Nach dem Krankenhausaufenthalt, nicht mehr die/der selbe! |
Ein Delirauftreten lässt sich nicht mit Medikamenten oder Alzheimer-Pflaster behandeln. Eine geeignete Vorsorge hingegen kann ein Delir verhindern. Dafür jedoch brauchen Ärzte einen anderen Blick auf ihre Patienten und Kliniken neue Behandlungskonzepte. Denn die Zahl betagter Patienten steigt rasch.
Das Symptom des Delir ist schon lange bekannt, Delir kommt von Delirium = übersetzt "das aus-der-Spur-Sein" nach schweren Verletzungen, nach Operationen, nach Narkosen oder schwereren, längeren Krankheiten tritt dieses Phänomen gehäuft auf. Früher nannte man den Zustand auch "Durchgangssyndrom". Weil er bei Menschen ohne Vorbelastung nur nach schweren Operationen mit Narkose auftritt und meist rasch wieder verschwindet, galt er lange als kaum besorgniserregend. Zumeist dauert das Durchgangssyndrom bei gesunden Menschen 1 bis höchstens 2 Tage, wobei oft alles was kurz nach dem Aufwachen nach der OP geschehen ist, vergessen wird bzw. auch vergessen bleibt. ...
Je älter ein Mensch, umso gefährdeter ist er! |
Heute weiß man: Ein Delir erhöht die Gefahr, bereits im Krankenhaus zu stürzen bzw. wieder zu stürzen. Statistiken zeigen: Jeder fünfte Betroffene leidet noch nach einem Jahr unter deutlichen kognitiven Einschränkungen - aber auch nicht selten unter erhöhten Bewegung- und Koordinations- Problemen. Und die Wahrscheinlichkeit, binnen eines Jahres nach einem Delir zu sterben, ist statistisch gesehen ähnlich groß wie nach einem Herzinfarkt.
Je älter, umso gefährlicher: Besonders gefährdet sind alte Menschen mit vielen Vorerkrankungen und geringen Kraftreserven. Die über 80-Jährigen sind die am schnellsten wachsende Patientengruppe in den Kliniken. Das liegt neben der Demografie am medizinischen Fortschritt. Operationen, die vor 20 Jahren für Hochbetagte selten waren, wie Eingriffe am Herzen, Krebsbehandlungen, Hüft- und Knie-OPs gehören heute zum Kinikalltag. Hüft-Operationen sind heute einer der Hauptgründe, warum ältere Patienten in die Klinik kommen. Stürze und Unfälle haben im Alter eben fatale Folgen.
Verwirrung, Demenz, Alzheimer können ausgelöst werden! |
Doch genau das ist aber sehr häufig der Fall. Denn das Klinikdelir kann wie ein Treibsatz wirken. Es hebt eine latente Demenz über eine kritische Schwelle und es kommt zum endgültigen Ausbruch.
Durch OP, Narkose und Klinik-Aufenthalt ausgelöste bzw. aktivierte Demenz
Menschen, denen man ihre beginnende Demenz- und/oder Alzheimerkrankheit noch einige Jahre lang vielleicht kaum angemerkt hätte, wirken plötzlich hochgradig senil. Sie sind und bleiben oft nach dem Klinikaufenthalt hochgradig verwirrt. Deshalb ist - wie wir heute wissen- die Wahrscheinlichkeit, nach einem Delir aus der Klinik direkt in ein Pflegeheim entlassen zu werden, fast dreimal so hoch wie unter normalen Umständen. Dieses Problem versucht man bis heute gegenüber den Verwandten so weit wie möglich zu verschweigen bzw. man streitet den Zusammenhang und die Fehler die von Seiten der Klinik und des betreuenden Personals inklusive der zuständigen Ärzte einfach ab.
Doch die Tatsache (die auch den Krankenkassen bekannt sind), dass viele ältere Patienten nach einer OP und Narkose verwirrt- oder dauerhaft dement sind, spricht für sich. Immer mehr Familien mit älteren Familienangehörigen kennen das Problem, mit dem man nach dem Klinikaufenthalt allein gelassen wird, Mutter, Vater, Opa, Oma kommen völlig verwandelt nach dem Spitalsaufenthalt, nach der Operation nach Hause, und der verwirrte Zustand, die Demenz bleibt bestehen. Dabei hatten die Ärzte stets vorhergesagt(!), die Verwirrung werde sich schon bald wieder legen, das sei bei alten Leuten eben so. Vom Delir sprachen sie aber in den meisten Fällen nie.
