Psychologen haben bei einem Patienten eine interessante Wahrnehmungsstörung entdeckt: Der betroffene Patient hört Menschen, bevor er sie sprechen sieht. Die britischen Forscher erkannten dadurch: Unser Gehirn besitzt mehrere unabhängige Timer, die unser JETZT synchronisieren bzw. erstellen.
"Es begann damit, dass ich meiner Tochter erklärte, ihr Fernseher im Wohnzimmer wäre nicht wirklich lippensynchron. Dann bemerkte ich, dass auch der in der Küche schlecht synchronisiert war. Plötzlich sah ich, dass die Stimme meiner Tochter ebenfalls nicht mit ihrer Lippenbewegung gleich lief. Da wurde mir klar: Es war nicht der Fernseher, ich war´s." so der 67-jährige Brite PH.
Der Patient der kurz als PH bezeichnet wird, schien nach einer Herzoperation plötzlich alles wie in einem schlechten Livestream wahrzunehmen. Und nicht nur das. Einige Wochen nach der OP hörte PH sogar sich selbst zuvor reden, ehe er die Kieferbewegungen dazu spürte. Wie der Wissenschaftszeitschrift
"New Scientist" berichtet, ist das der derzeit einzige weltweit bekannte Fall von einem Patienten, der die Stimmen von Menschen hört, bevor er ihre Lippenbewegungen wahrnimmt.
Die Synchronisation des "Jetzt" verloren
Hintergrund: Schall
(also Töne und gesprochene Sätze) und Licht
(sichtbare Aktionen) bewegen sich unterschiedlich schnell fort. Sehen wir jemanden sprechen, so erreicht der akustische Reiz unser Ohr und unser Gehirn zu einem anderen Zeitpunkt als der visuelle Reiz unser Auge. Normalerweise verarbeitet unser Gehirn Ton und Bewegung zu einem synchronen Bild
(es gleicht die Zeitdifferenz zwischen Tonwahrnehmung und Gesehenem einfach aus). Wie genau unser Gehirn das macht, haben Neuro-Wissenschaftler bisher aber noch nicht herausgefunden.
Dabei ist auch unklar, warum dieser Vorgang in PHs Gehirn nicht mehr funktioniert. Vermutet wird: Dieser Effekt könnte vielleicht durch eine akute Pericarditis ausgelöst worden sein – das ist eine Entzündung des Herzbeutels – oder der Auslöser war die Herzoperation selbst. Die Gehirnscans von PH zeigten jedenfalls zwei Läsionen in bestimmten Gehirnarealen.
(siehe Bilder rechts, Lesion 1 und Lesion 2). Diese geschädigten Bereiche spielen vermutlich eine Rolle für Hören, Timing und Bewegung.
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