Forscher konnten zeigen, dass ein kohlenhydratreiches Frühstück das Gespür für unfaire Entscheidungen fördert.
Bohnen, Speck und Würstchen oder Früchte, Müsli oder Toast?
Ernährung und Entscheidungsfindung: Entscheidet sich am Frühstück möglicherweise, ob wir für die Zeit danach bessere oder schlechtere Menschen sind? Ob wir sensibel oder gleichgültig gegenüber Ungerechtigkeiten sind? Sozialpsychologen und Neurowissenschaftler aus Lübeck, München und London sind nach ihrer Studie davon überzeugt. In einer neuen wissenschaftlichen Untersuchung im Fachjournal „PNAS“ wurden die Forschungsergebnisse veröffentlicht.
Ergebnis: Demnach ist der Mensch nicht nur, was er isst – sondern er verhält sich auch entsprechend. Nach einem Brathähnchen handeln wir offenbar anders, als wenn wir ein Müsli oder Toastbrot gegessen haben.
Die Forscher Soyoung Park und Sebastian Schmid hatten für ihren Versuch 87 Probanden um genaue Auskunft über ihr Frühstück gebeten. Waren es Marmeladentoasts oder Wurstbrote, Gemüsesticks oder Joghurtdrinks?
Dann gab es ein unfaires Angebot
Nach dem Essen unterbreiteten die Forscher ihren Studienteilnehmern ein unfaires Angebot. Es zeigte sich, dass diejenigen, die eine kohlenhydratreiches Frühstück gegessen hatten, sensibler auf die Unfairness reagierten(!).
Bei dem unfairen Test-Angebot ging es natürlich um Geld: Beim in der Psychologie als Standard eingesetzten Ultimatum-Spiel bekommt ein Spieler einen Geldbetrag, den er zwischen sich und einer weiteren Person aufteilen darf. Dieser zweite Spieler darf das Geld annehmen – oder verweigern, wenn ihm die Aufteilung ungerecht erscheint. Bekommt der erste Spieler zehn Euro und entscheidet sich, dem zweiten Spieler fünf Euro anzubieten, wird der zweite normalerweise das Angebot annehmen. Wenig Geld oder lieber gar keins? Psychologen wissen, dass Menschen in der Regel ein sehr ähnliches Gespür dafür haben, was fair und was unfair ist (dieses Gespür weisen auch Wölfe und Hunde auf - was neue Untersuchungen zeigten). Behält der erste Spieler beispielsweise sieben Euro und gibt nur drei Euro weiter, so lehnt der zweite Spieler normalerweise ab. Das Angebot ist zu unfair, er nimmt lieber kein Geld, als diese drei Euro. Dann bekommt keiner der beiden Spieler Geld. ...
Im Versuch waren die Eiweiß- und Fett-Frühstücker eher bereit, ein unfaires Angebot anzunehmen. Die Wissenschaftler hatten bei dieser Versuchsreihe das Frühstück und den Einfluss des Gegessenen auf das Verhalten der Probanden untersucht, das Frühstück wurde ausgewählt damit nicht durch vorhergegangene Mahlzeiten das Ergebnis der Studie verfälscht wurde.
Hintergrund: „Tier- und Humanstudien haben schon vor vielen Jahren gezeigt, dass die Zusammensetzung unserer Nahrung Einfluss auf die im Gehirn zur Verfügung stehenden Neurotransmitter hat“, erklärt Soyoung Park. „Bisher war jedoch nicht klar, ob dies in einem Maß geschieht, welches tatsächlich unser Verhalten messbar verändert.“ Und sich auch im menschlichen Verhalten (sichtbar bzw. messbar) niederschlägt. Nachdem im ersten Schritt die Ergebnisse der Untersuchungen so eindeutig waren, wollten die Wissenschaftler genauer wissen, was hinter dieser eklatanten Kohlenhydratabhängigkeit des Sozialverhaltens steckt. Dazu mussten sie allerdings selbst kochen.