Hyperaktiver Delir
Auf die richtige, gute Hirnaktiktivität kommt es an! |
Die noch weniger Auffälligen
Die hyperaktiven Patienten fallen naturgemäß schnell auf. Die Hypoaktiven dagegen, dämmern vor sich hin und und stören niemanden. Auch deshalb existieren nur grobe Schätzungen, was die Häufigkeit des Delirs bei älteren Patienten angeht. Sie schwanken je nach Untersuchung und Schweregrad zwischen 10 und 40 Prozent, es können aber auch weitaus mehr sein. Nur in einem sind sich die Delir-Experten einig: Das Phänomen wird massiv unterschätzt.
Moderne Klinikmediziner sind zumeist Hightech-Medizin-Spezialisten.
Schon Tests helfen weiter! |
Aber wirklich wird das Delir-Problem noch nicht verstanden. Doch dort wo das Delir-Screening und die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden (z.B. durch wechseln zu anderen Medikamenten) konnte die Delir-Rate um zwei Drittel(!) gesenkt werden, auf der Neurologie, wo die Vorschäden der Patienten zumeist weit größer sind, immerhin noch um 20 Prozent. Leider können bis zum heutigen Tag nur wenige Kliniken von sich behaupten, für die wachsende Zahl ihrer demenzkranken Patienten ein sinnvolles Konzept zu haben. Einige Kliniken und behandelnde Ärzte ignorieren das Delir-Problem sogar bewusst, sie glauben dass sie nur für die körperliche Behandlung zuständig sind und nicht für die geistige Gesundheit der Patienten.
Warum? Haupsächlich liegt es am fehlenden Interesse an den mentalen Begleiterscheinungen einer OP. Man behandelt Menschen in der Chirurgie mehr wie Maschinen ohne Geist und Seele, anderseits sind es die schnellen Abläufe in der Akut-Medizin und der Zeitdruck. Aber auch der enorme Kostendruck ist daran mitschuld. Man verlässt sich in vielen Fällen lieber auf sedierende Medikamente (stellt den Patienten so weit als möglich ruhig), das geht schneller und wird von den Krankenkassen problemlos abgedeckt. Viele, vor allem öffentliche Spitäler sind heute auch heillos überfordert. Nicht zuletzt durch die immer weiter einströmenden Flüchtlingswellen und Asylsucher. Auch diese benötigen dringende Hilfe, die Warteräume sind überfüllt, Unfallambulanzen gehen über von Wartenden. Die vielen neu ankommenden Menschen, die in ihren Ländern oft nur schlecht bis gar nicht medizinisch versorgt wurden, die Verletzungen die aus Streitigkeiten (zumeist untereinander) entstehen, oder durch den langen Anreiseweg entstanden sind, müssen versorgt werden. Es gibt aber für die Hunderttausenden Zuwanderer und Neuankömmlinge weder mehr Spitäler, mehr notwendige Krankenhausbetten, mehr Ärzte, Pfleger oder Krankenschwestern. Das bringt mit sich, dass man pro Patient nur noch weniger Zeit aufwenden kann. Und schon immer hat man jüngere Patienten den älteren Patienten im Medizinbereich vorgezogen (Ausnahme, Spezialkliniken für ältere Personen). Diese Probleme die mit dem immer geringer werdenden Zeitaufwand pro Patient verbunden sind, werden im Laufe der nächsten Zeit noch akuter werden, die Diagnose und Behandlung von älteren Menschen wird dadurch noch verstärkt. Auch müssen die Spitäler heute mehr denn je darauf achten, dass ein Spitalsaufenthalt so kurz wie möglich sein sollte, man benötigt die Betten so schnell es irgend geht für die wartenden Patienten. Daher wird sich auch aus diesen Gründen, eine flächendeckende Verbesserung der Versorgungslage für ältere Menschen nicht bessern, sondern eher verschlechtern.
Es geht auch anders
Doch nicht überall auf der Welt sieht es so aus wie in Deutschland oder Österreich. Zum Beispiel in England müssen Kliniken -verpflichtend- ALLE Risikopatienten einem Demenzscreening unterziehen. Ebenso sind die Spitäler in England verpflichtet, einen Plan für den Umgang mit Delir-Patienten zu entwickeln und auch entsprechende Maßnahmen rechtzeitig umzusetzen. (Wir dürfen nicht vergessen: England hat auch weniger unter dem Druck der bei uns durch die Flüchtlinge und Asyslucher im medizinische Bereich entstanden ist, zu leiden.)
Pflegeheim - oder weiter zu Hause? |
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Tipp: Wir haben schon 2013 über das Problem berichtet: "Demenzrisiko steigt unter Vollnarkose - Vollnarkose schadet offenbar doch dem Gehirn"
Link: http://eggetsberger-info.blogspot.co.at/2013/06/demenzrisiko-steigt-unter-vollnarkose.html
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Quellen: Div. News, Eggetsberger-Info, IPN-Forschung, Krankenkassen, aktuelle - statistische Veröffentlichungen, Interviews.
Bildquellen: Fotolia und Eggetsberger-Info