Operationen unter Vollnarkose sind für ältere Menschen oft mit einer Nebenwirkung verbunden: Sie leiden vorübergehend unter Gedächtnisstörungen und Verwirrung. Schwerwiegender ist aber die Furcht vor Langzeitschäden - die immer wieder auftreten. Denn einige Narkosemittel können Entzündungsreaktionen im Gehirn auslösen bzw. verstärken und Ablagerungen verursachen, die für die Alzheimer-Demenz typisch sind.
Demenz-Risiko bei Vollnarkose-Operationen? |
Warum gibt es hier zwei widersprüchliche Studien?
Der Unterschied entsteht schon in der Konzeption der Studien und auch das Alter der Probanden könnten für die widersprüchlichen Ergebnisse verantwortlich sein.
(Anm.: Es kommt eben immer darauf an, was man gerne als Ergebnis einer Studie möchte, dementsprechend muss man das Studiendesign nur abstimmen. Nimmt man jüngere Studienteilnehmer und ändert das Studienkonzept entsprechend ab, sieht alles ganz anders aus, viel weniger leiden dann an Folgeschäden. Dann haben weniger ältere Menschen und deren Angehörige Angst einer OP mit Vollnarkose zuzustimmen. Was wieder mehr Operationen bringt.)
„Für ältere Menschen, bei denen nach einer Operation kognitive Störungen auftreten, sollten über einen längeren Zeitraum Kontrolluntersuchungen eingeplant werden“, sagte Francois Sztark von der Université Bordeaux Segalen.
Großstudie belegt 35% mehr Risiko
An seiner neuen prospektiven Studie nahmen etwa 7.000 Menschen im Alter von über 65 Jahren teil, die noch keine Anzeichen einer Demenz zeigten. Im Abstand von zwei bis drei Jahren führten die Forscher Gedächtnistests durch. Außerdem gaben die Teilnehmer dann jeweils an, ob sie seit dem letzten Test unter Vollnarkose oder örtlicher Betäubung behandelt worden waren. Innerhalb von acht Jahren erkrankten 632 Personen an einer Demenz; in 284 Fällen handelte es sich dabei wahrscheinlich um die Alzheimer-Krankheit. Die statistische Auswertung ergab: Das Demenzrisiko erhöht sich nach mindestens einer Vollnarkose um 35 Prozent. Andere Einflussfaktoren wie sonstige Krankheiten und Bildungsstand wurden berücksichtigt.
Die gegenteilige Studie zeigte
Zum gegenteiligen Ergebnis war eine sogenannte retrospektive Fall-Kontroll-Studie amerikanischer Forscher der Mayo Clinic in Rochester gekommen. Sie hatten 877 über 45-jährige Patienten ausgewählt, bei denen in einem Zeitraum von zehn Jahren eine Demenz diagnostiziert worden war. In dieser Gruppe kamen Operationen unter Vollnarkose nach dem 45. Lebensjahr mit ähnlicher Häufigkeit vor wie bei einer Kontrollgruppe gleichaltriger geistig gesunder Menschen. Aus ihren Daten schlossen die Forscher, dass selbst mehrfache Vollnarkosen das Demenzrisiko nicht erhöhen.
Anm.: Natürlich ist es reiner Unfug bei einer solchen Studie 45-jährige Patienten zu nehmen, auch die Gruppengröße der untersuchten Personen ist viel geringer, auch waren bei diesen Personen zuvor schon Demenz diagnostiziert worden.
Hinweis: Die retrospektive Studie geht von bereits Erkrankten aus und vergleicht diese rückblickend (!) mit ausgewählten gesunden Personen.
Dagegen registriert man in einer prospektiven Studie Krankheitsfälle einer gesunden Ausgangsgruppe. Prospektive Studien eignen sich zwar generell besser, um Hinweise auf eine vermutete Kausalbeziehung zu liefern. Ein derartig widersprüchliches Ergebnis wie im vorliegenden Fall bedarf allerdings einer Erklärung.
Fazit: Wer nicht unbedingt im fortgeschrittenen Alter eine lebensnotwendig OP mit Vollnarkose benötigt, der sollte Vollnarkosen so weit als möglich meiden. Vor allem Schönheitsoperationen etc. sollten aus diesen Gründen genau überdacht werden. Sicher ist sicher! Befragen Sie Ihren Arzt genau über das mögliche Narkoserisiko, vieles lässt sich auch anders lösen.
Quelle: Prospektive Studie - „Exposure to general anaesthesia could increase the risk of dementia in elderly“, Francois Sztark et al.; Beitrag zur Jahrestagung der European Society of Anaesthesiology in Barcelona (http://www.sessionplan.com/esa2013/)
Quelle: Retrospektive Studie - „Anesthesia and Incident Dementia: A Population-Based, Nested, Case-Control Study“, Juraj Sprung et al.; Mayo Clinic Proceedings, (http://www.mayoclinicproceedings.org/article/S0025-6196(13)00124-9/abstract)