Sie bereiteten aus genau ausgewählten Mikronährstoffen das jeweilige unterschiedliche Frühstück zu. Dieses spezielle Laborfrühstück servierten sie ihren Probanden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, erst nach dem Essen unterbreiteten sie ihnen wieder das unfaire Angebote – und entnahmen ihnen währenddessen und danach regelmäßig Blut. Sie wollten verstehen, welche Stoffwechselvorgänge genau dazu führen, dass das Gehirn der Menschen fairer oder unfairer eingestellt wird. Je nach Frühstückszusammensetzung, so die These, gelangen unterschiedliche Botenstoffe ins Gehirn, die auf die Denkprozesse Einfluss haben. Also der Magen-Darmtrakt und deren Inhalt ist mit-entscheidend für unser mentales Verhalten.
☛ Mehr Eiweiß und Fett im Essen macht uns eher bereit, ein unfaires Angebot anzunehmen!
Je höher der berichtete Anteil an Kohlehydraten im zurückliegenden Frühstück war, desto sensibler reagierten die Probanden auf unfaire Angebote.
Die Blut-Messungen zeigten: Der Vorläuferstoff von Dopamin steigt an.
Tatsächlich zeigte sich, dass der Tyrosinspiegel im Blut der Probanden durch die spezielle Makronährstoff-Frühstück-Komposition deutlich beeinflusst wurde. Je höher der Kohlenhydratanteil im Frühstück, umso niedriger waren die Tyrosinspiegel. Anders herum gesagt der Tyrosinspiegel stieg an, wenn die Probanden viele Proteine gefrühstückt hatten. „Wir konnten zeigen, dass die Veränderung des Tyrosinspiegels in einem direkten Zusammenhang mit den Reaktionen auf unfaire Angebote steht“, so die Wissenschaftler.
Dabei muss man wissen: Tyrosin hat selbst so gut wie keinen direkten Einfluss auf die Gehirnaktivität, das zeigten wiederholt verschiedene Untersuchungen. Tyrosin kann im Körper aber zu Dopamin und Norepinephrin umgebaut werden. Beides sind Botenstoffe die im Gehirn wirksam werden, und die dabei für das Belohnungssystem im Gehirn eine wichtige Rolle spielen. Und Dopamin spielt nach Annahme der Forscher bei dem beobachteten Effekt eine wichtige Rolle.
Vorschlag der Forscher
Obwohl der Zusammenhang zwischen der Ernährung und dem Verhalten nicht bis ins letzte geklärt ist, schlagen die Wissenschaftler schon auf Basis der aktuellen Forschungsergebnisse vor, das Essen in Kantinen von Schulen, Kindergärten oder in Betrieben in Bezug auf die Nährstoffzusammensetzung besser zu überdenken. Schließlich könnte ein extrem ausgewogenes aber auch unausgewogenes Verhältnis von Kohlenhydraten und Proteinen einen direkten Einfluss auf unser alltägliches Verhalten haben, bzw. beim richtigen Verhältnis Menschen positiv beeinflussen
Für die Sozialpsychologen lohnt sich sicherlich ein Blick auf verschiedene Gesellschaftsschichten oder sogar Regionen, Länder, Religionen und spezielle Ernährungsgewohnheiten. Denn es stellt sich dann auch die Frage, ob z.B. die Briten wegen ihres High-Protein-Breakfast fairer sind als die Müsli- Honig- und Marmeladebrot bevorzugenden Menschen. Auch ist sicher interessant wie sich das Verhalten von Menschen mit vegetarischer oder veganer Ernährung ändert.
Quellen: PNAS-org, u.a.
Bildquellen-Symbolbilder: pixabay
Link: http://www.pnas.org/content/early/2017/06/06/1620245114
und PDF-Link: http://www.pnas.org/content/suppl/2017/06/06/1620245114.DCSupplemental/pnas.201620245SI.pdf