Trotz Vollnarkose bei Bewusstsein? |
Ein Drittel der Patienten reagieren in der Narkose
Ein Drittel der Patienten, so berichten die Mediziner im Fachjournal "Anaesthesia" hätte während der Operation auf Anfrage hin den Finger bewegt, obwohl sie sich eigentlich unter korrekt angewandter und ablaufender Vollnarkose befanden (das ist bedenklich!).
Dr. Pandit dazu: "Noch beachtlicher ist aber die Tatsache, dass die Patienten ihre Finger ausschließlich nur dann bewegten, wenn sie dazu aufgefordert wurden", das deutet auf eine besondere Art von Bewusstsein hin. "Keiner der Patienten reagierte auf spontane Reize durch die Operation selbst. Das bedeutet, dass die Patienten also wahrscheinlich keine Schmerzen hatten." (Anm.: Oder die Schmerzen nicht in die Hirnbereiche vordringen konnten, die normalerweise unser Bewusstsein beherbergen.)
Normalerweise werden Patienten während der ganzen Operation von Ärzten und Anästhesisten überwacht, um so sicher zu stellen, dass auch die richtige Dosis an Medikamenten verabreicht wurde, damit der Patient während der Operation unbewusst bleibt und so auch keine Schmerzen erleidet. Dennoch existiert eine Kontroverse darüber, wie vertrauenswürdig die eingesetzten Technologien und Methoden zur Bestimmung des Bewusstseinszustandes tatsächlich sein können. "Wir verfügen schließlich über kein Modell des Bewusstseins", kommentiert Pandit. "Es ist also auch sehr schwer, eine entsprechende Beobachtungstechnologie zu entwickeln."
Die Vorstellung von einem dritten Bewusstseinszustand, den Russel und Pandit als "Dysanästhesie" bezeichnen, könnte nun die in der Studie beobachteten Reaktionen der Patienten erklären. Schon zuvor hatten gezielte Befragungen gezeigt, dass etwa einer von 500 Patienten sich an einen Wachzustand während der Operation erinnern können. In einer anderen Umfrage in Großbritannien, in der jedoch nicht direkt nach einer solchen Erfahrung gefragt wurde, berichteten immerhin noch einer von 15.000 Patienten spontan von einer solchen Erfahrung. Allerdings erklärte nur einer von 45.000 der Befragten, dass er während der Operation Stress oder gar Schmerzen empfunden habe.
Zusammengenommen, so erläutern die Mediziner abschließend, "belegen diese Statistiken, dass es einen Bewusstseinszustand gibt, in dem die Patienten zwar "wach" bzw. "bewusst" sind, dies aber nicht äußern oder äußern können. Möglicherweise sind sich diese Personen ihrer Umwelt zwar bedingt bewusst, und nehmen aber trotz dieser Bewusstheit offenbar keine Schmerzen wahr."
Die Dysanästhesie-Hypothese der Forscher könnte dazu beitragen, noch bessere Narkose-Überwachungsmethoden zu entwickeln und uns einiges mehr über unser Bewusstsein und seine Möglichkeiten näherbringen. Während der Zustand der Dysanästhesie selbst offenbar nicht schädlich sei, könnte es sich aber um eine Art Vorlauf für den frühzeitig einsetzenden, vollständigen Wachzustand handeln, unter dem ein entsprechender Patient dann größte Schmerzen erleiden könnte und den es schließlich zu vermeiden gilt.
Quelle: Fachjournal "Anaesthesia"(DOI: 10.1111/anae.12361), annualcongress-org, livescience-com, PDF-Link
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