Sonntag, 16. November 2014

Umwelt und Lebensumstände formen Götterbilder. Harte Umwelt - strenge "Götter".

Religionen - Glaube - Forschung
Wissenschaftler zeigen in einer multidisziplinären Studie, dass sich menschliche Kulturen unter dem Einfluss härterer Umweltbedingungen sehr viel wahrscheinlicher strikt moralisierenden "Göttern" unterstellen als unter milderen Lebensbedingungen.

Das internationale Team um Carlos A. Botero von der Washington University in St. Louis und Russell Gray von der University of Auckland  berichten aktuell im Fachjournal "Proceedings of the National Academies of Science" (PNAS) über ihre Studie. Demnach spielen bei den Religionsentstehungen bzw. bei Entstehung religiöser Glaubenswelten ökologische Faktoren eine Rolle. Die gleiche Rolle spielen diese Faktoren auch in der Bildung menschlicher Gemeinschaften. Die Entstehung von Religion wurde lange Zeit als das Ergebnis entweder von kulturellen oder Umweltfaktoren erklärt - nicht aber von einem Zusammenspiel beider Faktoren.

Nur manche, unter den tausenden Religionen die es auf der Erde gibt oder gab, haben strenge Moralvorschriften.  Die Religionen mit den strengsten Moralvorschriften (Gesetzen) entstanden dort, wo eine unwägbare Natur die Ernten und das Leben bedroht.

Wie entstand der jeweilige Götterglaube, wo kommen die Götter her?
Religionen gibt hunderte, ja tausende von Jahren und sie sind regional höchst unterschiedlich verteilt. Brasilien hat 159, Kanada 19, die Elfenbeinküste hat 76, Norwegen 13. Zudem gibt es grob gesagt zwei verschiedene Typen: In den einen lebten die Götter in irgendwelchen Himmeln/Orten – auf dem Olymp, in Walhall –, im Jenseits-, dort trugen sie auch Händel aus, die auf Menschen durchschlagen konnten; in verwandten Religionen lebten und leben die Götter – oder auch Geister – in der Natur, auch sie sind launisch und wollen mit Opfern besänftigt werden. Diese Götter sind im weitesten Sinne dem Menschen mit seinen Bedürfnissen sehr ähnlich. Alles läuft nach den Willen einzelner Götter und Untergötter ab.

In den anderen Religionen hingegen herrschen strenge Regeln, die, wie die Götter selbst, durch Offenbarung auf die Menschen kamen, und für deren Einhaltung die Götter sorgen, mit Sintfluten etc. (Mitunter ist dieser Gott/Götter sehr egoistisch und rachsüchtig). Das sind die uns vertrauten Götter, Frans Roes hat sie die „moralisierenden“ genannt und sie mit dem Wachstum von Gesellschaften in Zusammenhang gebracht: Das bringt die Gefahr von Zersplitterung mit sich, ihr wird mit sozialen Normen entgegengewirkt, die mit göttlicher Autorität gedeckt sind. (Anm.: Auch dieses Götterbild hat heute so seine Probleme. So verträgt sich für den logisch-wissenschaftlich gebildeten Menschen z. B. nicht, dass ihr Gott zwar allmächtig und allwissend sein soll, anderseits aber die einzelnen Menschen -und sogar ganze Volksgruppen- aber einer Glaubens-Testung unterziehen muss. Das hat ja ein allwissender Gott nicht notwendig, da er ja schon im Vorhinein die Entscheidung des Gläubigen kennen muss. Dazu kommen noch die rachsüchtigen- und egoistischen Anfälle dieser "Gottheiten" bzw. "Gott". Dieses Bild eines Gottes stößt bei vielen auf logische Probleme. Dieser Glaube wurde ebenso von einfältig, verschreckten, ängstlichen Menschen erschaffen, die von einer harten Natur herausgefordert wurden. Hältst du dich nicht an meine Gebote so töte ich dich bzw. bestrafe ich dich!)

Kulturelle Faktoren oder Umweltfaktoren sind die Katalysatoren für eine der alten Religionen. 
Bild 1, Weltkarte der „moralisierenden Götter“
zum besser lesen Bild anklicken!
Diesen Ansatz hat nun Carlos Botero, Umweltkundler an der North Carolina State University, aufgenommen und bettet ihn im Vergleich von 389 erdweiten Gesellschaften in einen historischen und ökologischen Rahmen ein: Demnach haben Götter zum einen einen geografisch-kulturellen Hintergrund, benachbarte Völkerschaften und solche mit den gleichen Sprachwurzeln haben den gleichen Typ. Und zum anderen kamen sie aus ökologischen Gründen auf ihn, es ging um die Ernährung bzw. ihre Bedrohung: Dort, wo die Natur freigiebig ist, und Jäger und Sammler das ganze Jahr über nur zugreifen müssen – in Ostafrika, in Südamerika, auch an der Westküste Nordamerikas –, herrschen Götter, die keine Gebote erlassen haben, sie zeigen nur ihre Launen, in Naturkatastrophen etwa.

Bild 2, Moses und die zehn Gebote
Götter mit Gesetzestafeln regieren vielmehr dort bzw. helfen dort beim Regieren, wo dem Boden und den Launen der Natur etwas abgewonnen werden musste – in Nordafrika etwa, Europa und dem Nahen Osten –, dort also, wo sich früh die Landwirtschaft durchsetzte. Die bringt viele Organisationsprobleme – von der Nachbarschaftshilfe beim Ernten über die Sicherung des Eigentums an Grund und Boden und Nutzvieh bis zur Bewässerung ganzer Zweistromländer –, die nur von komplexen Gesellschaften bewältigt werden konnten. Aller gesellschaftlichen Organisation zum Trotz war doch jede Ernte bedroht, von Fluten, von Dürren, dann lehrte die Not zudem Beten.

Moralisierender Götter 
„Die Wahrscheinlichkeit moralisierender Götter wächst dort, wo die Umwelt variabler und weniger vorhersehbar ist“, schließt Botero und verweist auf eine frappante Parallele: Seine Weltkarte der „moralisierenden Götter“ ist fast deckungsgleich mit einer, die Dustin Rubinstein (Columbia University) anno 2011 publizierte (Current Biology 21, S. 72). Siehe Bild 1

Dustin Rubinstein hat bei Vögel die Kooperation beim Brüten kartiert, und auch sie, die nicht säen und nicht ernten, rücken dort zusammen – konkret, dort helfen Dritte den Brutpaaren bei der Aufzucht der Jungen –, wo eine unberechenbare Umwelt es empfiehlt bzw. erzwingt, in eben den Regionen, in denen Menschen ihren Zusammenhalt mit „moralisierenden Göttern“ stärkten.

Hinweis: Diese Arbeit wurde von der Royal Society of New Zealand Marsden Fund und der National Evolutionary Synthesis Center, einer Non-Profit-Science-Center an der Duke University an der Universität von North Carolina, Chapel Hill unterstützt.
Quelle: PNAS - DOI: 10.1073/pnas.1408701111
Für Anfragen wenden Sie sich bitte Anne Beston: a.beston@auckland.ac.nz
Originallink: http://www.pnas.org/content/early/2014/11/05/1408701111
PNSA-PDF dazu: Direktlink 
Bilder: Gustave Doré, (1832 – 1883) Moses und die zehn Gebote und PNSA-Weltkarte