Testosteron stimuliert nicht nur männliche Sexualfunktionen, aggressives Verhalten und Ehrgeiz. Das Hormon wirkt sich auch auf bestimmte Denkleistungen aus und beeinflusst Entscheidungsprozesse.
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An der bisher größten Doppelblindstudie dieser Art beteiligten sich 243 meist junge Männer. Eine Hälfte rieb sich den Oberkörper mit zehn Gramm eines Gels ein, das ein Prozent Testosteron enthielt. Hormontests in Speichelproben vor und nach der Untersuchung zeigten erhöhte Testosteronwerte an. Die Kontrollgruppe benutzte ein gleichartiges Gel ohne Wirkstoff. Viereinhalb Stunden nach der Behandlung beantworteten die Teilnehmer Fragen des sogenannten „Kognitiven Reflexionstests“, die eine intuitiv falsche Antwort nahelegen, darunter zum Beispiel: „Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 Dollar. Der Schläger kostet einen Dollar mehr als der Ball. Was kostet der Ball?“ Die spontane Antwort der meisten lautet 0,10 Dollar, richtig ist aber 0,05 Dollar. Für die Lösung der Aufgaben gab es keine Zeitbeschränkung. Jede richtige Antwort wurde am Schluss durch Bargeld belohnt. Um Einflussfaktoren wie Motivation und mathematische Fähigkeiten zu berücksichtigen, mussten alle Beteiligten zusätzlich unter Zeitdruck große Zahlen addieren.
Mit 20 Prozent weniger richtigen Antworten erzielten die Testosteronbehandelten im Kognitiven Reflexionstest ein deutlich schlechteres Ergebnis als die Mitglieder der Placebogruppe. Beim Addieren schnitten beide Gruppen gleich gut ab. Es ist naheliegend, eine sinnvolle biologische Anpassung darin zu sehen, wenn unter dem Einfluss eines erhöhten Testosteronspiegels schnelle intuitive Entscheidungen bevorzugt werden. Welche neurologischen Prozesse dabei ablaufen, ist noch nicht geklärt. Es gibt aber im präfrontalen Cortex Rezeptoren für Testosteron. Das Hormon könnte also daran andocken und so Hirnaktivitäten verändern, die das Verhalten beeinflussen. Die neuen Ergebnisse seien auch zu bedenken, wenn ältere Männer mit stark verringertem Testosteronspiegel eine Hormontherapie erhalten, sagt Camerer. Als mögliche Nebenwirkung wäre ein Einfluss auf Entscheidungsprozesse bei diesen Patienten nicht auszuschließen.
Quellen: Fachzeitschrift „Psychological Science“, u.a.
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