Montag, 8. Dezember 2014

Wissenschaftler untersuchen die Nahtoderfahrungen - dem Lebensende auf der Spur

Groß angelegte Studie: Forscher untersuchen die Erlebnisse von 2060 Patienten kurz nach ihrem Herzstillstand. Das Ergebnis ist erstaunlich: In einem Fall kann eine "außerkörperliche Erfahrung" bestätigt werden. Nahtoderlebnisse und außerkörperliche Erfahrungen geistern immer wieder durch die Boulevardpresse – doch selten haben sich ernst zu nehmende Wissenschaftler mit dem Thema auseinandergesetzt. Nun ist aber in der renommierten Fachzeitschrift "Resuscitation" ein Artikel erschienen, der die Ergebnisse einer groß angelegten Studie über die Erlebnisse zum Zeitpunkt des Todes präsentiert.

Hintergrund: Unterstützt von der University of Southampton in Großbritannien wurden die Daten von 2060 Patienten über vier Jahre in 15 verschiedenen Krankenhäusern ausgewertet. Nach streng wissenschaftlichen Maßstäben wurden Überlebende eines Herzstillstands nach ihren mentalen Eindrücken während des Ereignisses befragt. Die Resultate übertrafen bei Weitem das, was bislang als so genannte "Nahtoderfahrung" diskutiert wird und leicht durch bekannte Phänomene erklärt werden kann.

Einbildung oder reales Erlebnis?
In der Regel werden Wahrnehmungen von Lichtern, Stimmen oder Bewegungen beim Todeskampf als Halluzinationen deklariert. Ein "Feuerwerk der Botenstoffe" im Gehirn soll zu unterschiedlichen Illusionen führen, wie sie zum Teil auch während eines Drogenrausches erlebt werden. Die Forscher überprüften jetzt mithilfe objektiver Begebenheiten, ob beispielsweise eine außerkörperliche Erfahrung pure Einbildung oder mit realen Ereignissen zu erklären ist. ...

39 Prozent der Patienten, die einen Herzstillstand überlebten, sprachen von einem bewussten Zustand während des Vorfalls – eine detaillierte Beschreibung von Abläufen und Ereignissen konnten sie sich jedoch nicht in Erinnerung rufen. Die Forscher vermuten, dass sich wahrscheinlich anfangs viele Patienten in einem wachen Geisteszustand befinden, in der Folge aber durch Medikamente oder Hirnschädigungen ihre Erinnerung verlieren.

46 Prozent der Patienten bei Bewusstsein schilderten im Interview Emotionen, die gemeinhin nicht in den positiven Standardberichten über Nahtoderlebnisse erwähnt werden: Sie fühlten sich verfolgt oder hatten Angst. Nur 9 Prozent machten Erfahrungen, wie sie vielfach zu lesen sind: Bilder eines weißen Lichts, Begegnungen mit Familienangehörigen, Tieren oder Pflanzen. Ganze 2 Prozent berichteten auch von einer außerkörperlichen Erfahrung: Sie sahen und hörten Dinge, die sich kurz nach ihrem Herzstillstand am Ort des Geschehens ereigneten.

Dem Lebensende auf der Spur - auch nach dem Herzstillstand bei Bewusstsein
In einem einzigen Fall konnte bestätigt werden, dass diese geschilderten Erinnerungen tatsächlich nach dem Aussetzen des Herzschlags stattgefunden haben. Das Bewusstsein des Patienten und seine Wahrnehmungsfähigkeit blieben über einen dreiminütigen Zeitraum erhalten. Diese Beobachtung ist für die Mediziner äußerst erstaunlich, da das Gehirn etwa 20 bis 30 Sekunden nach dem letzten Herzschlag "herunterfährt" und erst bei der Reanimation wieder im vollen Umfang aktiv wird. Im beschriebenen Fall stimmten jedoch alle visuellen Erinnerungen mit den realen Ereignissen klar überein.
      
Ergebnis: Einer der Studienleiter, Dr. Sam Parnia, erklärte die Motivation zu den Forschungen wie folgt: "Im Gegensatz zum allgemeinen Verständnis, ist der Tod kein spezifischer Moment, sondern ein potenziell umkehrbarer Prozess." So würde bei einer schweren Krankheit oder einem Unfall das Herz aufhören zu schlagen. Beim erfolgreichen Versuch, diesen Funktionsausfall zu beheben, wird vom zeitweiligen Herzstillstand gesprochen. Gelingt dies nicht, nennt man den Zustand tot. Die aktuellen Untersuchungen sollten objektiv beschreiben, was beim Sterben passiert – jenseits von all dem, was man bislang mit dem kaum definierten und emotional aufgeladenem Begriff "Nahtoderfahrung" verbindet.

Doch nicht nur Mythen und Aberglauben will das Großprojekt aus der Welt schaffen: Die Untersuchung des Extremerlebnisses Herzstillstand könnte auch wichtige Erkenntnisse zur Behandlung von Infarktpatienten erbringen. Denn dort stellt sich die Frage, inwieweit das bewusste Erleben nach einer Herzattacke zum posttraumatischen Stresssyndrom führen kann.  
Quelle: Resuscitation-Journal  "AWARE-Bewusstseins während der Reanimation"
Bildquelle: Fotolia
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