Mittwoch, 1. März 2017

Deutschland: Der § 80 StGB "Vorbereitung eines Angriffskriegs" ist seit 1. Januar 2017 gestrichen

§ 80 StGB "Vorbereitung eines Angriffskriegs" ist seit 1. Januar 2017 gestrichen
Ersetzt wurde er durch einen Paragrafen im Völkerstrafgesetzbuch - allerdings mit Veränderungen.
Im Netz gibt es Aufregung, nachdem Meldungen umgingen, dass ab 1. Januar 2017 (also seit gestern) der § 80 StGB gestrichen wurde, worüber aber kaum berichtet worden sei. Das war der Paragraf, der die "Vorbereitung eines Angriffskrieges" unter Strafe stellte.

Das regt, wenn man dies nur oberflächlich zur Kenntnis nimmt, angesichts der Bestrebungen der deutschen Regierung, mehr militärische "Verantwortung" übernehmen zu wollen, womöglich zu einem Verdacht an, dass die Bundesregierung vielleicht den rechtlichen Raum für militärische Interventionen und etwaige Angriffskriege schaffen will. Im Bayerischen Rundfunk versuchte man die Gemüter zu beruhigen und die Sachlage "richtig" zu stellen, mit dem Titel "Verschwörung um § 80 - Halbe Wahrheiten zum 'Angriffskrieg'" goss man allerdings im "Staatsfunk" eher Wasser auf die Mühlen. Zudem heißt es lediglich, dass "das Delikt nur das Gesetz gewechselt" habe, auf die damit eingehenden Veränderungen wird aber nicht eingegangen. ...

Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit
Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.

Der gestrichene § 80 StGB
Der deutsche Bundestag hat am 1. Dezember 2016 das entsprechende Gesetz zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuches angenommen - dagegen stimmte nur die Linksfraktion. Der § 80 wurde nicht ersatzlos gestrichen, sondern in einer veränderten Form in das seit 2002 im Rahmen des Beitritts zum Römischen Statut und damit zum Internationalen Strafgerichtshof seit 2002 in Deutschland geltende Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) als § 13 aufgenommen.

Verbrechen der Aggression
Das VStGB regelt in Deutschland Straftaten gegen das Völkerrecht und passt damit das deutsche Strafrecht dem Rom-Statut an. Auf der Überprüfungskonferenz in Kampala am 10. und 11. Juni 2010 wurde das Verbrechen der Aggression im Artikel 8, der bislang Kriegsverbrechen umfasste, in das Römische Statut übernommen. Das Verbrechen der Aggression gleicht dem § 80 StGB und wird in Artikel "8 bis" aufgeführt:

Im Sinne dieses Statuts bedeutet "Verbrechen der Aggression" die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, durch eine Person, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.

Noch können Verbrechen der Aggression nicht geahndet werden.
Erst müssen die Vertragsstaaten des Römischen Statuts mit einer Zweidrittelmehrheit ab 2017 dem zustimmen. Deutschland hat dies 2013 gemacht. Bislang ratifizierten erst 13 Staaten die Zusätze zu Artikel 8, zuletzt Palästina, 30 Staaten wären erforderlich. Die Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeiten des Opt-Out aus der Gerichtsbarkeit bei diesem Paragrafen, zudem kann die Gerichtsbarkeit bei einem Nichtmitgliedsstaat nicht ausüben, "wenn das Verbrechen von Staatsangehörigen des betreffenden Staates oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde. Noch einschränkender ist notwendig, dass der UN-Sicherheitsrat eine Angriffshandlung festgestellt hat. Das heißt nur dann, wenn dies auch den Interessen der
Vetomächten entspricht und diese selbst nicht betrifft.

