Hirndominanz - gibt es sie und ist Hirndominanz
wissenschaftlich belegbar?
Der Begriff
„Dominant“ wird in der geschriebenen als auch in der gesprochenen Sprache
häufig verwendet. Das Wort wird abgeleitet von dem lateinischen Begriff „dominans“,
was übersetzt „herrschen“ bedeutet. Dementsprechend heißt „dominant“, wenn
ausgedrückt werden soll, dass jemand tonangebend, überlegen oder bestimmend
ist. In vielen Fällen heißt „dominant“ aber auch „vorherrschend“. In diesem
Zusammenhang wird das Wort „dominant“ auch für Gehirnbereiche eingesetzt. Es
soll darüber Auskunft geben, welche Bereich gegenüber anderen stärker aktiviert
bzw. dominant sind.
Die Sprache als
Erklärungsmodel:
Im Großen und Ganzen benützen wir unser Gehirn beidseitig,
wie auch mehr oder weniger abwechselnd. Messtechnisch (durch verschiedene tomographische Untersuchungen und Hirnpotenzialmessungen)
konnte man belegen, dass je nach Aufgabenstellung zweifelsfrei bestimmte
Hirnbereiche (Hirnmodule) stärker
oder schwächer benützt werden. Wobei Bereiche der linken Hirnhälfte ganz
besonders dann aktiv werden, wenn es sich um sprachliche Äußerungen handelt.
Dazu muss man wissen, dass sich unsere Sprachfähigkeit hauptsächlich in zwei
Hirnbereichen zeigt. Das Broca-Areal, und das Wernicke-Zentrum
sind die beiden Hirnmodule, denen eine besondere Funktion bei der
Sprachverarbeitung und Sprachproduktion zukommt. Mit neuen funktionellen
Bildgebungsverfahren wie PET und fMRT kann man Bilder erzeugen, die Gebiete und
deren Aktivierungszustand im lebenden Gehirn zeigen.
Die beiden Hirnhälften |
Mit diesen neuen bildgebenden Verfahren hat die Erforschung
der Hirngebiete der Sprachverarbeitung eine radikale Wende erfahren.
Mittlerweile ist bekannt, dass eine ganze Reihe relativ breit verteilter Areale
an der Sprachverarbeitung beteiligt sind. In neueren Forschungsarbeiten werden auch
subkortikale, also unterhalb der Großhirnrinde im Kerngebiet liegende Gebiete
wie Putamen und Nucleus caudatus, sowie prämotorischen (BA 6) Regionen miteinbezogen. Ganz allgemein wird gegenwärtig
davon ausgegangen, dass neben den primären und sekundären auditorischen
Verarbeitungsarealen mehrere Strukturen der Großhirnrinde eine wesentliche
Rolle bei der Sprachverarbeitung spielen.
Linke - rechte
Hirnhälfte beim Sprechen und Zuhören
Dabei sind bei Rechtshändern hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) die Areale
der linken (Stand 2013) Großhirnhemisphäre involviert, wobei bilaterale Aktivierungen gerade im Bereich syntaktischer Verarbeitung nicht selten sind. Es wird gegenwärtig angenommen, dass die rechte
Hemisphäre eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von suprasegmentalen
akustischen Merkmalen wie Prosodie (=lautlichen
Eigenschaften der Sprache) spielt.
Die meisten
Sprachverarbeitungsareale bilden sich im zweiten Lebensjahr in der linken
Hirn-Hemisphäre aus. Auch in der rechten Hirnhälfte finden wir je ein
Broca-Areal und ein Wernicke-Zentrum. Doch in der rechten Hirnhälfte ist das
Wernicke-Zentrum nicht wirklich aktiv. Das Wernicke-Areal kommt nur in der
dominanten Hirnhemisphäre vor (das heißt, in der Hirnhälfte, in welcher die
Sprache sowohl motorisch, als auch sensorisch verarbeitet wird). Diese ist bei
Rechtshändern normalerweise links lokalisiert und kann sich bei Linkshändern
wahlweise links oder rechts befinden. Bei 98 Prozent der Rechtshänder ist die
linke Hemisphäre sprachlich dominant, bei der Mehrzahl der Linkshänder ebenso.
