Freitag, 22. September 2017

Von Schuld und Strafe. Wie die Hirnaktivität die richterliche Entscheidung beeinflusst

Wie Tests im Labor zeigten, fallen Strafen weniger hart aus, wenn ein Teil des Gehirns durch Magnetfelder ruhig gestellt werden.


Entscheidungen abhängig von entsprechender Hirnaktivität!
Die Menschen haben Gesetzes- und Rechtssysteme zur Sicherung der sozialen Normen und zum besseren Zusammenleben aufgebaut. Das Rechtssystem kann je nach Region ganz verschieden sein, es kann etwa erst eine Jury über die Schuld entscheiden und dann ein Richter über das Strafmaß.

Genauso wird nach neuen Forschungen an der Vanderbilt University die Arbeit auch in Gehirn aufgeteilt. 66 Studenten wurden zu Tests herangezogen, die der Psychologe Joshua Buckholz leitete. Die 66 Student bekamen fiktive Fälle vorgelegt, in denen ein „John“ Verbrechen unterschiedlicher Schwere begangen hatte – vom Diebstahl bis hin zum Mord –, bei der Hälfte der Fälle wurden zusätzlich auch noch mildernde Umstände angeführt.

Entscheidenter Hirnbereich!
Die Probanden hatten nach Kenntnis der Aktenlage getrennt über die Schuld der Straftäter zu urteilen bzw. über das Strafausmaß zu entscheiden. Prof. Buckholz beobachtete dabei mittels Magnetresonanz-Verfahren die Gehirnaktivität, und ganz besonders interessierten ihn die Aktivitäten im sogenannten "dorsolateralen pfrontalen Cortex (kurz DLPFC)", von diesem weiß man, dass er besonders bei moralischen Entscheidungen aktiv wird, ganz generell ist der DLPFC eine bei Menschen sehr hoch entwickelte neuronale Schaltstelle, in der viele Informationen zusammenlaufen und gespeichert werden und er spielt auch beim Gedächtnis eine wichtige Rolle. ... 

Diese Laboruntersuchung zeigt: Schuldfrage und Strafmaß sind entkoppelte Entscheidungen. In den Labortests beobachte Prof. Buckholz nicht nur die Gehirne seiner Testpersonen, sondern er manipulierte die Gehirnaktivität einiger Probanden auch zusetzlich, Buckholz dämpfte die Aktivität des DLPFC stark – dies bewerkstelligte er durch ein altbekanntes Mittel, durch elektrische Überaktivierung mit Magnetstimulation über an den Kopf angelegte Magnetspulen. Bei den Probanden der Kontrollgruppe gab es nur eine Placebo-Stimulation. Es zeigte sich: Das Ausschalten des dorsolateralen präfrontalen Cortex änderte an den Urteilen über die Schuldfrage nichts.

Aber, und das ist bemerkenswert: Durch die Stimulation änderten sich die Entscheidungen über das Strafausmaß: Die Urteile fielen milder aus, vor allem bei weniger schweren Verbrechen. Und die Urteile wurden weniger nach den Intentionen der Täter bewertet, sondern mehr nach dem angerichteten Schaden(!). Richter würden warscheinlich genauso urteilen! Prof. Buckholz: „Unsere Studie bringt neue Einsichten darüber, wie Gehirne mit Entscheidungen (auch Schuldfragen und über entsprechendes Strafausmaß) umgehen, also Entscheidungen wie sie Richter jeden Tag treffen müssen. Ob Richter durch eine entsprechende Stimulation gerechtere Urteile fällen würden, ist noch offen. In absehbarer Zeit wird die Magnetstimulation aber sicher nicht in unsere Gerichtssäle Einzug halten.
Quelle: Volume 87, Issue 6, p1369-1380/
Link: goo.gl/CqZaDr