Dass Scheinmedikamente und Scheinbehandlungen wirken können, ist schon länger bekannt und der Placebo-Effekt ist auch genau untersucht worden. Eine Studie an Parkinson-Patienten zeigt nun erstmals, dass sogar einzelne Neuronen im Gehirn auf ein Placebo reagieren, aber erst nachdem sie durch ein wirksames Medikament trainiert worden sind.
Der Placebo-Effekt ist schon seit hunderten Jahren bekannt
Wirkungslose, Schein-Pillen und andere Scheinbehandlungen
(sogar Schein-OPs) können Symptome lindern bzw. ganz heilen. Hauptsache, es wird irgendetwas getan, dann geht es Kranken schon besser - eine Erfahrung, die jeder Hausarzt macht
(siehe dazu Placebo-Effekt).
Der Geist ist der Baumeister
Warum die eigentlich nutzlosen Präparate wirken, ist nur teilweise klar. Erst in den vergangenen Jahrzehnten widmen sich Forscher vermehrt der Aufklärung. Denn wüsste man, welche
Gehirn-Mechanismen dahinterstecken, bzw. alle Mechanismen die dahinterstecken, so könnte man den Placebo-Effekt gezielt für medizinische Behandlungen nutzen und damit teure Medikament mit oft großen, gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen einsparen. Eine wesentliche Rolle beim Placebo-Effekt dürfte
(wie man schon lange vermutet) die Erwartung der Patientin oder des Patienten spielen. Immerhin rechnet dieser normalerweise damit, dass man ihm eine wirksame Behandlung verabreicht. Wie sehr, hängt zudem vom betreuenden Mediziner ab. Denn er kann Kranke davon überzeugen, dass Medikamente oder andere Therapien auch tatsächlich hilfreich sind.
(Anm.: Ein Placebo wirkt sogar dann, wenn der Behandelte weiß, dass er eine wirkstofffreie Placebo-Pille bekommt - siehe Link.)
Dennoch reagieren nicht alle Menschen auf Scheinbehandlungen, sondern nur sogenannte Placebo-Responder, wie sie in der Medizin bezeichnet werden, tun es. Was die beiden Gruppen unterscheidet, ist unklar. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, aber auch körperliche, gehirnspezifische und / oder genetische Faktoren könnten beteiligt sein.
Placebo-Training ist möglich!
Ob jemand auf eine Placebo-Scheinbehandlung anspricht oder nicht, ist jedoch möglicherweise weniger in Stein gemeißelt, als man annehmen möchte. Vielleicht lässt sich die Plazeboreaktion auch erlernen bzw. effektiv trainieren. Diesen möglichen Schluss legt die aktuelle Untersuchung der Forscher um Dr. Fabrizio Benedetti von der Universià degli Studi di Torino nahe. Wie schon in früheren Arbeiten des italienischen Placebo-Experten wurde der Effekt an Parkinson-Patienten untersucht.
Morbus Parkinson sei eine interessante Modellkrankheit für die Placebo-Forschung, denn das Phänomen ist hier besonders weitreichend dokumentiert, schreiben die Autoren. Zudem lasse sich der Placebo-Effekt im Hirn der Betroffenen tatsächlich gut messen. Es zeigt sich, sie schütten vermehrt Dopamin aus. Und außerdem könne man bei manchen Patienten die Aktivität einzelner Neuronen aufzeichnen. Möglich macht das eine bei der neurodegenerativen Erkrankung häufige Behandlung: Die tiefe Hirnstimulation, umgangssprachlich bezeichnet man dieselbe auch als Hirnschrittmacher. Bei dem neurochirurgischen Eingriff werden Elektroden ins Gehirn gepflanzt, um direkt Neuronen zu stimulieren. Das soll gegen die für Parkinson typischen Bewegungsstörungen helfen. Andererseits lässt sich durch die Elektroden für Studienzwecke auch die Aktivität der Nervenzellen messen.
Unsere Forschungen im Eggetsberger Net, haben gezeigt, dass bei nicht zu weit fortgeschrittenen Parkinson-Patienten mitunter auch eine
Neurostimulation - mittels Whisper die Symptome der Parkinsonerkrankung minimieren kann.- Bei der
Whisper-Technik werden die Elektroden nur auf die Kopfhaut angelegt- und Mikroströme werden übertragen.
Die Placebo-Wirkung lässt sich trainieren
Für die Probanden in Benedettis Studie war die Operation bereits vorgesehen. Parallel haben die Forscher die Wirkung eines gängigen Parkinson-Medikaments, Apomorphin, mit jener einer wirkungslosen Salzlösung verglichen. Erfasst wurden dabei sowohl die symptomatischen als auch die neurologischen Veränderungen im Gehirn. Wenn die Patienten zuerst das Placebo injiziert bekamen, geschah gar nichts, weder besserten sich die Symptome noch veränderte sich die neuronale Aktivität.
Hatten die Kranken jedoch zuerst eine wirksame Dosis Apomorphin erhalten, wirkte auch das Placebo am nächsten Tag(!). War der Wirkstoff vier Tage hintereinander verabreicht worden, wirkte die Salzlösung am vierten Tag genauso wie das Medikament, sowohl symptomatisch als auch im Gehirn. Und dieser Effekt hielt 24 Stunden an. Jeder Mensch könnte für Placebos empfänglich sein, mitunter muss man nur zum Placebo-Responder "umprogrammiert" werden.
"Die Ergebnisse zeigen, dass man einzelnen Nervenzellen durch entsprechendes Training beibringen kann, auf ein Placebo zu reagieren", erklärt Benedetti in einer Aussendung. Lernen spielt offenbar auch beim Placebo-Effekt eine entscheidende Rolle. Vergleichen kann man das laut den Forschern mit dem menschlichen Schmerzgedächtnis. Dabei treten die Beschwerden selbst dann noch auf, wenn ihre Ursache längt behoben ist.
Das Resultat der aktuellen Studie lege nahe, dass man jeden Menschen, der nicht auf Scheinmedikation anspricht, mit entsprechendem Training in einen Placebo-Responder verwandeln könnte.
Medizin der Zukunft - Mentaltraining ergänzt die herkömmliche Medizin
Der Trainingseffekt könnte laut den Forschern auch für die klinische Praxis der Zukunft wichtig werden. "Offenbar gibt es ein Gedächtnis für die Wirksamkeit von Medikamenten. Wenn man Wirkstoffe und Placebo-Substanzen zumindest alternierend einsetzen könnte, müssten Patienten weniger Medizin zu sich nehmen und würden dennoch dieselbe Besserung ihrer Beschwerden erfahren", so resümiert Benedetti.
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