenen vergleichbar, die ein Theologe schon im 12. Jahrhundert schilderte, als er beschrieb, dass in jenem Moment, wenn sich unser Körper und die Seele trennen, letztere von der Helle des ersten Lichts (luminositas lucis primae) erhellt wird."

Obwohl die Datengrundlage natürlich gering ist, erreicht die Schilderung des Apothekers Mitte des 18. Jahrhunderts einen Wert von 12/32 auf der sogenannten Greyson-Skala, anhand derer die Tiefe einer potentiellen Nahtoderfahungen eingestuft wird. Ab mehr als 7/32 spricht man von einer positiven Nahtoderfahrung.

Charlier führt weiterhin aus, dass du Monchaux selbst schon den Fall des Apothekers mit anderen ähnlichen Fällen, von Ertrunkenen, Unterkühlten und Erhängten verglichen hatte und von einer physio-pathologischen Erklärung für das Erlebnis ausging:

"In allen diesen Fälle schien der Grund für die angenehme Empfindung der selbe gewesen zu sein. Die Auswirkungen von Fesseln, Kälte und umgebenden Wasserdruck sowie der durch den Aderlass absinkende Blutdruck, lassen nur vermindernden Blutfluss zu. Alles Blut und Körpersäfte fließen in der Folge dichter und langsamer durch die inneren Gefäße - besonders durch die Hirngefäße, die vor äußerer Kompression geschützt sind. Es ist nun genau dieser verdichtete Blutfluss, der all diese lebendigen und starken Empfindungen anregt. Es ist die ruhige und gleichmäßige Verteilung, die diese Empfindungen so angenehm macht."

Mit dieser Theorie vermutete der Mediziner Mitte des 18. Jahrhunderts also genau das Gegenteil jener Erklärung, die heute als rationaler Erklärungsansatz von vielen Medizinern und Kritikern einer übersinnlichen Deutung angeführt wird. Diese geht von einer reduzierten Durchströmung des Gehirns aus, wie sie in lokaler verminderter Sauerstoffzufuhr des Hirns einhergeht. Charlier selbst erklärt diesen Widerspruch durch den erst wenig fortgeschritten, zeitgenössischen Stand der Erforschung des menschlichen Körpers.
Quelle: Fachjournal "Resuscitation" (DOI: 10.1016/j.resuscitation.2014.05.039)
LINK: http://dx.doi.org/10.1016/j.resuscitation.2014.05.039

Dazu passend, dieser Beitrag
Nahtoderfahrungen gleichen sich 
Das Ergebnis einer aktuellen und erstmaligen Studie darüber, wie unterschiedliche Ursachen von Traumata den Inhalt von sogenannten Nahtoderfahrungen beeinflusst belegt, dass unabhängig davon, welche schmerzhaften Ereignisse zu der Nahtoderfahung geführt haben, sich Inhalte dieser Erlebnisse mehrheitlich gleichen. Das Ergebnis spricht gegen einen der populärsten rationalen Erklärungsversuche für derartige Erfahrungen.

Nahtoderfahrungen werden oft von Menschen beschrieben, die nach einem schweren Unfall wiederbelebt wurden oder sogar schon als klinisch tot galten. Entsprechende Patienten beschreiben dabei nicht nur, das Empfinden, sich aus ihrem physischen Körper heraus gelöst zu haben (außerkörperliche Wahrnehmung -AKE-*), sondern auch - begleitet von starken Emotionen - sich auf ein helles Licht zu bewegen und hier bereits verstorbene Freunde und Familienmitglieder getroffen zu haben, bevor sie wieder ins Leben zurückgeschickt wurden.

Wie die Forscher um den Neurowissenschaftler Steven Laureys von der Université de Liège aktuell im Fachjournal "Frontiers in Human Neuroscience", berichten, basiert die Studie zunächst auf der Annahme, dass Nahtoderfahrungen auf einen Mangel an Sauerstoff im Hirn zurückgeführt werden können, wodurch Hirnareale zur Steuerung von Emotionen beschädigt wurden.

"Bei dieser Annahme handelt es sich um die gängigste Erklärungstheorie für Nahtoderfahrungen", erläutert der Forscher. Sollte sie zutreffen, so wäre anzunehmen, dass unterschiedliche Traumata - ausgelöst etwa durch Ertrinken oder andere Unfallursachen - auch zu unterschiedlichen Wahrnehmungen während der so ausgelösten Nahtoderfahrungen führen."

In ihrer Studie haben die Forscher nun 190 dokumentierte Fälle beschriebener Nahtoderfahungen als Folge unterschiedlichster Traumata untersucht und miteinander verglichen. Trotz der unterschiedlichen Auslöser und Stimuli fanden die Wissenschaftler jedoch erstaunlich weit verbreitete Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten in den Schilderungen der Zeugen.

Laut Laureys und Kollegen sei das in den meisten Fällen übereinstimmend beschriebene Merkmal einer Nahtoderfahrungen, das "überwältigende Gefühl von Friedlichkeit" - gefolgt von außerkörperlichen Wahrnehmungen. Viele Betroffene beschrieben zudem auch eine Veränderungen ihrer Zeitwahrnehmung.

Insgesamt fanden sich unter den 190 untersuchten Fällen nur sehr wenige Erfahrungen, die als negativ empfunden und so beschrieben wurden. "Wie es scheint, ist es gar nicht so schlecht, eine Sterbe-Erfahrung zu machen", zitiert der "New Scientist" den Forscher.

Interessanterweise beschrieben auch nur die wenigsten der Zeugen, klischeehafte Vorstellung von Nahtoderfahungen, wie sie etwa in Kinofilmen dargestellt werden - beispielsweise, dass das eigene Leben noch einmal vor dem inneren Auge abläuft.

Derzeit sucht Laureys Team nach einem Weg, entsprechende Erlebnisse objektiv messen zu können. Hierzu fahnden die Forscher im Hirn von Herzstillstands-Patienten, die von einer Nahtoderfahung berichtet haben, nach kleinen Narben, die eine Folgeerscheinung des Ereignisses sein könnten.

Während sich der Forscher über die Schwierigkeiten der Untersuchung derart subjektiver Erfahrungen bewusst ist, ist er darum bemüht, sich dem Thema unvoreingenommen zu nähern: "Wir müssen anerkennen, dass es noch so viele Dinge gibt, die wir noch nicht verstehen. Gerade deswegen ist es aber auch notwendig, die besten wissenschaftlichen Methoden für deren Erforschung anzuwenden." Die aktuelle Studie und Bemühungen bezeichnet er als einen ersten Schritt in dem Bemühen um ein besseres Verständnis unseres Bewusstseins.
Quelle: Fachjournal "Frontiers in Human Neuroscience", (DOI: 10.3389/fnhum.2014.00203)
LINK: Frontiers in Human Neuroscience

* Out of Body Experiences - OBE