Gehirn-Landkarte der einzelnen Worte |
Hintergrund: Wörter mit eher sozialer Bedeutung aktivieren beispielsweise andere Hirnareale als Farbwörter, Ortsangaben oder Zahlen. Das gesamte semantische Netzwerk überzieht jedoch das komplette Gehirn, berichteten die Forscher im Fachmagazin "Nature".
Video zum Thema: "Ein Gedankenatlas wurde erstellt"!
Gedankenlesen! Geschichten erzählen im Hirnscanner?
Schon bald könnte Verdächtigen ihre Gedanken entrissen werden. Besonders interessieren sich natürlich auch Geheimdienste (wie CIA, NSA), Militär aber auch Strafverfolgungsbehörden für die neuen Möglichkeiten. Was hier im Geheimen erforscht wird, kann man nur erahnen. Die Gedanken sind frei wer kann sie erraten ... war gestern, genauso hilft auch der Datenschutz nicht mehr (!). Anm.: Ob die Zukunft durch diese neue Technologie besser wird, mag man ruhig bezweifeln.Genaue Wortanalyse im Tomographen (fMRT) |
Für die Auswertung dieser Aufzeichnungen ordneten die Forscher gut 10.000 Wörter zwölf semantischen Bedeutungsgruppen zu. Mit Hilfe computergestützter Verfahren kartierten sie dann, wo die Wörter eine Reaktion im Gehirn der Probanden hervorriefen – und wo sich bestimmte semantische Gruppen ballten.
Bildgebende Verfahren zeigen eine Wort-Landschaft! |
Das vorläufige Endergebnis der Forschungsarbeit ist ein dreidimensionaler Atlas unseres Gehirns, der über und über mit einzelnen Wörtern voll ist. Schon auf den ersten Blick wird damit deutlich, dass das semantische Netzwerk unser gesamtes Denkorgan überzieht. Insgesamt sind mehr als 130 verschiedene Areale beteiligt, wie die Forscher nun in der Wissenschaftszeitschrift Nature berichten.
Die "Wortpositionen"verteilen sich nahezu gleichmäßig über das gesamte Gehirn – von einer Dominanz der traditionellen Sprachzentren der linken Hirnhälfte ist dabei keine Spur.
Die Gedanken sind nicht mehr frei, man kann sie "erraten"! |
Orte, Zeiten, Beziehungen
Der Atlas zeigt, dass sich Wörter aus der gleichen Bedeutungsgruppe in bestimmten Arealen konzentrieren. Wie zu erwarten: Wörter aus dem sozialen Kontext aktivieren unter anderem Areale im seitlichen Scheitellappen und im Schläfenlappen, bei eng mit dem Sehen verknüpften Wortbedeutungen reagieren dagegen vornehmlich – aber nicht nur – Neuronen in der Nähe der Sehrinde. (Anm.: Man weiß schon lange, dass Worte bestimmte Erlebnisse und Gedankengänge wieder aktivieren können, es ist wie ein Wiedererleben. Siehe dazu: Es gibt Worte und es gibt Worte der Kraft - Forschung unser Bericht aus 2012)
Außerdem gibt es noch spezielle Hirnbereiche, die vor allem bei Wörtern mit Ortsbezug anspringen, andere reagieren auf Zeitwörter oder Zahlennamen.
Interessant dabei auch: Wörter, die je nach Kontext eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben können, aktiveren je nach semantischem Zusammenhang auch jeweils andere Areale. So kann das englische Wort "Top" beispielsweise räumlich gemeint sein, aber auch eine Rangposition oder eine Wertung bedeuten. Im semantischen Atlas taucht dieses Wort daher mehrfach an unterschiedlicher Stelle auf.
Viele Gemeinsamkeiten
Wo welche Wörter verarbeitet werden, war dabei trotz kleinerer individueller Unterschiede bei allen Probanden sehr ähnlich, (dadurch konnte eine Wortkarte erst überhaupt erstellt werden). Worauf dies beruht, ist allerdings noch nicht klar. "Es könnte sein, dass die Anatomie des Gehirns die Organisation dieses Netzwerks beeinflusst", erklären Huth und seine Kollegen. "Möglich wäre aber auch, dass dies auf sehr ähnlichen Lebenserfahrungen unserer Teilnehmer beruht, die alle in westlichen Industrieländern aufgewachsen sind."
Klar scheint aber in jedem Fall: Der erste semantische Atlas des Gehirns liefert wertvolle neue Einblicke in die Arbeitsweise unseres Gehirns. "Die Fähigkeit, semantische Repräsentationen mit diesem Detailreichtum zu kartieren, ist eine fantastische Errungenschaft", kommentiert Kenneth Whang von der US National Science Foundation. Sie hilft nicht nur Sprachforschern und Neurolinguisten weiter, sondern könnte auch in der Medizin nützlich sein.
Zudem demonstriert die Studie, dass dank moderner datengestützter Verfahren schon ein verhältnismäßig simples Experiment ausreicht, um aussagekräftige Informationen zu erhalten: Die Probanden lauschten einfach nur Geschichten, während sie im Scanner lagen. "Mit dieser Methode könnten daher künftig auch andere Aspekte der Sprache, wie Laute oder Syntax, kartiert werden", so die Forscher.
Quellen: Nature, 2016; doi: 10.1038/nature17637/28.04.2016 - NPO und National Science Foundation
Quelle Anm.: Eggetsberger-Net/IPN Forschung
Bild und Videoquellen ©: National Science Foundation
Bericht und Video dazu: http://www.nsf.gov/news/special_reports/science_nation/languagemaps.jsp