Zumindest bei Vögeln hängt die Länge der Telomere direkt mit der Lebenserwartung zusammen, die Forschungsergebnisses lassen sich vermutlich auch auf den Menschen übertragen!
Die Enden der Chromosomen im Zellkern, die sogenannten Telomere, stehen schon länger im Verdacht, Schlüsselfiguren beim Altern zu sein. Eine britische Studie gibt dieser Theorie jetzt neue Nahrung: Sie hat gezeigt, dass sich anhand der Länge der Schutzkappen auf den Erbgutträgern junger Zebrafinken die Lebenserwartung der Tiere voraussagen lässt. Vermutlich kann man grundlegende Aspekte dieses Ergebnisses auch auf den Menschen übertragen, sagen die Wissenschaftler.
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Vor diesem Hintergrund ergab sich schon früh die Frage, ob die Länge der Telomere die Lebensdauer eines Lebewesens beeinflusst. Einige frühere Studien hatten diesen Zusammenhang bereits nahegelegt, die aktuelle Untersuchung dokumentiert den Effekt aber nun erstmals an einem vergleichsweise langlebigen Tier, dem Zebrafinken, der bis zu neun Jahre alt werden kann.
Alte Zebrafinken starteten mit langen Telomeren
Das Ziel der Forscher um Pat Monaghan von der University of Glasgow war, herauszufinden, wie genau die Länge der Telomere von Zebrafinken deren Lebenserwartung vorhersagt. Die Wissenschaftler entnahmen dazu 99 Zebrafinken Blutproben und bestimmten durch Analysen die Länge ihrer Telomere zu verschiedenen Zeitpunkten im Leben der Vögel. Der erste Vogel starb bereits nach sechs Monaten, der letzte erst nach neun Jahren.
Die Auswertungen bestätigten den vermuteten Zusammenhang: Die Zebrafinken, die am längsten lebten, besaßen über die gesamte Lebenspanne hinweg auch die längsten Telomere. Der eindeutigste Indikator war dabei die Länge im Alter von 25 Tagen. Dies zeigt den Forschern zufolge, wie wichtig die Ausgangsbedingungen im Leben sind. In weiteren Untersuchungen wollen sie nun erforschen, warum die Länge der Telomere bei verschiedenen Individuen zu Beginn des Lebens so unterschiedlich ist.
Ergebnisse derzeit nur bedingt auf den Menschen übertragbar
Obwohl einige grundlegende Aspekte vermutlich auch auf den Menschen übertragbar sind, macht es Pat Monaghan zufolge zunächst noch keinen Sinn, seine Telomerlänge messen zu lassen und daraus voreilige Schlüsse zu ziehen: „Beim Menschen handelt es sich um eine extrem langlebige Spezies, bei der die Lebensbedingungen eine enorm wichtige Rolle spielen.“ Faktoren wie Ernährung, Stress, Ängste und Bewegung fallen hier deutlich ins Gewicht.
Vermutlich beeinflussen aber genau diese Faktoren (Ernährung, Stress, Ängste) auch die Länge der Telomere. So gibt es zum Beispiel bereits Hinweise darauf, dass eine Kindheit in sozialer Kälte an den Telomeren nagt (also diese verkürzt): Vernachlässigte Kinder aus rumänischen Heimen haben bereits im Alter von sechs bis zehn Jahren verkürzte Chromosomenenden, hatte erst im vergangenen Jahr eine Untersuchung ergeben (siehe Bericht unten Teil2).
Quelle: Britt Heidingera (University of Glasgow) et al.: PNAS, doi:10.1073/pnas.1113306109 LINK: http://www.pnas.org/content/early/2012/01/04/1113306109
Das PDF Dazu: http://www.pnas.org/content/early/2012/01/04/1113306109.full.pdf+html (6Seiten)
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Teil 2
Von Anfang an schlechte Chancen
Vernachlässigte Kinder starten mit vorzeitig gealterten Chromosomen ins Leben (sie haben kürzere Telomere)
Eine Kindheit in sozialer Kälte beschleunigt das Altern – nicht nur psychisch, sondern auch körperlich: Vernachlässigte Kinder aus rumänischen Heimen haben bereits im Alter von sechs bis zehn Jahren verkürzte Chromosomenenden, ein Zeichen für die vorzeitige Alterung ihres Erbguts. Das hat ein internationales Forscherteam durch Erbgutanalysen von 109 Heimkindern nachgewiesen. Die genauen biologischen Ursachen für den Effekt einer unglücklichen Kindheit und seine Auswirkungen auf das spätere Leben sind noch unklar. Studien weisen aber darauf hin, dass kurze Telomere, wie die Enden der Chromosomen genannt werden, nicht nur die Lebensspanne verringern, sondern auch mit kognitiven Störungen und einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs verbunden sind.Die Erbinformationen der höheren Lebewesen sind im Kern einer jeden Körperzelle in einzelnen Einheiten, den Chromosomen, zusammengefasst. Die Enden dieser Strukturen bezeichnet man als Telomere. Sie enthalten keine Bauanweisungen für Proteine oder Steuermoleküle, bestehen aber aus denselben Bausteinen wie die Gene selbst – den Nukleotiden. Beim Kopieren der DNA während der Zellteilung kommt es an den Enden neuer DNA-Stränge immer zu einem Verlust einiger Nukleotide. Ohne die Pufferfunktion der Telomere hätte das zur Folge, dass bei jeder Zellteilung einige Gene verlorengehen würden. Genau darin besteht nach einer der gängigsten Theorien der Grund für die Zellalterung: Bei jeder Zellteilung geht ein Teil des Telomers verloren. Dies ist anfangs unproblematisch, da das Telomer keine Erbinformationen trägt. Ist es nach einer bestimmten Anzahl von Zellteilungen aber sozusagen aufgebraucht, werden die eigentlichen Gene angegriffen und es kommt zur Bildung von schadhaften Zellen.
Für ihre Studie haben Stacy Drury und ihre Kollegen von der Tulane University in New Orleans DNA-Proben von 62 Jungen und 47 Mädchen aus rumänischen Waisenhäusern gesammelt. Diese Einrichtungen sind berüchtigt für ihre soziale Kälte und die Vernachlässigung der Pfleglinge. Die Analysen ergaben, dass Kinder, die sich seit mindestens fünf Jahren in den Heimen befanden, deutlich kürzere Telomere besaßen, als es für ihr Alter angemessen wäre. Der Effekt war bei den Mädchen dabei stärker ausgeprägt als bei den Jungen, wie die Forscher feststellten.
„Wir wollen nun herausfinden, ob die Telomere sich wieder erholen können, wenn ein Kind aus einem Waisenhaus in eine liebevolle Pflegefamilie kommt, oder ob das frühe Unglück sich dauerhaft im Erbgut der jungen Menschen widerspiegelt“, sagt Charles Nelson, einer der beteiligten Wissenschaftler, der für das Bukarester Kinder-Frühförderungs-Projekt „Early Intervention Project“ in Rumänien arbeitet.
Quelle: Die Wissenschaftler um Stacy Drury von der Tulane University in New Orleans präsentieren ihre Studie im Fachmagazin „Molecular Psychiatry http://www.nature.com/mp/index.html", Bd.16, Vol.6.