Erstmals: Mit Stromstößen ins Gehirn haben Forscher teilweise gelähmte Ratten wieder zum Laufen und Schwimmen gebracht. Dieselbe Gehirnstimulation könnte auch ein Ansatz sein, um Patienten mit Rückenmarkverletzungen zu behandeln.
Hintergrund: Die Mesencephale Lokomotionsregion
(MLR), eine entwicklungsgeschichtlich alte Hirnregion, löst Bewegungen aus und reguliert deren Stärke. Dies war schon lange bekannt: Reizt man etwa bei einer gesunden Katze das Areal, so läuft sie los, umgeht Hindernisse oder springt. Bei den gelähmten Ratten in der Studie "weckte" eine Tiefenhirnstimulation dieses Bewegungszentrum auf.
Auch bei großen Zerstörungen (70-80%) erfolgreich! Es zeigte sich, dass Ratten, bei denen 70 bis 80 Prozent des Rückenmarks zerstört waren und die deshalb an Bewegungsstörungen litten, danach wieder schneller laufen und sogar galoppieren konnten. Vollständig gelähmte Ratten mit zu 90 Prozent verletztem Rückenmark - ein Mensch wäre damit an den Rollstuhl gefesselt - konnten beim Schwimmen ihre Hinterbeine wieder bewegen.
Alles Leben ist elektrisch
"Die elektrische Tiefenhirnstimulation hat das Potenzial, Patienten mit Bewegungsstörungen nach Rückenmarkverletzungen zu helfen", ist das Fazit der Forscher um Lukas Bachmann vom Hirnforschungszentrum der Universität und ETH Zürich.
Parkinson-Patienten
Bei Parkinson-Patienten, bei denen der Verlust von Hirnzellen in der MLR zu Bewegungsproblemen führt, habe die Tiefenhirnstimulation bereits Wirkung gezeigt.
Chance für Langzeitpatienten?
Von diesem Ansatz könnten besonders jene Patienten profitieren, die bereits lange mit der Behinderung leben, schrieben die Forscher. Denn viele experimentelle Heilungsmethoden wie die Stammzelltherapie setzten auf ein Wachstum von neuen Nervenzellen. Diese versiege aber gut ein Jahr nach der Verletzung weitestgehend, weshalb die Rehabilitation der Patienten ab diesem Zeitpunkt schwierig sei.
Die Voraussetzung!
Damit die Hirnstimulation wirken kann, muss nach heutigem Wissenstand jedoch zumindest ein Teil des Nervenstrangs im Rückenmark noch unverletzt sein. Dies könnte laut den Forschern mit neuen Bildgebungstechniken künftig besser bestimmt werden. Vorerst gebe es aber keinen Beweis, dass diese Tiefenhirnstimulation bei gelähmten Menschen funktioniere, betonten sie. Sie müsse zuerst an größeren Tieren getestet werden.
Quelle: Fachzeitschrift "Science Translational Medicine":"Deep Brain Simulation of the Midbrain Locomotor Region Improves Paretic Hindlimb Function After Spinal Cord Injury in Rats" von L.C. Bachmann et al., erschienen im Oktober 2013.
LINK: http://stm.sciencemag.org/content/5/208/208ra146