Das Gehirn kann nach Ansicht vieler Forscher dem menschlichen Bewusstsein sogar das Gefühl vorgaukeln, autonom zu handeln, obwohl es manipuliert wurde. Mehrere Untersuchungen weisen darauf hin, dass man den freien Willen durch gezielte Stimulationen in diesem supplementär-motorischen Areal künstlich erzeugen kann," erklärt Gerhard Roth in Berlin. Wenn man die richtige Stelle reizt, heben die Leute beispielsweise ihren Arm und behaupten dann, sie hätten dies gewollt."
Was aber ist mit dem Gefühl, ein Ich zu sein? Gibt's, sagen die Forscher. Es habe mit der Evolution vom Affen zum Menschen zu tun, während der die Großhirnrinde dramatisch zugenommen hat", erläutert der Neurobiologe Wolf Singer vom Frankfurter Max-Planck-Institut für Hirnforschung. Die hinzugekommenen Hirnabschnitte ermöglichen es dem Menschen unter anderem, Bilder und Szenen vor dem geistigen Auge ablaufen zu lassen und somit die eigenen Handlungen zu planen und die anderer Menschen abzuschätzen.
Jeder von uns kennt es: das untrügliche Gefühl, Herr der eigenen Handlungen zu sein. Wir sind im Allgemeinen davon überzeugt, zwischen mehreren Handlungsalternativen frei wählen zu können und letztlich unser Leben selbst in der Hand zu haben. Doch seit die moderne Hirnforschung versucht, Handlungen, Entscheidungsprozesse, Denkabläufe und Gefühle durch Prozesse im Gehirn zu erklären, steht der freie Wille zur Diskussion. Lassen sich auch solch komplexe Phänomene wie Willen und Bewusstsein allein durch physiologische, also letztlich materielle Gesetzmäßigkeiten erklären? Oder gibt es doch noch etwas anderes, was über die beobachtbaren Erscheinungen hinausgeht?
Bisher gebe es keinen Beweis dafür, dass rein mentale Abläufe existieren, die nicht an Vorgänge im Gehirn gebunden sind, sagt Gerhard Roth, Leiter des Instituts für Hirnforschung an der Universität Bremen. Menschliches Handeln sei entweder durch Zufall oder durch bewusste oder unbewusste Beweggründe bestimmt. Gebe es jedoch Beweggründe, müssen diese auf Vorgänge im Gehirn zurückführen sein, argumentiert Roth, der darüber zusammen mit dem Neurophilosophen Michael Pauen von der Humboldt-Universität Berlin ein Buch geschrieben hat.
Seine Sichtweise zum Thema Willensfreiheit legte Roth nun auf einem Symposium am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München dar und verdeutlichte seine Argumentation an einem naheliegenden Beispiel: Für seine Entscheidung, in München einen Vortrag zu halten, hätte es bewusste und unbewusste Gründe gegeben: Zum Beispiel, wie gut er die Veranstalter kenne und ob er gerne nach München fahre. Er habe also durchaus eine freie Wahl gehabt.