Im Wernicke-Zentrum finden die entscheidenden Prozesse für das
Sprachverständnis statt. Der komplette oder teilweise Ausfall der
Wernicke-Region führt zur Störungen des Sprachverständnisses, die mit dem Grad
der Schädigung korrelieren. Das Wernicke Zentrum ist nicht nur für das
Verstehen von Gehörtem (mündliche
Kommunikation), sondern auch für die schriftliche Kommunikation
unverzichtbar. Ebenso bedient sich der größte Teil unseres Denkens des
sprachlichen Instrumentariums als Basis. So haben Personen, deren Wernicke
Areal geschädigt ist, meistens auch tief greifende Beeinträchtigungen der
Persönlichkeit.
Das Broca-Areal ist eine Region der Großhirnrinde, welche
sich in der Pars triangularis des Gyrus frontalis inferior - meist in der
linken Hemisphäre des Gehirns (im vorderen
Schläfenbereich)- befindet. Das Broca-Areal steht über den Fasciculus
arcuatus (=speziellen Nervenfasern) mit dem Wernicke-Areal in
Verbindung. Eine Schädigung des Gehirns im Broca-Areal führt zu einer
erworbenen Sprachstörung, bei der das Sprachverständnis aber noch weitgehend
intakt bleibt. Dem Betroffenen ist es jedoch (fast) unmöglich, selbst zu
sprechen.
Alleine aus der Sicht
der Sprache, der Spracherkennung, der schriftlichen Kommunikation aber auch aus
Sicht des sprachlichen Denkens zeigt sich, dass es eine räumliche Trennung
zwischen bestimmten Hirnfunktionen gibt. Sprachlich wird somit zweifelsfrei die
linke Hirnhälfte bevorzugt.
Wenn wir von einer dominanten Informationsverarbeitung,
einer dominanten Aktivität einer Hirnhälfte oder eines oder mehreren
Hirnmodulen sprechen, heißt das natürlich, dass außerdem noch weitere Hirnmodule
- ja das ganze Gehirn an sich - an der
Aktivität beteiligt sind.
Doch es geht um eine Dominanz bzw. um stärkere Aktivitäten
in den Hirnhälften, in bestimmten Hirnbereichen, in bestimmten Nervenzellen und
neuronalen Netzen.
Es ist natürlich klar, dass z.B. beim Sprechen auch in den
motorischen und sensorischen Hirnarealen, die für die notwendige
Muskeltätigkeit (Ent- und Anspannung der
Stimmbänder, richtige Atemtätigkeit, Bewegung der Lippen, etc.) jeweils
zuständig sind, eine erhöhte Aktivität messbar sind. Darüber hinaus werden
gerade beim Sprechen, Lesen, Schreiben und Zuhören auch Hirnmodule und
Hirnbereiche aktiv, die mit einer emotionalen Verarbeitung verbunden sind.
Hormone werden je nachdem aktiver und weniger aktiv und es verändert sich unsere
Körperhaltung, Muskelspannung, Atmung, Hautleitwert, Herzschlag, ja sogar der
Blutdruck, das EEG und vieles mehr (denken
Sie nur an ein Streitgespräch). All das wird vom Gehirn gesteuert und auch
sensorisch wahrgenommen.
Zusätzlich muss alles das, was wir wahrnehmen oder von uns
geben, richtig koordiniert und überdacht werden. Das geschieht zur Hauptsache
wieder in den für die Emotionsverarbeitung und auch in den für das logische
Denken zuständigen Hirnbereichen.