Deutschland hat das Verbrechen der Aggression allerdings mit einer besonderen Note übernommen, sieht man einmal davon ab, dass der § 80 eindeutiger formuliert war und nicht zwischen der Planung und der tatsächlichen Durchführung unterschieden wurde. Besonders wirkungsvoll war er aber auch nicht, siehe: Generalbundesanwaltschaft weist Strafanzeigen wegen Syrien-Einsatz der Bundeswehr ab.(1) Wer einen Angriffskrieg führt oder eine sonstige Angriffshandlung begeht, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Wer einen Angriffskrieg oder eine sonstige Angriffshandlung im Sinne des Absatzes 1 plant, vorbereitet oder einleitet, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft. Die Tat nach Satz 1 ist nur dann strafbar, wenn

1. der Angriffskrieg geführt oder die sonstige Angriffshandlung begangen worden ist oder

2. durch sie die Gefahr eines Angriffskrieges oder einer sonstigen Angriffshandlung für die Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt wird.

(3) Eine Angriffshandlung ist die gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch einen Staat.

(4) Beteiligter einer Tat nach den Absätzen 1 und 2 kann nur sein, wer tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.


Eindeutiger ist damit geregelt, dass nicht Untergebene, die Befehlen gehorchen bzw. diese nicht verweigern, bestraft werden können. Eingeschränkt wurde jedoch die Zuständigkeit im Ausland. Nach § 1 VStGB besteht für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen das Weltrechtsprinzip, wonach eine Strafbarkeit nach deutschem Recht überall besteht, also auch dort, wo es "keinen Bezug zum Inland" gibt. Anders ist dies für Verbrechen der Aggression, also für die Ahndung von Angriffskriegen. In § 1 wurde die Formulierung eingebaut: "Für Taten nach § 13, die im Ausland begangen wurden, gilt dieses Gesetz unabhängig vom Recht des Tatorts, wenn der Täter Deutscher ist oder die Tat sich gegen die Bundesrepublik Deutschland richtet."
Strafbar nur bei Inlandsbezug
Damit sind in Deutschland zwar die Ausführung und Planung von Angriffskriegen strafbar, aber man vermeidet, gegen Alliierte vorgehen zu müssen. Der Grund dafür liegt auf der Hand, denn die USA haben mit wechselnden Koalitionen auch mit EU-Mitgliedsländern zuletzt im Irak und in Syrien Angriffskriege ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrats und völkerrechtswidrig durchgeführt. Die Frage ist auch, wie Drohnenangriffe in Ländern wie Pakistan, Somalia oder dem Jemen zu werten wären. Offen bleibt, ob sich Deutschland etwa durch Bereitstellung von Stützpunkten im Land strafbar macht, wenn diese logistisch eine wichtige Rolle zur Versorgung, Kommunikation und Steuerung spielen (Bundesregierung räumt Wissen über Drohnenkrieg ein). Allerdings hat die Bundesanwaltschaft auch schon Strafanzeigen gegen den ehemaligen US-Verteidigungsminister Rumsfeld wegen Kriegsverbrechen (Folter in Abu Ghraib und Guantanamo) eingestellt.

Die Fraktion der Grünen hat der Änderung zwar zugestimmt, weil Angriffskriege damit unter Strafe gestellt werden, aber Bedenken angemeldet, weil das Weltrechtsprinzip ausgehebelt wurde, weswegen der Anwendungsbereich "gegen Null" gehe, sofern Deutschland keinen Angriffskrieg führt. Die Einschränkung sei auch verfassungsrechtlich fragwürdig, da dies das Grundgesetz nach Art. 26 Absatz 1 nicht vorsieht:

Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.GGArt. 26 Absatz 1

Obgleich die in § 13 erfolgte Einschränkung nach Ansicht der Grünen ein "ungünstiges Signal an die Weltgemeinschaft" aussende, da sowieso die internationale Verfolgung von Straftaten von vielen Staaten nicht unterstützt wird, stimmten sie letztlich doch zu. Die Linksfraktion begrüßte, dass nun auch Vorbereitungshandlungen zu Angriffskriegen bestraft werden können, aber sie stimmte gegen die Änderung aus mehreren Gründen. Geltend gemacht wurden ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Bindung an den Inlandsbezug. Dann geht den Linken die Begrenzung auf hohe politische und militärische Verantwortliche zu weit. Auch die Heraufsetzung der Schwelle, wann von Angriffshandlungen gesprochen werden kann, wird kritisiert.