Wer versucht, an nichts zu denken, benötig ebenso viel Energie
wie bei konzentrierter Kopfarbeit.
Zu diesem Ergebnis kommt ein Mathematiker-Team um Daniela Calvetti von der Case Western Reserve University in Cleveland (USA). Die Forscher entwickelten eine Computersimulation, mit der sie den Energieverbrauch erregender und hemmender Nervenzellen im Gehirn untersuchen konnten. Die Ergebnisse eröffnen ihnen zufolge Perspektiven für die Diagnose von Hirnerkrankungen: Den normalen Energieverbrauch des Gehirns besser zu verstehen, kann wichtige Informationen für die Früherkennung von Erkrankungen liefern, bei denen dieser Energieverbrauch verändert ist.Die Forscher um Calvetti nutzten für ihre Untersuchung ein selbst entwickeltes Software-Paket namens Metabolica, mit dem sich komplexe Stoffwechselprozesse simulieren lassen. Mit Hilfe spezieller mathematischer Gleichungen entwarfen sie ein Modell, mit dem sich die Stoffwechselaktivität des Gehirns vorhersagen lässt. Dieses Modell simuliert die Verbindungen zwischen erregenden und hemmenden Neuronen und den sogenannten Astrozyten. Dies sind sternförmige Gehirnzellen, die die Nervenzellen mit wichtigen chemischen Substanzen versorgen. Erregende Nervenzellen werden benötigt, um Gedanken im Gehirn weiterzugeben.
Gedankenstopp durch hemmende Neuronen möglich
Hemmende Neuronen können jedoch die Weitergabe der Signale zwischen ihnen unterbinden und so Gedanken stoppen. „Die hemmenden Gehirnzellen sind wie ein Priester, der sagt: "Tu das nicht'", erläutert Calvetti.Botenstoff GABA wird ausgeschüttet
Während die erregenden Neuronen Signale mit Hilfe des Botenstoffs Glutamat übermitteln, schütten die hemmenden Nervenzellen das Signalmolekül GABA aus, das den Effekten von Glutamat entgegenwirkt. Die Astrozyten wiederum sorgen dafür, dass das ausgeschüttete GABA und das Glutamat wieder „eingesammelt“ und recycelt werden. Dabei verbrauchen sie große Mengen an Sauerstoff – und dies führt wiederum zu einem verstärkten Blutfluss und einem erhöhten Energieverbrauch im Gehirn.Warum wirkliche Entspannung so anstrengend ist
„Insgesamt ist ein überraschend hoher Aufwand für einen Gedankenstopp und um die hemmenden Prozesse aufrechtzuerhalten“ erforderlich, sagt Erkki Somersalo, einer der Koautoren der Studie. Dies könnte auch erklären, warum es häufig so anstrengend ist, sich zu entspannen und an nichts zu denken, erläutert Daniela Calvetti.
Tao-Meister Mantak Chia und G.H.Eggetsberger
Nicht nur für Meditation und Gedankenstopp-Techniken interessant!
Zwar handelt es sich bei der Untersuchung bisher um reine Grundlagenforschung. Allerdings könnten solche Simulationen langfristig auch praktischen Nutzen haben: Viele Gehirnerkrankungen sind in einem frühen Stadium schwer zu diagnostizieren, sie sind jedoch häufig mit einem veränderten Energieverbrauch des Gehirns verbunden. „Wenn man weiß, welcher Energieverbrauch die "Norm" ist, könnte man solche Erkrankungen in Zukunft eher erkennen“, sagt Calvetti. Zum Beispiel könnte der hohe Energieverbrauch, der mit hemmenden Gehirnprozessen einhergeht, bei fortschreitenden Abbauprozessen im Gehirn von Bedeutung sein. Diese spielen bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz, Multipler Sklerose oder der Parkinson-Krankheit auch eine Rolle.
Quelle: Daniela Calvetti (Case Western Reserve University, Cleveland/ USA) et al.: Journal of Cerebral Blood Flow & Metabolism, Onlineveröffentlichung, doi:10.1038/jcbfm.2010.107.
Titelbild: G.H.Eggetsberger Messung eines Shaolin Mönchs bei seiner Gedankenstopp/Konzentration