Auch wenn wir komplexe Aufgabenstellungen messtechnisch
überprüfen, (z.B. das Verhalten im Straßenverkehr oder wie mathematische oder
kreative Lösungen gefunden werden) zeigt sich, dass nicht nur eine der beiden
Hirnhälften alleine tätig wird, sondern es wieder einen "Mix" von unterschiedlichen
Aktivitäten in mehreren Hirnmodulen gibt.
Anhand der Hirnpotenzialmessungen stellen wir immer wieder einen Aktivitätsmix fest. Obwohl
ein dominantes Hirnareal gemessen wird, sind weitere Areale an der
Reizverarbeitung beteiligt. Beispiel: Das rechte frontale Hirn arbeitet dominanter
bei einer Problemstellung. Dann ist das linke frontale Hirnareal ebenso an der
Reizverarbeitung beteiligt - aber eben mit einer geringeren Aktivität.
Anhand der Beispiele zeigt sich, dass es immer ein Zusammenspiel
verschiedener Hirnbereiche (inkl. der Hirnareale)
geben muss. Doch in diesem Zusammenspiel ist je nach Aufgabenstellung ein
bestimmtes Hirnareal oder sogar eine der beiden Hirnhälften stärker aktiv als
die andere. So ist sie je nach Aufgabenstellung im Augenblick dominant.
Gibt es Personen die
entweder mehr Rechtshirn oder mehr Linkshirn dominant sind?
Vereinfacht gesagt:
JA!
Die Dominanz zeigt sich vor allem bei Messungen in den
Stirnhirnbereichen, im Schläfenlappen und in den Amygdalae (linke und rechte Amygdala). Hier kann man verschieden starke
Aktivitäten messtechnisch erfassen. Je nach Stimmung und nach Aufgabenstellung
verändert sich diese Aktivität mehr oder weniger. Bestimmte Stimmungen (z.B. Depression) zeigen bestimmte
verstärkte Aktivitäten im Gehirn. Fühlen wir uns glücklich, zeigt sich das
zumeist (hauptsächlich) im linken präfrontalen Hirnbereich.
Dass dies zweifelsfrei beweisbar ist (obwohl das auch heute noch einige Wissenschaftler bestreiten wollen) zeigt
sich, wenn Forscher bestimmte Hirnareale mittels Neurostimulation stimulieren.
So werden bestimmte Hirnareale besser aktiv. Solche, durch 20 Minuten dauernde Stimulation erlangte
Fähigkeiten (wie z.B. verbessertes mathematisches Können) können auch nach 6 Monaten noch
mittels Messung nachgewiesen werden.
Primär geht es also
nicht um Rechts oder Links, sondern es geht vielmehr darum, dass bei bestimmten
Aktivitäten unterschiedliche Regionen im Gehirn stärker arbeiten!
Neurostimulation, Whisper |
Und gerade diese Zuordnung kann man u.a. für tief greifende
Rückschlüsse und zur Diagnose benützen. Durch die Neurostimulation (z.B. mit Hilfe der Whisper
Stimulationsgeräte) können
sogar bestimmte Hirnareale in ihren Aktivitäten gesteigert werden. Dadurch
kommt der so stimulierte Proband zu einem besser arbeitenden Gehirn. Begabungen
können durch die einfache Methode der Neurostimulation einer bestimmten
Hirnhälfte bzw. eines bestimmten Hirnareals erlangt werden, die bisher brach
gelegen sind, also nur wenig Aktivität gezeigt haben.
Hirndominanz ist somit wissenschaftlich belegt, natürlich
nicht so vereinfacht wie sie oft gesehen und kommuniziert wird. Wirkliche
Aufschlüsse können einfache Tests nicht wirklich bringen, sondern Messungen
unter sinnvoller Aufgabenstellung.
Quellen: IPN-Forschung/Eggetsberger u.a.
Bildquellen: pixabay/Fotolia und Eggetsberger-Info
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