Mittwoch, 11. Januar 2012

Ein Mentaltraining gegen Trauma


Im Gehirn gibt es einen Mechanismus, mit dem unangenehme Erinnerungen aktiv unterdrückt werden können. Wer schlimme Erinnerungen verdrängen (bzw. emotional inaktiv machen) will, kann sein Gehirn entsprechend trainieren: Experimente amerikanischer Psychologen mit psychisch gesunden Freiwilligen deuten darauf hin, dass das Frontalhirn das Gedächtnis aktiv über zwei aufeinanderfolgende Mechanismen beeinflussen kann. Diese Erkenntnisse könnten helfen, Zwangsstörungen, Ängste oder die Langzeitfolgen eines Traumas zu behandeln, hoffen die Wissenschaftler.

Das Forscherteam aus Colorado bat 16 Studienteilnehmer, sich ein zuvor gezeigtes Bild entweder mehrmals hintereinander ins Gedächtnis zu rufen oder es genau so oft bewusst zu verdrängen. Anschließend sollten die Probanden alle Fotos kurz beschreiben. An die mehrmals unterdrückten Bilder konnten sich die Teilnehmer eindeutig schlechter erinnern als an eine Reihe von Kontrollbildern, die sie lediglich ein einziges Mal ohne weitere Anweisungen gezeigt bekommen hatten, beobachteten die Forscher.

Der frontale Hirnbereich steuert den Mechanismus
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Bislang waren sich Psychologen nicht einig, ob der Mensch überhaupt in der Lage ist, sein Gedächtnis aktiv zu manipulieren. Die nun veröffentlichten Experimente belegen, dass zumindest gesunde Versuchspersonen unangenehme Erinnerungen in einem gewissen Maß kontrollieren können. Wie die Messung ihrer Gehirnaktivität zeigt, werden dabei nacheinander spezielle Teile des Gehirns ausgeschaltet. Zuerst unterdrückt der Frontallappen Hirnregionen (= im Bild rechts 1), die Erinnerungen an Sinneseindrücke unterstützen. Versuchen die Teilnehmer weiterhin, ihre Erinnerungen zu verdrängen, blockiert der Frontallappen dann weitere Gedächtnisprozesse.

Noch ist nicht bekannt, auf welche Weise und wie stark sich ein traumatisches Erlebnis, zum Beispiel ein schwerer Autounfall, in das Hirn einbrennt. Die Wissenschaftler hoffen nun jedoch, mithilfe ihrer Erkenntnisse und weiteren Versuchen neue Ansätze zur Behandlung emotionaler Störungen zu finden. Bisher hatte sich die Suche nach Behandlungsansätzen auf Wirkstoffe konzentriert, mit denen sich gezielt Erinnerungen löschen lassen. Die neuen Erkenntnisse zeigen nun, dass möglicherweise auch Therapien auf der Basis eines Trainings erfolgreich sein könnten. Studienleiter Brendan Depue vermutet allerdings, dass Betroffene tausendmal üben müssen, um solche Erinnerungen zu unterdrücken.
Quelle: Brendan Depue (Universität von Colorado http://www.colorado.edu/): Science, Bd.317,S. 215/ LINK: http://www.sciencemag.org/