Die Kluft zwischen Arm und Reich wird in vielen Ländern immer größer. Das hat viel mit Eigentumsverhältnissen, Schulden und Steuersätzen zu tun. Armut hat aber auch eine psychologische Komponente: Sie erzeugt Stress und Angst, und das verändert das Verhalten der Betroffenen in einer Weise, die den Weg aus der Armut erschwert.
Das behaupten zumindest mehrere Studien, die der aus Österreich stammende Wirtschaftswissenschaftler
Ernst Fehr von der Uni Zürich und sein Kollege
Johannes Haushofer vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA) in einem Übersichtsartikel zusammengefasst haben.
Konzentration auf die Gegenwart
Den Beginn der Argumentationskette stellt die Annahme dar, dass Armut zunächst Stress und Angst erzeugt, erklärte Fehr im Gespräch mit der APA. Mit Haushofer zeigt er, wie sich diese negativen Emotionen auf das wirtschaftliche Handeln auswirken.
Menschen, die etwa als Tagelöhner arbeiten und somit täglich vor der Frage stehen, wie sie ihre Kinder ernähren sollen, können es sich, der Theorie nach, kaum leisten, risikoreiche Entscheidungen zu treffen. "Sie gehen von 'risikoavers' zu 'sehr risikoavers' über und gewichten zukünftige Erträge geringer", so Fehr.
Sie konzentrieren sich auf aktuell verfügbares Einkommen, zulasten der Aussicht auf ein in der Zukunft liegendes höheres Einkommen. Auch Investitionen, die sich erst viel später rentieren, wie etwa eine langwierige Ausbildung, werden nicht getätigt. "Es fehlt der lange Atem", so Fehr.
Hintergrundangst"
Unsere These ist, dass das etwas ist, was Armut erzeugt. Für jedes dieser Argumente haben wir die Literatur zusammengetragen, die diese Annahmen stützen", erklärte der Wirtschaftswissenschaftler. Das verminderte Risikoverhalten wird meist in Laborstudien untersucht, wo die Testpersonen Stress und Furcht ausgesetzt sind.
Fehr führte etwa eine Untersuchung durch, bei der den Probanden eine Elektrode an einer Hand angebracht wurde, die unangenehme Reize knapp unter der Schmerzgrenze erzeugte. Wann ein solcher Reiz kam, konnten die Personen nicht beeinflussen. Fehr: "Das erzeugt verlässlich Angst und Furcht."
Gleichzeitig mussten sie sehr viele Investitionsentscheidungen treffen, die mit gewissen Risiken verbunden waren. "Diese Hintergrundangst erzeugt ganz klar eine niedrigere Investitionsbereitschaft. Das ist in gewissem Sinne ein besonders überzeugendes Experiment, weil es eindeutig einen kausalen Zusammenhang zwischen Angst und Risikobereitschaft belegt", erklärte der Forscher.
Gegen Armut hilft NUR Geld
Und folgt man der Argumentationskette der Wissenschaftler, ergeben sich mehrere Ansätze, um Armut und ihre Konsequenzen zu bekämpfen. Man könnte etwa Menschen in Armut einfach Geld geben. Koautor Johannes Haushofer untersuchte die Wirkungen, die an keine Bedingung geknüpfte Geldspenden auf arme Menschen in Kenia hatten. Ein Jahr nach der Spende berichteten die Menschen über viel höheres Wohlbefinden und ein signifikant niedrigeres Stressniveau.
"Eine andere Methode ist, dass man die Konsequenzen der Armut bekämpft. Man weiß, dass arme Leute eher depressiv sind und in psychiatrische Behandlung müssen", erklärte Fehr. Therapeutische Maßnahmen könnten dabei helfen, "Handlungskompetenzen zu erhöhen, die es den Menschen dann ermöglichen, eher aus der Armut rauszukommen."
Quelle: "On the psychology of poverty" von Ernst Fehr und Johannes Haushofer ist am 22. 5. 2014 in "Science" erschienen.
LINK: http://www.sciencemag.org/content/344/6186/862
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